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26 Juli 2013

die Geister die ich rief


Im Bergwerk der Bilder



Trotz aller Bürokratie die mir hier augenblicklich wieder in Form von Semesterbeiträgen, Überstundenabrechnungen, Steuererklärungen, Gewerbeämtern, Bahnkarten und Haftpflichtversicherungen entgegen geschlagen ist und wieder eine gewissen Ordnung in den Alltag gebracht hat, die man mechanisch abarbeitet, habe ich mich die letzten Wochen eher haltlos gefühlt. Die Befürchtung, dass ein stetiges Fernweh jetzt über einem schwebt wie ein Damoklesschwert wurde geäußert und die Situation als ernst eingeschätzt. Es gäbe wohl Bedenken, wenn man es nicht mehr zu schätzen weiß, dass Strom da ist, wenn man ihn zum kochen braucht. Oder das das Fahrrad noch vor der Tür steht, wenn man nach Hause radeln will. Oder das man beim Baden im Stadtsee keine Sorgen haben muss von einem Wal erschlagen oder einem Hai gefressen zu werden. Mag sein. Mag sein, dass der medizinische Rat, erstmal eine nächste Reise zu planen und bei Bedarf auch zu buchen, zunächst für Linderung gesorgt hat. Mag aber auch sein, dass ich mich beim Umsetzen längst gesponnener Bildideen in den heimischen Wäldern und Gewässern daran erinnere, dass es einen Grund dafür gibt, dass die besten Märchen hier ihren Ursprung haben. Umso mehr freue ich mich, dass ich jetzt und gerade zu diesen für mich notwendigen Bildern gefragt wurde, ob ich die Geschichte dazu erzählen kann. Sicher, gerne sogar. Ich lade euch ein, sie HIER zu lesen oder eben hier:

Bei Germanys Next Topmodel gab es mal ein Shooting mit buntem Mehl. Darf man laut sagen, dass man das gesehen hat und die Idee irgendwie faszinierend fand? Wahrscheinlich nicht. Jedenfalls nicht, seit man es zigmal gesehen hat. Immer wieder schöne und halb nackte Studiomenschen, denen das Mehl auf den Rücken geklatscht wird, damit Rock/Kleid/Hose/Gesicht/Haare noch gut zu sehen sind. Und damit der für mich einhergehende Eindruck - hier durfte man keinen Spaß haben. Ich bin aber ein Spielkind. Und ich wollte mit Mehl spielen. Umso mehr, umso besser. Umso weniger Mensch erkennbar ist, umso besser. Je mehr etwas anderes, ein Wesen, ein Nebel oder was auch immer darin gesehen werden kann, um so besser. Damit stand die Idee. Mehr nicht. Und seit dem hab ich sie mit mir rumgetragen. Genauso wie das Mehl, das bei Ausflügen mit der Chance auf eine gute Location immer dabei war. So auch am letzten Wochenende, als das Kilo Mehl im Körbchen meines Rades mit mir eine Radtour unternommen hat. Nach gut 30 Kilometern auswärts bin ich durch ein Stückchen Wald gekommen. Gut 20 Meter abseits des Radweges habe ich eine Gruppe abgestorbener Nadelbäume gesehen und wusste: hier oder nirgends. Alles im Wald lag im Dunkeln, nur ein kleiner Raum von vielleicht fünf mal fünf Metern hat das um diese Zeit noch sehr harte Sonnenlicht durchgelassen und auf dem ausgetrockneten Waldboden einen Lichtpfad hinterlassen. Einen Lichtpfad, der, würde ich ihm folgen, ganz sicher beim Haus der alten Babajaga enden würde. Klingt albern, aber da ich hier an die Märchen erinnert wurde, die ich früher vorgelesen bekommen habe, wollte ich auch hier eine kleine Geschichte entstehen lassen, die so lange in meinem Kopf rumliegen musste. Sah auch albern aus. Das entnehme ich im Nachhinein jedenfalls den Radfahren die mit offenen Mündern am Radweg stehen geblieben sind und mir zugeschaut haben, wie ich im rentnerbeigen Kleid, mit einem halben Kilo Mehl auf dem Kopf und dem Selbstauslöser in der Hand durch den Wald getanzt, gelaufen, gehüpft und gedreht bin. Da die Kamera fast auf Bodenhöhe stand, hat man sie wohl nicht gesehen.
Für mehr Drama im Bild hat die kurze Belichtung gesorgt. Bei einem Blendenwert von 2.8 hat es ein paar Versuche bedurft, eh die Schärfe gesessen hat. Aber wem erzähl ich das. So jedenfalls konnte dieses Bild entstehen, bei dem ich mir wünsche, dass es beim Betrachter Erinnerungen, Assoziationen oder Erzählungen hervorruft.

Der Titel ist geliehen von Roman Hocke

05 Juli 2013

langsamer Abschied


Die Reise nach Süden



 Seit ein paar Wochen bin ich wieder zurück und habe lange nichts mehr geschrieben. Dabei gibt es noch viel zu erzählen. Dass mir aber, aufgrund meiner Freude mit Verachtung und Spott begegnet wurde, hat mir im Magen gelegen. Verachtung, dass ich überhaupt in „ein solches Land“ gereist bin und Spott, dass ich mich als weiße Europäerin auch noch wohl fühlte. Ob ich ruhigen Gewissens meine Cola in einer Gesellschaft voller sozialer Ungleichheit trinken könnte. Und ob ich nicht sehen wolle, wie es dem Land ginge.
Erstaunlicherweise kam dies von ebenfalls weißen Europäern. In Europa. Und um denen zu antworten: Nein das kann ich nicht. Natürlich bin ich mir bewusst, dass mein Einkommen dem fünffachen des durchschnittlichen Monatseinkommens hier entspricht. Und dass ich, während ich in Deutschland noch mitleidige Blicke einfange, da ich damit immer noch kein gutes Einkommen gesichert habe, ich hier leben kann wie die Made im Speck. Sodass es mir problemlos möglich ist, jedes Wochenende ein Auto zu einem Preis zu mieten, der mir in Deutschland einen Kleinwagen für eine Stunde zur Verfügung stellen würde. Sodass ich mir einen Surflehrer leisten kann, der allein für mich jede Woche zwei Stunden im Wasser friert. Sodass ich einmal die Woche essen gehen kann, wobei das Essen so wenig kostet, dass ich mich erst einigermaßen gut fühle, wenn ich 30 Prozent Trinkgeld gegeben habe. Das ist und klingt alles sehr dekadent. Keine Frage. Es würde hier aber niemandem besser gehen, wenn ich mich zu Hause vor einen neuen Plasmafernseher setze und über die schlimmen Zustände „da unten“ schimpfe. Es würde vielleicht helfen, wenn ich auf den einen oder anderen neuen technischen Schnick Schnack verzichte und damit die Abertausenden Minen für Gold und seltene Erden, die man bei einem Flug über das Land deutlich sehen kann, wenigstens soweit entlasten kann, dass die Kinder ihrer Schulpflicht auch nachkommen können. Vielleicht würde es helfen, wenn ich mich nicht über meine Mango zu 40 Cent aus dem Discounter freue und stattdessen hin und wieder das fair trade Siegel suche, ohne mir vorzumachen, dass ich dafür dann doch irgendwie zu wenig verdiene. Vielleicht, vielleicht. Ich weiß nicht, ob es helfen kann. Ich versuche es zumindest. Und ich kann noch eines erzählen. Nämlich, dass jeder „dort unten“ froh war wenn man sich mit ihm unterhalten und ihm erzählt hat, dass die soziale Ungerechtigkeit schockierend ist. Denn sie wollen, dass man es sieht und mit nach Hause nimmt. Denn obwohl uns das allen eigentlich bewusst sein sollte, scheinen wir irgendwie nur gut im „mal drüber reden“ zu sein.
Und zur zweiten Frage: Doch, das sehe ich. Ich sehe aber noch etwas anderes. Ein Land, das wie eine Perle am südlichsten Zipfel liegt und viel mehr Touristen verdient hätte. Touristen, die Geld ins Land bringen und ihren Freunden dann zeigen, dass es hier mehr zu sehen gibt als getrenntes Schwarz und Weiß, HIV und Arbeitslosigkeit. Zum Beispiel Erlebnisse, die an so etwas wie unberührte Natur erinnern, wenn man sich früh morgens beim Sonnenaufgang mit einer Horde Paviane um den besten Fotoplatz prügeln muss und dabei den Kürzeren zieht. Wenn man aus dieser Begegnung lernt und beim nächsten Mal, wenn sich Paviane, Strauße, Kudus oder Büffel auf der Landstraße vor einem tummeln, doch lieber niemanden mehr drängt. Oder wenn man sich gemeinsam mit ein paar betrunkenen Guides, einem Kajak und einem Paddel bewaffnet in die Fluten wirft und in eine Flussmündung gondelt, die sich durch die Anwesenheit tausender Fledermäuse, scharfkantiger Klippen sowie Haien und Rochen neben einem sowie der Möglichkeit auszeichnet sich einmal wie ein Stuntman zu fühlen und von den Felsen in den Fluss zu springen. Oder wenn man in einem Boot auf dem Ozean sitzt und wie aus dem Nichts Hunderte Delfine auftauchen die für einen die Sektkorken knallen lassen. Oder wenn man sich auf einer Wanderung durch Sanddünen den stärksten Muskelkater des Lebens holt und bei einer Wanderung durch steinige und als difficult und mit Totenköpfen ausgezeichneten Küstengebieten auf ein hart gekochtes Ei als Belohnung freut. Oder wenn man auf 1300 Metern auf einem ungesichertem Felsvorsprung steht und das Nichts hört. Oder wenn man von einem Gewitter überrascht wird, das derart heftig ist, dass im ganzen Viertel der Strom ausfällt. Oder wenn man in einer Hütte übernachtet, die von der nächsten Stadt 70 km entfernt ist, sodass man nachts gar nicht schlafen will, weil einem der Glitzer am Himmel überwältigt. Wenn man einfach keinen Abschied nehmen will und sich verspricht, nichts von dem für sich zu behalten.

Der Titel ist gemopst bei Bernhard Schlink