Ich dachte ich werde
nervös, wenn ich beim Arzt sitze und mir eine Impfung nach der nächsten in den
Arm jagen lasse. Eine gegen Leberschnupfen, eine gegen Hepatitis B, eine gegen
Zeckenbisse. Stattdessen bekomme ich unerwartet ein paar Tage frei, da mein
Immunsystem mit der vollen Ladung überfordert ist und die Führung auf die Couch
übernimmt. Das nimmt mir ein paar Tage ab, an denen ich mich fragen könnte, ob
das eigentlich alles gut überlegt war, als ich entschieden habe, den
Arbeitsplatz zu verlegen. Oder ob aus einer Schnapsidee langsam eine Realität
wird, die irgendwie unpassend erscheint. Unpassend, weil ich Flugangst habe,
enge Räume eher weniger mag und kurzzeitig katatonisch werde, wenn ich jemandem
auf Englisch erklären soll, wie der Colaautomat funktioniert. Aber gegen
Flugangst kann man sich behandeln lassen, in engen Räumen kann man sich Platz
verschaffen und die englische Sprache – nun ja, man kann sie improven.
Ich dachte ich werde
nervös, wenn ich ein halbes Leben in einen Koffer stopfen muss, den ich dann
auch selber tragen können soll. Stattdessen bestelle ich den Sperrmüll und
sortier aus. Warum kleckern, wenn man glotzen kann. Ganze Schränke und Tische
kommen raus. Damit es aufgeräumter ist, wenn ich wieder nach Hause komme. Und
was wichtig ist und mit muss, ist eigentlich sowieso klar. Die liebsten Kameras,
das standfesteste Stativ und die flutschigsten Stricknadeln.
Ich dachte ich werde
nervös, wenn ich meinen Büroschlüssel abgebe und Instruktionen zum Blumengießen
gebe. Stattdessen freue ich mich über eine sinnvolle Untervermietung meines
Wasserkochers und einen Arbeitsplatz mit Sicht auf den Indischen Ozean. Der
digitale Aktenordner wird gepackt und in die Hosentasche gesteckt sowie Blumensamen
mit hohem Kraftaufwand im noch gefrorenen Erdboden versengt.
Ich dachte ich werde
nervös, wenn ich im Flugzeug sitze und mich von Luftlöchern durchschütteln lasse.
Stattdessen wäge ich ab, welche Umstiegserfahrung skurriler war: die Nutzung
eines Zuges, um möglichst zügig von Gate zu Gate zu kommen oder das Rennen mit
25 Kilo auf dem Rücken zunächst zum Gepäckband und dann zur Sicherheitskontrolle,
damit ich dann, ohne Schuhe an den Füßen und mit dem Gürtel noch in der Hand,
mit rutschender Hose zum letzten Flugaufruf komme.
Ich dachte, ich werde
nervös, wenn ich merke, dass ich in der ersten Nacht vergessen habe, die
Wohnungstür zu zumachen. Stattdessen schlafe ich wie ein Stein und wache am
nächsten Morgen mit dem Meeresrauschen vor der Tür auf, trinke Kaffee bei 25
Grad auf dem Balkon und beobachte Grashüpfer von der Größe meiner Faust. Alles
ist in Ordnung. Ich bin zufrieden. Ich bin da. Südafrika.
Titel ist gemopst bei
Hans Christian Andersen
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