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26 August 2008

Bildrauschen

21 August 2008

"In einer kleinen Stadt"

Der Drogeriemarkt hat meine Fotos versaut. 4 Filme völlig hin. Das heißt- nicht völlig. Von 132 Bildern wurden immerhin 17 Bilder entwickelt- ohne Kratzer, ohne künstlerischer Bild-in-Bild- Technik und ohne Überbelichtung. Dabei war ich so stolz endlich einen Achromaten zu besitzen, den ich voller Inbrunst im Botanischen Garten zwei Tage lang ausprobiert habe. Ob ich nun damit umgehen kann, weiß ich also nicht. Immerhin bleiben mir 17 Bilder. Für mich aber dennoch ein Grund doch auch mal einen anderen Fotoservice auszuprobieren. Da professionelle Entwicklungsabreiten von echten Fotografen für mich noch unbezahlbar sind, bleibt die Auswahl in unserer Kleinstadt recht gering. Müller oder Rossman? Ene mene muh..und raus ist Rossman. Also Müller. Kommt ja laut den Erfahrungsberichten im Internet gut weg bei den digitalen Entwicklungen. Mal schauen, obs bei den Kleinbildern auch so ist. Der Spruch „Montag gebracht- Mittwoch gemacht“ der mir schon von den dm- Filialen bekannt ist, sollte mir zwar zu denken geben- aber keine Vorurteile. Also wird zwei Tage gewartet, um dann voller Vorfreude mit den vier Coupons im Laden anzutänzeln und sich seine Bilder, erneut von den Blumen und Fröschen des Botanischen Gartens, abzuholen. Aber- wer hätte es gedacht- sie sind nicht da. Im Ablageregal liegen geschätzte sechs Filmtaschen und keine von denen ist eine meiner vier. Aber gut- noch ist Hopfen und Malz nicht verloren- die Kassiererin wird um Rat gefragt.

- Hamse denn schon mal nachgeguckt?

- Ja

- Un sie sind nicht da?

- Nein

- Un sie sind sich sischer?

- Ja

- Da müssmer ne Kollegin holen.

Sie kommt und der Sachverhalt wird geschildert

- Hamse denn schon mal nachgeguckt?

- Ja

- Un sie sind nicht da?

- Nein

- Un sie sind sich sischer?

- Ja

- Da müssmer ne Kollegin holen.

Wir stehen irgendwann zu fünft vor der Fotoecke, mittlerweile variieren die Fragen, was sie nicht sinnvoller macht, weil sie auf Sachen abzielen, die ich bereits fünfmal geschildert habe.

- Wann hamse sie denn abgegeben

- Vor zwei Tagen

- Mmh, was warns denn für Fotos?

- Kleinbild, 9 mal 13, Erstabzug

- Kein Poster?

- Nein!

- Nicht Digital?

- Nein!!

- Keine Nachbestellung?

- NEIN!!!

- Dann sinnse wohl nicht da.

Super, zehn Minuten meines Lebens verschenkt. Hab ich ja nicht gleich gesagt. Mit dieser Aussage wird man fast schon aus der Tür gedrückt und man traut sich kaum auf den versprochenen Verspätungsrabatt hinzuweisen, der in einem solchen Fall gewährt wird. Dennoch, Recht ist Recht also wird doch noch kleinlaut nachgefragt.

- Entschuldigung, hier steht was von Rabatt, wie isn das?

- Da müssmer ne Kollegin holen. Das weiß ich nich wie das funktioniert.

Aus Zeitgründen könnte man den Dialog von oben kopieren und hier wieder einfügen, weil er einfach wiederholt wurde, mit dem Resultat, dass man uns den Rabatt heute leider noch nicht gewähren könne. Denn:

- Wir müssen mal schauen, was es für Fotos sind, wenn sie da sind, weil Dias dauern länger.

- Wir hatten aber KLEINBILD, ERSTENWICKLUNG

- Das können wir aber nicht überprüfen, weil die Bilder noch nicht da sind

- Achwas!

Sieh mal einer an, ein Paradoxon.

Ein erneutes zur Tür Gedränge signalisiert uns, dass wir hier nicht mehr erwünscht sind und nur der letzte, todesmutig geäußerte Wunsch, doch bitte zu verzeichnen, dass die Bilder zum versprochenen Zeitpunkt nicht abholbar waren, bewahrt mir die Chance den Rabatt doch noch zu bekommen und wird nur mit offenkundigen Murren erfüllt.

Ein Hoch auf die Kundenfreundlichkeit.

Wo ich dieses Wochenende sein werden sein werde?

Wahrscheinlich im Botanischen Garten, nächste Woche erhält Rossman seine Chance. Vielleicht schaffen die das scheinbar Unmögliche: Fotos ohne Schäden und termingerecht zu entwickeln.


Titel: In einer kleinen Stadt

Autor: Stephen King

Verlag: Heyne

Preis: € 8, 45

Über den Wolken...

10 August 2008

"Eine sonderbare Geschichte"

Im Zug. Vor mir ein Mitfünfziger. Füllig. Freundlich. Lächelt mich an. Schon eine halbe Ewigkeit. Will wohl ein Gespräch erzwingen. Nicht mit mir, mein Freund. Ich starre stur in mein Buch und bekomme von all dem nichts mit. Wenn man nur fest daran glaubt, dass man hier allein ist, ist man das auch. Jawohl! … … „Ole oleoleoleole…der Frank wird heiraten, ole“…Ich seh sie nicht, aber ich weiß, sie sind da. Junggesellen. Mitten am Tag. Im Zug. In meinem Abteil! Es reicht nicht, dass ihr mir jeden Samstag über den Weg lauft und um einen letzten Kuss, eine kleine Spende oder sonst einen Kram bittet und euch auch nicht durch mein Angebaffe dazu bringen lasst mich endlich in Ruhe zu lassen- nein, jetzt also auch im Zug. Mit den ewig gleichen unheimlich kreativen XL-mit-super-lustigen-Sprüchen-drauf-Massenshirt wie „Ab morgen komm ich an die Leine“ oder „Ich hab lebenslänglich“ (macht der Job solche Shirts zu drucken glücklich?) kommt ihr mir immer und immer wieder total happy entgegen und feiert. Und das bei einer steigenden Scheidungsrate. Großartig. An dieser Stelle: an alle mir ans Herz gewachsene: sollt ich auf die Idee kommen zu heiraten- und das mein ich jetzt ganz im Ernst- kommt nicht auf so eine Scheißidee! Wirklich ich mach da nicht mit. Ich schick euch mit euren Klopfern, Brautschleiern und sonstigen Happykram allein los. Könnt ihr ohne mich machen.

„Sehr geehrte Fahrgäste, in kürze erreichen wir Weimarr„ (nich aufregen, das doppelter R dient der Veranschaulichung der überdeutlichen Aussprache die bei dieser Art Sprechgesängen gern verwendet wird) donnert es von oben. Widerstand zwecklos will mir die Ansagerin wohl verdeutlichen. Gut, ich pack das Buch weg. Nützt eh nüscht. Ich bin ja eh die Einzige, die hier ihre Ruhe will. Merk ich sofort, da nebenan zwei gut betuchte aber anscheinend gelangweilte Rentnerinnen sitzen, die die völlig unverhoffte Ansage jetzt nutzen um endlich ein Gespräch anzufangen. Denn ich weiß jetzt, dass es total praktisch für ihr schlechtes Gehör, mit dem wohl beide gestraft sind, ist, dass die Frau hinter dem Mikro endlich mal laut und deutlich spricht, denn sonst weiß man nie, wo man aussteigen muss…klar. Der Zug hält ja auch jede Woche woanders. Das gesamte Abteil hört gespannt zu. Ich frag mich warum. Der Halt in Weimarr führt dazu, dass ein Pärchen, beide um die 25, zusteigt, vollbepackt mit Koffern, Tüten und Rucksack. Na, ob das nicht mehr sind, als die erlaubten 20 Kilo im Flugzeug? Denn zum Flughafen solls ja offensichtlich gehen. Kaum den Sitzplatz vor mir eingenommen und wieder Luft geholt, wird das Monte ausgepackt und in sich reingeschaufelt. Is ja ne "gesunde" Zwischenmahlzeit und gibt’s jetzt glücklicherweise auch im großen 100g-Pack. Wir fahren los. Noch 15 Minuten und dann is alles vorbei, tröst ich mich. Doch jetzt kommt noch der panische Rucksacktourist reingerannt.

„Sorry, aber das is doch der Zug nach Göttingen?“

„Ja“, raunt es ihm entgegen.

„Ach…gut, ich dacht schon…weil ja ein Abteil abgetrennt wird und woanders hinfährt.“

Es ist unheimlich, wie schnell doch die Farbe aus einem Gesicht weichen kann. Aber das Pärchen mir gegenüber beweist es- es dauert keine Sekunde.

„Wie? Woanders hin? Wer hat das gesagt?“

„Na das Zugpersonal.“

„Wann?“ Der Monte wird zunehmend nervöser gelöffelt.

„Na eben, in der Ansage!“

„Was?“ …ja, da hat se wohl doch nich so laut und deutlich gesprochen, wie ich es vernommen hab…

„Scheiße!“

Das ist eindeutig besser als mein Buch, denn jetzt geht’s los: „Na prima! Na das hätte uns aber auch irgendwer sagen können, aber nein. Nu sitzen wir hier. Toll. Große klasse. Immer die Deutsche Bahn…“ Klar, die kann was dafür! Aber gut, nu isse in Fahrt. Der zweite Monte wird aus dem Rucksack geangelt. Ich sollte mal an Zott schreiben- das Werbekonzept gehört umgeändert. Von wegen gesunde Milchmahlzeit für Kinder- der scheint mir doch eher was für gestresste Urlauber zu sein.

Mittlerweile werden die sorgsam einsortierten Gepäckteile wieder aus den verschiedensten Ablagemöglichkeiten zusammengesammelt. Schade, dabei war Mann doch froh, Frau beweisen zu können, dass sich jahrelanges Tetris- zocken und vor dem Pc-rumhängen doch gelohnt hat. Nu isses kaputt- das schöne Kunstwerk. Nutzt nüscht- sie müssen raus, in ein anderes Abteil. Und ich lasse mich zu einer Handlung verleiten, die ich sonst tunlich vermeide- ich stehe fünf Minuten vor Ankunft, punktgleich mit der Ansage „Wir erreichen in kürze Errfurrt“, auf, um mich wie alle anderen die Anderen, die Angst haben der Zug würde weiterfahren ohne sie vorher auszuspucken, vor der Tür zu drängeln. Mittendrin statt nur dabei, sag ich mir. Und auch der Koffer des Pärchens im Rücken wird mit Gelassenheit hingenommen, denn deren grundlosen Schweißausbrüche verbunden mit der kundgegebenen Panik, die Schaffnerin könnte sie nicht mehr in das andere Abteil lassen, hat heut irgendwie eine beruhigende Wirkung auf mich. Und die Vorstellung, dass sich die 1,50m große Schaffnerin wie Steven Seagal vor die Zugtür stellt um eben diesen vor zwei Eindringlingen wie meinem Pärchen zu schützen, zaubert mir ein unverhofftes Lächeln ins Gesicht. Der eigene Stress fällt ab, wenn man anderen bei ihrem beobachten kann. Tolle Erkenntnis. Werd ich mir merken!

Na ja- ein Tag auf Besuch bei der Familie- dann geht es zurück in die Prüfungsvorbereitung nach Jena.

„Ach gucke mal einer an. Wir sind doch auf der Hinfahrt schon zusammen gefahren. Wissense noch?“ fispert es mir von schräg oben entgegen. Im Zug. Vor mir derselbe Mitfünfziger. Immer noch lächelnd. Immer noch freundlich. Das verspricht eine Zugfahrt zu werden.


Titel: Eine sonderbare Geschichte

Autor: Wladyslaw St. Reymont

Verlag: Das Neue Berlin

Preis: auf dem Dachboden gefunden