Seit ein paar Wochen
bin ich wieder zurück und habe lange nichts mehr geschrieben. Dabei gibt es
noch viel zu erzählen. Dass mir aber, aufgrund meiner Freude mit Verachtung und
Spott begegnet wurde, hat mir im Magen gelegen. Verachtung, dass ich überhaupt
in „ein solches Land“ gereist bin und Spott, dass ich mich als weiße Europäerin
auch noch wohl fühlte. Ob ich ruhigen Gewissens meine Cola in einer
Gesellschaft voller sozialer Ungleichheit trinken könnte. Und ob ich nicht
sehen wolle, wie es dem Land ginge.
Erstaunlicherweise kam dies
von ebenfalls weißen Europäern. In Europa. Und um denen zu antworten: Nein das
kann ich nicht. Natürlich bin ich mir bewusst, dass mein Einkommen dem
fünffachen des durchschnittlichen Monatseinkommens hier entspricht. Und dass
ich, während ich in Deutschland noch mitleidige Blicke einfange, da ich damit
immer noch kein gutes Einkommen gesichert habe, ich hier leben kann wie die
Made im Speck. Sodass es mir problemlos möglich ist, jedes Wochenende ein Auto
zu einem Preis zu mieten, der mir in Deutschland einen Kleinwagen für eine
Stunde zur Verfügung stellen würde. Sodass ich mir einen Surflehrer leisten
kann, der allein für mich jede Woche zwei Stunden im Wasser friert. Sodass ich einmal
die Woche essen gehen kann, wobei das Essen so wenig kostet, dass ich mich erst
einigermaßen gut fühle, wenn ich 30 Prozent Trinkgeld gegeben habe. Das ist und
klingt alles sehr dekadent. Keine Frage. Es würde hier aber niemandem besser
gehen, wenn ich mich zu Hause vor einen neuen Plasmafernseher setze und über
die schlimmen Zustände „da unten“ schimpfe. Es würde vielleicht helfen, wenn
ich auf den einen oder anderen neuen technischen Schnick Schnack verzichte und
damit die Abertausenden Minen für Gold und seltene Erden, die man bei einem
Flug über das Land deutlich sehen kann, wenigstens soweit entlasten kann, dass
die Kinder ihrer Schulpflicht auch nachkommen können. Vielleicht würde es
helfen, wenn ich mich nicht über meine Mango zu 40 Cent aus dem Discounter
freue und stattdessen hin und wieder das fair trade Siegel suche, ohne mir
vorzumachen, dass ich dafür dann doch irgendwie zu wenig verdiene. Vielleicht,
vielleicht. Ich weiß nicht, ob es helfen kann. Ich versuche es zumindest. Und
ich kann noch eines erzählen. Nämlich, dass jeder „dort unten“ froh war wenn
man sich mit ihm unterhalten und ihm erzählt hat, dass die soziale
Ungerechtigkeit schockierend ist. Denn sie wollen, dass man es sieht und mit
nach Hause nimmt. Denn obwohl uns das allen eigentlich bewusst sein sollte,
scheinen wir irgendwie nur gut im „mal drüber reden“ zu sein.
Und zur zweiten Frage:
Doch, das sehe ich. Ich sehe aber noch etwas anderes. Ein Land, das wie eine
Perle am südlichsten Zipfel liegt und viel mehr Touristen verdient hätte. Touristen,
die Geld ins Land bringen und ihren Freunden dann zeigen, dass es hier mehr zu
sehen gibt als getrenntes Schwarz und Weiß, HIV und Arbeitslosigkeit. Zum
Beispiel Erlebnisse, die an so etwas wie unberührte Natur erinnern, wenn man
sich früh morgens beim Sonnenaufgang mit einer Horde Paviane um den besten
Fotoplatz prügeln muss und dabei den Kürzeren zieht. Wenn man aus dieser Begegnung
lernt und beim nächsten Mal, wenn sich Paviane, Strauße, Kudus oder Büffel auf
der Landstraße vor einem tummeln, doch lieber niemanden mehr drängt. Oder wenn
man sich gemeinsam mit ein paar betrunkenen Guides, einem Kajak und einem
Paddel bewaffnet in die Fluten wirft und in eine Flussmündung gondelt, die sich
durch die Anwesenheit tausender Fledermäuse, scharfkantiger Klippen sowie Haien
und Rochen neben einem sowie der Möglichkeit auszeichnet sich einmal wie ein
Stuntman zu fühlen und von den Felsen in den Fluss zu springen. Oder wenn man
in einem Boot auf dem Ozean sitzt und wie aus dem Nichts Hunderte Delfine
auftauchen die für einen die Sektkorken knallen lassen. Oder wenn man sich auf
einer Wanderung durch Sanddünen den stärksten Muskelkater des Lebens holt und
bei einer Wanderung durch steinige und als difficult und mit Totenköpfen
ausgezeichneten Küstengebieten auf ein hart gekochtes Ei als Belohnung freut. Oder
wenn man auf 1300 Metern auf einem ungesichertem Felsvorsprung steht und das
Nichts hört. Oder wenn man von einem Gewitter überrascht wird, das derart
heftig ist, dass im ganzen Viertel der Strom ausfällt. Oder wenn man in einer
Hütte übernachtet, die von der nächsten Stadt 70 km entfernt ist, sodass man
nachts gar nicht schlafen will, weil einem der Glitzer am Himmel überwältigt. Wenn
man einfach keinen Abschied nehmen will und sich verspricht, nichts von dem für
sich zu behalten.
Der Titel ist gemopst
bei Bernhard Schlink
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