Ich sitze auf einem Balkon eines
liebevoll hergerichteten Backpackers in Chintsa West und blicke aufs Meer. Auf
dem Tisch liegen ein halb gelesenes Buch neben einer Tasse Kaffee , ich rieche
salzige Ozeanluft und höre Ibisse kreischen. Geckos krabbeln vorsichtig an
meinen Zehen vorbei. Heute wird das erste Mal Pause gemacht, nachdem ich vor
acht Tagen noch voller Aufregung im Bauch in den Flieger gestiegen bin. Das
bedurfte mangels Rückflugticket aus Südafrika zunächst etwas Überzeugungskunst
und hätte fast dazu geführt, dass ich die ganze Sache noch in den Wind geblasen
hätte. Meine lange Zeit bestehende Flugangst hätte dies nur unterstützt. Dabei
war das schlimmste am Flug nur der fünfstündige Aufenthalt in Dubai. Zum einen,
da er mitten in der Nacht war. Zum anderen, da es mitten in der Nach schwüle 35
Grad Celsius waren und ich wie ein Fisch an Land in Schnappatmung verfallen bin,
um mir etwas Sauerstoff zuzuführen. Allein deswegen werde ich hier wohl nie
länger bleiben, als es eine Umstiegszeit erfordert. Diese habe ich schließlich
eingerollt schlafend auf einem Wartesitz verbracht während sich die Menschen
neben mir ein Handtuch über den Kopf geworfen habe. Ich muste grinsen bei dem
Anblick, der an Wellensittichkäfige bei Nacht erinnert. Vom Himmel aus wurde
die Stadt nicht attraktiver. Durch die Hitze, den Staub und den Dunst war außer
den Spitzen der gewaltigen Hochhäuser wenig zu erkennen. Da war mir der Landeanflug
im Sonnenuntergang in Durban wesentlich lieber. Der Empfang war großartig
afrikanisch. Was ich an diesem Land, neben Menschen und Landschaft, am meisten
mag ist die „keep it simple“ und „das passt schon“- Mentalität. Bei der
Autovermietung werden einem die Autoschlüssel mit dem Tipp übergeben, viel Bier
für den Roadtrip einzupacken, damits lustig wird. Im ersten B&B ist die
gesprungene Kloschüssel mit Silokon gefixt. Sowas gibt’s nur hier und wird mit
einer Gelassenheit gelebt, die ansteckend ist und beruhigend zur gewollten
Entschleunigung beiträgt.
Die erste Fahrt führt nach einem
ausgelassenen Frühstück vom Unterkunftsvater, einem gelernten Koch, von Durban
nach Oribi Gorge. Dabei merkt man schnell, dass man sich hier eher in die
ländliche Gegend Südafrikas bewegt. Es dauert keine halbe Stunde bis die erste
Kuh auf die Autobahn gerannt ist. In den nächsten vier Tagen haben wir uns
daran allerdings schnell gewöhnt. Während die Lieben zu Hause denken, das wir
hier Giraffen, Löwen und Elefanten begegnen, mussten wir neben Hunderten von
Kühen auch für Pferde, Esel, Schweine, Hunde, Hühner, Gänse, Enten, Geier und
zahlreiche Menschen bremsen, da die Straßen hier einfach für alles genutzt
werden. Die Durchschnittsgeschwindigkeit bewegte sich daher meist auch zwischen
zehn und 60 km/h. In Oribi Gorge sollte dennoch jeder einmal halten, der sich
in diese Ecke Südafrikas bewegt. Die Sicht ist atemberaubend! Und wer sich
einmal etwas gönnen möchte, der kann sich hier in eine großartige Lodge
einmieten, die eine Sicht auf die Schlucht bietet. Das beste ist aber wohl die
Außendusche auf dem Balkon, sodass einen die Abendsonne wärmt während man in
die Tiefe schauen kann.
Der Ruf der Gegend ist leider
schlecht. Beim Frühstück bekommen wir gut gemeinte Ratschläge mit auf den Weg,
wie „verriegelt ja eure Autotüren, haltet nicht an, auch nich zum Pipi machen,
steigt nicht aus und tankt in einer halben Stunde, dort liegt die letzte weiße
Stadt“. Die Ratschläge kommen dabei von einer Handvoll Weißer, die ihre
umzäunten Grundstücke nur einmal im Jahr für eine Woche Urlaub in einer
gesicherten Gegend verlassen. Der Grund für die Ratschläge liegt im Smalltalk
in dem wir unsere Route erwähnt haben. Diese führt durch die ehemalige Transkei
und wird eigentlich von keinem Weißen betreten. Zunächst wurde unser Plan daher
damit quittiert, dass die Hände über den Köpfen zusammen geschlagen und dann gefordert
wurde, dass wir unser Reiseunternehmen nicht wieder wählen sollten. Was
insofern lustig ist, dass wir kein Reiseunternehmen haben, sondern nur ein
Ziel, eine Karte und unser Auto. Den latenten noch immer vorhandenen Rassismus
in den Wind geschlagen machen wir uns auf in Richtung Port. St. Johns. Und in
den vier Tagen, die wir hier verbracht haben, fällt tatsächlich auf, dass sich
außer uns nur vier andere Europäer in diese Ecke gewagt haben. Was nicht
verständlich ist. Die Gegend ist natürlich extrem arm und die Straßen verfügen
teilweise entweder über Schlaglöcher, die so tief sind, das mein Arm bis zum
Ellbogen darin verschwinden könnte oder über überhaupt keinen Teer. Städte gibt
es kaum. Eigentlich über 400 km immer der gleiche Anblick von Hügeln, Hütten
und jeder Menge Tieren. Es wirkt, als führe man vier Tage durch ein riesiges
Dorf. Aber zu keiner Minute muss man Angst haben. Weder um sein Leben noch um
seine Darmflora. Ich bin nur freundlichen Menschen begegnet, die einem freudig
entgegen winken und habe jedes Essen gut vertragen. Selbst an die Märkten, auf
denen man sich zunächst fremd fühlt, da ein Gewusel von Menschen, die Obst und
Tütensuppen sowie lebende aber schon gerupfte Hühner verkaufen, Autos und
Tieren herrscht, gewöhnt man sich schnell. Sicher fällt man auf. Sicher wird
man angesprochen. Sicher will man gerade uns viel verkaufen. Aber wenn man
nicht mag wird das ohne weiteres akzeptiert. Ich weiß nicht, wo die
Gruselmärchen über diese Gegend herkommen. Ich will daher lieber noch von den
Stränden sprechen, an denen man neben Kühen liegt und sich die Sonne auf die
Nase scheinen lässt. Ich denke, wer uns vorwirft mehr Glück als Verstand zu
haben, hat selbst mehr Angst als Erfahrung.
Bevor wir uns weiter nach Chintsa
und dessen kilometerlangen weißen Strände machten, wollte ich unbedingt noch an
der Coffee Bay vorbei. Mangels Alternativen haben wir dort ein ganz anderes
Programm erlebt. Da B&Bs entweder ausgebucht oder außerhalb der Saison
geschlossen waren, blieb nur die Möglichkeit ins Hotel zu gehen. Das hieß
Vollpension, frisch gewaschene Wäsche, eine Terrasse mit Blick aufs Meer und
damit auf vorbeiziehende Delfine und Wale sowie ein großes Angebot an
Touritouren. Eines davon musste ich wahrnehmen, denn ich wollte das „Hole in
the Wall“ sehen. Es ist nicht mehr als das was es sagt- ein Loch in einer Wand.
Aber die Wand ist ein Fels so groß wie drei Hochhäuser, steht mitten im Meer
und ist nur über eine einstündige Jeepfahrt über nicht aufhörende Hügel mit
anschließendem Spaziergang erreichbar. Unser Fahrer kam aus der Gegend und
kannte sich daher aus, was dazu führte, dass ich auf der Fahrt etwas seekrank
wurde und zeitweise dachte, die letzten Worte die ich hören werde sind „Uuups.
Sorry Guys!“