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21 April 2009

Je falscher die Richtung desto länger der Weg

Der Steppenwolf

Seit unser Fernseher sich ganz dem sozialverträglichen Frühableben gewidmet hat (Reanimation nicht ausgeschlossen) bin ich gar nicht mehr so einsam, wie ich mich zeitweilig gefühlt habe. Denn ich hab mich dazu entschlossen, die sozialen Kontakte wieder mehr zu pflegen. Wie es sich gehört eigentlich. Und so werden jetzt mit Chips und Wein von der Tanke die Freunde wieder öfters besucht und so war ich gestern Abend bei einem meiner Goldstückchen. Festgestellt werden musste aber, dass montags nicht wirklich auch nur irgendetwas Sehenswertes läuft und einem daher zwangsläufig nichts anderes übrig bleibt als DSF nebenher laufen zu lassen. Wie wir jetzt wissen: Montag ist Wrestlingtag. Schlimmer als die Tatsache ist aber, dass einem Namen der Sprünge und „Sportler“, Spielregeln sowie bestehende Gegnerschaften im Gedächtnis geblieben sind. Was uns zu der unausweichlichen Frage brachte, was es eigentlich Peinlicheres gibt, als im Teenageralter jeden Samstagabend damit verbracht zu haben, sich eine Stunde Besagtes angesehen zu haben. Wäre ich männlichen Geschlechts könnte ich mich ja immerhin mit den zwischengeschalteten Werbeblogs entschuldigen (obwohl,…naja…das wär eigentlich auch nicht besser) aber so ist es nun mal nicht. Auch auf meinem Weg nach Hause hänge ich dem immer noch nach. Die Sternschnuppe, die vom Himmel fällt, bekommt nur ein müdes Lächeln … naja … is eigentlich schon ganz schön groß für ne Sternschnuppe … und auch ganz schön nah … Na, sollen sich die drum kümmern, in dessen Haus sie gerade gestürzt ist. Ich hab Wichtigeres zu tun. Denn obwohl ich mich sonst so oft fremdschäme, fällt mir einfach nichts Schlimmeres ein. Auf meiner geplanten Top- ten- Liste steht nichts. Gähnende Leere. Ich meine, so Sachen wie Freundschaftsbänder knüpfen und spielen wie man als Mila Superstar immer am Ball bleibt war ja irgendwie nie so schlimm, weil hat ja jeder gemacht. Mainstream halt. Ist ja ungefähr dasselbe, wie wenn man heut die Socken bis zum Knie zieht und dann noch die Hose rein stopft oder sich beim Friseur wieder einen Vokuhila schneiden lässt. Wird auch verziehen, nur weil es alle machen. Selbiges gilt für Klebetattos und Arschgeweihe, für Spice-Girl- Plateau-Schuhe und gepunktete Riemchensandalen, für Sticker und Festival-Bändchen sammeln, für Big Brother und DSDS, für bunte Schlaghosen und Bauchnabelpiercings sowie für Babybrei auch mit 15 noch essen und Brausepulver mit Wodka trinken. Nur weils Kollektiv ist, isses nicht gut. Das hätten wir eigentlich schon vor 80 Jahren lernen müssen. Haben wir aber nicht. Entschuldigt mich nicht, aber ich kann wenigstens mit dem Finger auf andere zeigen.

Titel: Der Steppenwolf
Autor: Hermann Hesse
Verlag: suhrkamp
Preis: € 7,50


20 April 2009

Der Schein trügt

Zitat Anfang

"Was man dem Schriftsteller neidet, sind nicht die Dinge, um derentwegen der Schriftsteller sich für so beneidenswert hält, sondern das theatralische Selbst, in dem sich der Autor gefällt, nämlich ohne Verantwortung in diese Haut und wieder herauszuschlüpfen, das Schwelgen nicht im >Ich<, sondern im Entrinnen vor diesem >Ich<, selbst wenn es - insbesondere wenn es - mit sich bringt, daß man sich mit imaginärem Leiden überhäuft. Der Neid gilt der Gabe zu theatralischer Selbstverwandlung, der Art der Fähigkeit, durch schamloses Ausnützen seines Talentes die Verbindung zum wirlichen Leben zu lockern und mehrdeutig zu machen. Der Exhibitionismus des überragenden Künstlers hat etwas mit seiner Einbildungskraft zu tun; Fiktion ist für ihn zugleich spielerische Hypothese und ernsthafte Mutmaßung, eine erfindungsreiche Form der Erforschung- all das was Exhibtionismus nicht ist. Es ist, wenn übrehaupt, Privatexhibitionismus, Exhibitionimus im Verborgenen."

Philip Roth

06 April 2009

Du nennst es sexy, ich nenn es

Der Judasfluch

Das Bonusheft zeigt an, dass ich meinem Zahnarzt mal wieder einen Besuch abstatten sollte. Nur zur Kontrolle halt. Ich hatte immer gute Zähne und sogar nach meiner Weisheitszahnoperation beim Geburtstag meiner Ma wieder festes Essen zu mir genommen, also ist mir das eigentlich recht herzlich egal. Und nach dem üblichen PiPaPo wird nur ne Kerbe im Zahn gefunden, die gefüllt werden muss. Zehn Minuten (inklusive Wartezimmer) und ich bin wieder draußen. Es dauert keine drei Tage und beim kauen des Käsebrotes, bricht die Füllung und wird mitverschluckt. Was folgt: Zahnentzündung. Besuch wieder beim Arzt, der wundert sich. Sowas hat sie noch nicht gesehen. Neue Füllung rein, schmierige und übel schmeckende Paste aufs Zahnfleisch. Diesmal keine Rechnung. Reklamation. Zahn is super, Zahnfleisch eher nicht. Wird aber acht Tage so ausgehalten. Irgendwann schmeckt alles bitter. Eiter. Wieder zum Arzt. Ist schlimmer geworden. Spritze in den Gaumen, Bohrer und Kratzer werden nur visuell und auditiv wahrgenommen. Zahnfleischmantel wird gereinigt. Parodontitisvorsorge. Schmierige Masse kommt wieder drauf. Wieder keine Rechnung- es wird auf meine Zufriedenheit gehofft. Die Betäubung hält nicht lange an und der Kopf fängt an zu wummern. Aspirin ist alle. In der Apotheke merk ich, dass der Geldbeutel zu Hause liegt. Übel gelaunt wird der Weg nach Hause in Angriff genommen. Im Augenwinkel ein Bild bemerkt, dass ich zu kennen glaube. Tatsächlich. Ich hab gewonnen. Mein Bild hängt aus.

Titel: Der Judasfluch
Autor: Scott Mc Bain
Verlag: Knaur
Preis: € 8,95


05 April 2009

Der Mittelpunkt alles Menschenverderbens ist Verhärtung des Herzens

Sakrileg

Phillip Lahm macht Werbung für die BILD, die Zeitung, die gelesen werden muss. Gutfriedwurst macht einen fitter auf dem Rad und „du darfst“ sorgt dafür, dass ich so bleiben darf wie ich bin. Was dazu führt, dass man sich anstatt einen Fisch in der Kantine zu holen, man sich die Zeit spart und einen Eiweißriegel zu Mittag isst, man sich statt einem Apfel einen Smoothie dazu gönnt und sich freut, dass Milchschnitte eine extra Portion Milch enthält und man so einen gesunden Nachtisch zu sich nimmt. Dabei weiß man nicht, das einem weniger als ein Placebo verkauft wird.
So ist der niedliche Biene Maja Kinderfruchtdrink mit nur 1,5 % Fett daneben immernoch mit 44 Stück Würfelzucker gesegnet – weniger als in Coca Cola, die dagegen mit 40 Stück auf den Liter glänzt. Der FruchtTiger Durstlöscher wird nun zwar nicht mehr als gesund angepriesen, enthält aber immer noch Citronensäure, die bestens für die Kalkentfernung im Wasserkocher geeignet ist, daneben aber auch spitzenmäßig den Zahnschmelz der Kinderzähne zerstört. Schwartaus “Fruit2Day“kostet viermal soviel wie ein Liter Orangensaft aus Konzentrat und lässt sich dabei nur mit einem Glas Saft gleichsetzen. Der Bahlsen Gourmet Kuchen enthält Eier aus Käfighaltung, Nestlé Fitness Fruits 35 g Zucker auf 100 g und macht damit eher dick als fit, Bertollies Pesto Verde enthält die angepriesenen Pinienkerne nur in Alibimengen, statt dessen aber billigere Cashewnüsse in Massen. Der goldene Windbeutel geht dieses Jahr aber an Danone! Denn Actimel aktiviert keine Abwehrstoffe sondern wirkt im Ergebnis genauso wie ein gewöhnlicher Naturjoghurt, der nebenbei aber auf zusätzlichen Zucker verzichtet und viermal weniger kostet. In England darf Danone nun nicht mehr beworben werden, wegen irreführender Aussagen. In den USA wird eine Sammelklage von Verbrauchern gegen Danone vorbereitet. Was sagt uns das? Wenn der Fernseher den Geist aufgibt, ist das vielleicht gar nicht so schlecht. Weil man Zeit und Platz gewinnt und man sich nicht von der Werbewelt irre machen lässt.

Titel: Sakrileg
Autor: Dan Brown
Verlag: Bastei Lübbe
Preis: € 9,95

Quelle: www.foodwatch.de

Eigennutz ist die Klippe, an der jede Freundschaft zerschellt

Ich, Terentia

Was passiert, wenn man eigentlich nichts und doch so viel zu tun hat: Man folgt dem gelben Pfad und wartet darauf, dass die Laternen angehen, weil man weiß, dass man früher zu Hause sein musste, wenn eben gerade dies der Fall ist. Man besucht Ärzte die es nicht mehr gibt, weil die letzte Impfung noch fällig gewesen wäre. Man gehört für einen Monat zum Wohlstandsmüll, weil man vermittlungsunfähig ist. Man lässt sich früh um drei von Wildfremden erzählen, dass ihr Partner zu klug für sie ist, weil man weiß man wird aus der Situation rausgeholt. Man bastelt sich Bakterien, weil man schon zu lange mit dem Gedanken spielt, einen Grippevirus zu adoptieren. Man zockt in Windeseile das Spiel der Spiele durch, weil man die Hoffnung nicht aufgegeben hat, dass der vierte Teil noch in der Entwicklung ist. Man wechselt Verbände, Filme und Städte. Man sucht Anzüge, Küchen und Zuversicht. Man trifft Freunde, Entscheidungen und Vorkehrungen. Man füllt Zähne, Mägen und Wissenslücken. Man schließt Verträge, Türen und Bünde fürs Leben.

Titel: Ich, Terentia
Autor: Adelheid von Beunigen
Verlag: Aufbau Taschenbuch
Preis: € 8,95