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29 September 2008

Lange Rede, kurzer Sinn

Dr. Jekyll und Mr. Hyde

Auf Zelluloid, des Todes wegen in den Saal getreten.

Der Eintritt, des Austritts wegen die Bilder hergegeben.

Im Nebel, der Aussicht wegen nicht im Bett gelegen.

Der Erlaubnis, des Wegfahrens wegen zum Herfahren gebeten.

Der Entwicklung, des Schrittes wegen das Laufen aufgegeben.

Die Sorgen, der Zukunft wegen vom Boden zu fegen.

Das Herz, der Hände wegen nicht mehr herzugeben.


Titel: Dr. Jekyll und Mr. Hyde

Autor: Robert Louis Stevenson

Verlag: anaconda

Preis: € 2, 95

15 September 2008

Windstille

09 September 2008

"Der menschliche Makel"

Ich habe eine Heizung im Schuh. Ich kann mein linkes Bein mehr schlecht als recht bewegen, habe 5 mal Ibuprofen neben mir auf der Couch liegen und mein Fuß glüht. Aber das hab ich mir selbst zuzuschreiben. Spontanität ist also nicht mein Ding. Ich mag es lieber geplant. Durchdacht. Überlegt. Und dennoch lass ich mich immer wieder zu ungesteuerten Verhaltensweisen hinreißen. „Die Hose kauf ich mir- da pass ich einem halben Jahr rein!“ - und dann liegt sie doch nur, noch immer verpackt und mit Preisschild, im Schrank rum. Oder: „Hey lass uns doch mal ne kleine Wanderung dranhängen- es wird heut nicht kalt“ – und dann wird mein Übermut eine Woche lang im Bett mit Kamillentee besiegelt. Und das aktuellste Beispiel: „Hey- ich lass heut mal ne Hautkrebsvorsorge machen, bin ja eh einmal da.“ Also sitz ich bei der Frau Doktorin, ihrem kritischen Blick ausgeliefert. Point of no return. „Hhhm, also das sieht tatsächlich nicht gut aus. Da gehen sie doch lieber mal in die Chirurgie, die ist nur zwei Etagen drüber. Ach warten sie, ich ruf gleich mal schnell für sie an.“ Aha- hier gibt es also auch eine Chirurgie. Wusste ich gar nicht. Vielleicht ist die für meinen alten Frauenarzt reingekommen, der den bekannten Stuhl immer mit Sicht aus dem Fenster raus, Richtung gegenüberstehendem Bürokomplex stehen hatte. Vielleicht war da das Licht besser. Oder er hat sich so ein gutes Nebeneinkommen gesichert. Wer weiß… Dem lächelnden Gesicht meiner Ärztin zufolge hat die Chirurgie jedenfalls Zeit für mich. Ist das nicht großartig? So eine private Krankenversicherungskarte hat also auch seine Nachteile. Mir wird bang. Warum hab ich solch großartige Ideen jetzt, in meiner einzigen freien Woche? Die Chirurgie ist wie gesagt neu. Dennoch gibt es hier keine Behandlungszimmer, sondern lediglich Behandlungskabinen. Also nehme ich Platz auf einem Feldbett umgeben von einem blauen Umhang. Einzig und allein die Latexhandschuhe links neben mir, der Schuhanzieher und der Kalender an der Wand leisten mir Gesellschaft. Obwohl- das Gespräch aus der Nachbarkabine bekomm ich auch mit, also fühl ich mich nicht ganz einsam. Wozu noch verstärkend hinzukommt, dass ich den Duft der fünf Patienten vor mir in der Nase habe. Trotzdem bin ich verängstigt. Ich wurde noch nie wirklich operiert, zwar mal mit elf Jahren- aber wer erinnert sich noch dran? Der heutige Kalenderspruch: „Kunst ist es, einmal mehr aufzustehen, als man hinfällt.“ ist meiner Meinung nach unpassend für die Chirurgie und nimmt den letzten Rest Mut, sodass mich die überaus herzliche Ärztin mit dem Rücken zur Wand auffindet. Oh ja, das sähe gar nicht gut aus und muss raus. Ginge aber ganz fix und da es nur lokal betäubt wird, kann ich dabei sogar zusehen. Na danke! Und da mein Glück heut perfekt ist, hat sie sogar für den kommenden Tag noch einen OP-Saal frei. Also ist der Termin gleich gemacht und ich steh wieder angezogen auf der Straße eh ich das registriert habe. Ich hab mir ja schon vieles aufschwatzen lassen- Zeitungsabos oder derartigen Kram, der zu Hause direkt widerrufen wird- aber eine OP, das ist doch neu.

Trotz panischer Angst vor angekündigten Nebenwirkungen wie Blutungen, Thrombose, Blutvergiftungen und dergleichen sowie Organhandel kann ich die Nacht schlafen um frühs wieder anzutanzen. Im Warteraum sitzt mir ein Jugendlicher gegenüber, mit großem Pflaster am Knie. Die Schwester kommt rein und wird von ebendiesem gefragt, ob sie ihm nicht ein Taxi rufen könne, natürlich auf Kosten der Krankenkasse, da er ja nicht laufen könne. Mutti hat ja gestern noch angerufen und gesagt, dass die Schwester das machen muss, der der Junge ja nicht mehr Autofahren kann, nach so einem schwerwiegenden Eingriff. Hab ich da was übersehen- du hast doch nur ein Pflaster am Knie. Da kanns doch so wild nicht sein…Es dauert nich lang und ich bin dran. Es riecht nach alten Pilzen- ist das normal? Im Nebenraum läuft eine OP unter Vollnarkose und ich mach mir ins Hemd. Was für eine Niederlage… Ob es schmerzt, wenn sie die Nadel in meinen Fuß rammen? Nein…ich kann die Zähne zusammen beißen. Ja ja…ich hab da eine Tätowierung und nein, die war nicht schlimmer. Da kam ja wenigstens was Hübsches bei raus. Und auch wenn sie mir jetzt ganz stolz zeigen, was die da feines rausgeschnitten haben- hübsch ist das nicht! Fünf Minuten im Aufwachraum und ich humple erst mit meinem noch tauben Fuß zum einkaufen und dann nur noch nach Hause. Und da sitz ich jetzt mit meinem pochenden, gefühlt kochendem Fuß. Ich sollte wirklich nicht mehr spontan sein.


Titel: Der menschliche Makel

Autor: Philip Roth

Verlag: rororo

Preis: € 9,95

08 September 2008

Feuerball

05 September 2008

"Der letzte Tag eines Verurteilten"

Man bereitet sich vor. 547 Tage. 13140 Stunden. 788400 Sekunden. Um am Ende hier zu sitzen, im größten Hörsaal, mit dem uns die Universität aufwarten kann. Zusammen mit der Schicksalsgemeinschaft für sechs Tage. Wie ein Huhn im Käfig zur Vorbereitung auf die Freilandhaltung. Die Uhr, die zeitweise funktioniert, tickt unerbitterlich gegen uns und die immer wieder auftretenden Sehnenscheidenentzündungen. Denn wer nicht punktgleich mit dem Umschlagen des Minutenzeigers auf die Zwölf und des Stundenzeigers auf die Zwei fertig wird, dem blüht hier ein Donnerwetter der Aufsicht, die sich grollend auf alles zu bewegt, was sich dann noch bewegt. Das bunte Papier, braun, rot, gelb, grün, braun, grau, täuscht die Leichtigkeit des Verfahrens vor. Und auch die tägliche Sitzplatzsuche, 48, 43, 19, macht nach zwei Tagen keinen Spaß mehr. Was ich ebenso von Prüfungsnummer-, Personalausweis- und Gesetzestextkontrollen sagen kann, wie auch vom Anstehen an der Toilette. Die Chinesen würden sich jetzt vielleicht freuen- ich nicht. Ich bin genervt vom Vordermann, der sein nervös zuckendes Bein nicht unter Kontrolle bekommt und somit meinen 30cm x 30cm Schreibplatz zum erzittern bringt. Der Korrektor wird sich freuen. Ich bin genervt vom Handyklingeln, das trotz strenger Belehrung niemanden zu interessieren scheint. Ich bin genervt, weil ich schwimmen muss. Am meisten aber davon, dass ich jetzt sechs Monate genervt sein muss, um dann erst zu erfahren, ob sich der Spaß gelohnt hat.

6-5-4-3-2-1- Aus!


Titel: Der letzte Tag eines Verurteilten

Autor: Victor Hugo

Verlag: anaconda

Preis: 2,95 €