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09 August 2014

In 43 Tagen durch den Süden Afrikas - Von Hamburg über Dubai nach Durban und Chintsa




Ich sitze auf einem Balkon eines liebevoll hergerichteten Backpackers in Chintsa West und blicke aufs Meer. Auf dem Tisch liegen ein halb gelesenes Buch neben einer Tasse Kaffee , ich rieche salzige Ozeanluft und höre Ibisse kreischen. Geckos krabbeln vorsichtig an meinen Zehen vorbei. Heute wird das erste Mal Pause gemacht, nachdem ich vor acht Tagen noch voller Aufregung im Bauch in den Flieger gestiegen bin. Das bedurfte mangels Rückflugticket aus Südafrika zunächst etwas Überzeugungskunst und hätte fast dazu geführt, dass ich die ganze Sache noch in den Wind geblasen hätte. Meine lange Zeit bestehende Flugangst hätte dies nur unterstützt. Dabei war das schlimmste am Flug nur der fünfstündige Aufenthalt in Dubai. Zum einen, da er mitten in der Nacht war. Zum anderen, da es mitten in der Nach schwüle 35 Grad Celsius waren und ich wie ein Fisch an Land in Schnappatmung verfallen bin, um mir etwas Sauerstoff zuzuführen. Allein deswegen werde ich hier wohl nie länger bleiben, als es eine Umstiegszeit erfordert. Diese habe ich schließlich eingerollt schlafend auf einem Wartesitz verbracht während sich die Menschen neben mir ein Handtuch über den Kopf geworfen habe. Ich muste grinsen bei dem Anblick, der an Wellensittichkäfige bei Nacht erinnert. Vom Himmel aus wurde die Stadt nicht attraktiver. Durch die Hitze, den Staub und den Dunst war außer den Spitzen der gewaltigen Hochhäuser wenig zu erkennen. Da war mir der Landeanflug im Sonnenuntergang in Durban wesentlich lieber. Der Empfang war großartig afrikanisch. Was ich an diesem Land, neben Menschen und Landschaft, am meisten mag ist die „keep it simple“ und „das passt schon“- Mentalität. Bei der Autovermietung werden einem die Autoschlüssel mit dem Tipp übergeben, viel Bier für den Roadtrip einzupacken, damits lustig wird. Im ersten B&B ist die gesprungene Kloschüssel mit Silokon gefixt. Sowas gibt’s nur hier und wird mit einer Gelassenheit gelebt, die ansteckend ist und beruhigend zur gewollten Entschleunigung beiträgt.
Die erste Fahrt führt nach einem ausgelassenen Frühstück vom Unterkunftsvater, einem gelernten Koch, von Durban nach Oribi Gorge. Dabei merkt man schnell, dass man sich hier eher in die ländliche Gegend Südafrikas bewegt. Es dauert keine halbe Stunde bis die erste Kuh auf die Autobahn gerannt ist. In den nächsten vier Tagen haben wir uns daran allerdings schnell gewöhnt. Während die Lieben zu Hause denken, das wir hier Giraffen, Löwen und Elefanten begegnen, mussten wir neben Hunderten von Kühen auch für Pferde, Esel, Schweine, Hunde, Hühner, Gänse, Enten, Geier und zahlreiche Menschen bremsen, da die Straßen hier einfach für alles genutzt werden. Die Durchschnittsgeschwindigkeit bewegte sich daher meist auch zwischen zehn und 60 km/h. In Oribi Gorge sollte dennoch jeder einmal halten, der sich in diese Ecke Südafrikas bewegt. Die Sicht ist atemberaubend! Und wer sich einmal etwas gönnen möchte, der kann sich hier in eine großartige Lodge einmieten, die eine Sicht auf die Schlucht bietet. Das beste ist aber wohl die Außendusche auf dem Balkon, sodass einen die Abendsonne wärmt während man in die Tiefe schauen kann.
Der Ruf der Gegend ist leider schlecht. Beim Frühstück bekommen wir gut gemeinte Ratschläge mit auf den Weg, wie „verriegelt ja eure Autotüren, haltet nicht an, auch nich zum Pipi machen, steigt nicht aus und tankt in einer halben Stunde, dort liegt die letzte weiße Stadt“. Die Ratschläge kommen dabei von einer Handvoll Weißer, die ihre umzäunten Grundstücke nur einmal im Jahr für eine Woche Urlaub in einer gesicherten Gegend verlassen. Der Grund für die Ratschläge liegt im Smalltalk in dem wir unsere Route erwähnt haben. Diese führt durch die ehemalige Transkei und wird eigentlich von keinem Weißen betreten. Zunächst wurde unser Plan daher damit quittiert, dass die Hände über den Köpfen zusammen geschlagen und dann gefordert wurde, dass wir unser Reiseunternehmen nicht wieder wählen sollten. Was insofern lustig ist, dass wir kein Reiseunternehmen haben, sondern nur ein Ziel, eine Karte und unser Auto. Den latenten noch immer vorhandenen Rassismus in den Wind geschlagen machen wir uns auf in Richtung Port. St. Johns. Und in den vier Tagen, die wir hier verbracht haben, fällt tatsächlich auf, dass sich außer uns nur vier andere Europäer in diese Ecke gewagt haben. Was nicht verständlich ist. Die Gegend ist natürlich extrem arm und die Straßen verfügen teilweise entweder über Schlaglöcher, die so tief sind, das mein Arm bis zum Ellbogen darin verschwinden könnte oder über überhaupt keinen Teer. Städte gibt es kaum. Eigentlich über 400 km immer der gleiche Anblick von Hügeln, Hütten und jeder Menge Tieren. Es wirkt, als führe man vier Tage durch ein riesiges Dorf. Aber zu keiner Minute muss man Angst haben. Weder um sein Leben noch um seine Darmflora. Ich bin nur freundlichen Menschen begegnet, die einem freudig entgegen winken und habe jedes Essen gut vertragen. Selbst an die Märkten, auf denen man sich zunächst fremd fühlt, da ein Gewusel von Menschen, die Obst und Tütensuppen sowie lebende aber schon gerupfte Hühner verkaufen, Autos und Tieren herrscht, gewöhnt man sich schnell. Sicher fällt man auf. Sicher wird man angesprochen. Sicher will man gerade uns viel verkaufen. Aber wenn man nicht mag wird das ohne weiteres akzeptiert. Ich weiß nicht, wo die Gruselmärchen über diese Gegend herkommen. Ich will daher lieber noch von den Stränden sprechen, an denen man neben Kühen liegt und sich die Sonne auf die Nase scheinen lässt. Ich denke, wer uns vorwirft mehr Glück als Verstand zu haben, hat selbst mehr Angst als Erfahrung.
Bevor wir uns weiter nach Chintsa und dessen kilometerlangen weißen Strände machten, wollte ich unbedingt noch an der Coffee Bay vorbei. Mangels Alternativen haben wir dort ein ganz anderes Programm erlebt. Da B&Bs entweder ausgebucht oder außerhalb der Saison geschlossen waren, blieb nur die Möglichkeit ins Hotel zu gehen. Das hieß Vollpension, frisch gewaschene Wäsche, eine Terrasse mit Blick aufs Meer und damit auf vorbeiziehende Delfine und Wale sowie ein großes Angebot an Touritouren. Eines davon musste ich wahrnehmen, denn ich wollte das „Hole in the Wall“ sehen. Es ist nicht mehr als das was es sagt- ein Loch in einer Wand. Aber die Wand ist ein Fels so groß wie drei Hochhäuser, steht mitten im Meer und ist nur über eine einstündige Jeepfahrt über nicht aufhörende Hügel mit anschließendem Spaziergang erreichbar. Unser Fahrer kam aus der Gegend und kannte sich daher aus, was dazu führte, dass ich auf der Fahrt etwas seekrank wurde und zeitweise dachte, die letzten Worte die ich hören werde sind „Uuups. Sorry Guys!“

08 Januar 2014

kick your shoes off, follow me


07 Januar 2014

Scherbenpark



Meine Hand steckt im Klo. Dabei handelt es sich um keine Bildsprache. Sondern um Realität. Knallharte, eiskalte, ekelhafte Realität. Da mein Schlüssel in einem Anfall selbstmörderischer Abenteuerlust in den Spülungsstrudel gesprungen ist, musste meine Hand hinterher. Ich weiß nicht, wie ich sonst dem Hausmeister den Verlust meines Büroschlüssels erklärt hätte. „Verzeihung, aber ich habe leider meinen Schlüssel verloren.“ „Na dann hoffe ich, dass Sie eine gute Versicherung haben, da wir jetzt alle Schlösser austauschen müssen.“ „Nee Meister, kein Problem. Ich weiß wo der Schlüssel abgeblieben ist. Solange da keiner in der Klärgrube nach versunkenen Schätzen sucht sind wir auf der sicheren Seite.“ Klingt unglaubwürdig. Befremdlich. Total bescheuert. Und doch, so passend zum heutigen Tag des Tomatenmarks an der weißen Tapete. Die enthusiastischen Produktdesigner die diese bezaubernden Quetschverpackungen gestaltet haben, in denen immer ein halbe Packung Rest verbleibt, wenn man nicht mit aller Gewalt dran rum werkelt, können demnächst mal zu mir kommen und eine Tomatenmarkanalsye an meiner Wand vornehmen und dabei rausfinden in welchem Winkel ich mit meiner Gabel artistische Kunsttücke an der Tube vollbracht habe und ob es sich dabei eher um eine Beziehungstat oder eine Kochattacke im Affekt gehandelt hat. Überleg ich mir, während sich mein Ärmel mit Abwasser vollsaugt und meine Nägel langsam weich werden, beim Versuch den Schlüssel am Schlüsselring aus der Suppe zu ziehen. Hätte ich mir die Nägel mal einen Tag später geschnitten, auch wenn ich dann, dank eines Kurkumaunfalles, einen Tag länger wie die Frau vom Marlboromann rumgelaufen wäre. Dann wären sie mir aber vielleicht auch noch beim Versuch den kaputten Computer aufzuschrauben und seine Miniminiminischrauben rauszufriemeln von Nützen gewesen. Aber alles Bedauern nützt nichts. Ist sowieso schon beschäftigt und verbringt seine Zeit mit der verflossenen Festplatte voller ungesicherter Schätze und der dahin geschiedenen DVB-T-Antenne, die heute zumindest noch etwas Trost hätte spenden können. Da will ich jetzt nicht noch mit meinen Nägeln kommen. Wie sähe das denn aus. Außerdem habe ich noch eine Mandarine, die auf meinem Tisch wartet und wegen der mich meine Kollegen haben sitzen lassen. Immerhin reiche die ja aus für ein festliches Mittagsmahl. Recht haben sie, denke ich trotzig, und verschwende sämtliche Papierhandtücher damit, meinen schließlich doch noch geangelten Schlüssel trocken zu rubbeln und meinen Ärmel darin einzuwickeln, in der Hoffnung, dass es niemand merkt, dass ich trottelig genug war, meinen Schlüssel hier zu versenken. 

Der Titel ist gemopst bei Alina Bronsky

The black tree


01 Januar 2014

A dirty job



Nur um später einmal jammern zu können, habe ich dieses Mal meinen Silvesterabend und mein Neujahr im Büro verbracht. Ich meine, das klingt ja noch drastischer als die Geschichten die man sonst von sonntäglichen Strapazen hört, die man zu Hause vorm PC verbringt anstatt draußen mit den anderen Kindern spielen zu gehen. Und genau dafür macht man es doch. Nicht für die zwei Buchstaben, die man sich an den Briefkasten schreiben kann. Auch wenn das natürlich dennoch jeder macht. Nein, eigentlich tut man es für die Geschichten des eigenen Leidensweges, den man bis dahin bestritten hat. Für Geschichten die stets anfangen mit „Du hast es gut, aber ich…“ und enden mit „aber es hat sich ja gelohnt“. Tja, und da ich meine Sonntage eigentlich lieber mit explodierender Watte auf dem Kopf, verschwommenen Seejungfrauen, Flugübungen, Wassertreten oder halb angebissenem Käsekuchen verbringe, musste ich mir ja auch mal eine Geschichte zulegen. Wenigstens eine. Klar, Zeugen gibt’s dafür nicht. Aber die haben die anderen Kellerkinder ja auch nicht. Dafür gabs ein mächtig gutes Gewissen, eine Kaffeemaschine nur für mich, geplünderte Schokovorräte, die befriedigte Neugier beim Blick in die Jungstoilette, einen Mordsgaudi beim um-die-Wette-auf-dem-Bürostuhl-durch-den-Gang-fahren mit der Langeweile sowie einen Abgang mit Pauken und Trompeten als beim Verlassen dann der Alarm aktiviert wurde und das Securityteam antanzen musste. Was haben die sich gefreut. Guter Vorsatz fürs neue Jahr: Manche Dinge einfach mal gelassener sehen. Und so bin ich, begleitet von einem Heer von hundert Kranichen, die ihren Weg unerwartet aber wohl willkommen über die Feiertage zu mir gefunden haben, gestartet.

Der Titel ist gemopst bei Christopher Moore

26 Juli 2013

die Geister die ich rief


Im Bergwerk der Bilder



Trotz aller Bürokratie die mir hier augenblicklich wieder in Form von Semesterbeiträgen, Überstundenabrechnungen, Steuererklärungen, Gewerbeämtern, Bahnkarten und Haftpflichtversicherungen entgegen geschlagen ist und wieder eine gewissen Ordnung in den Alltag gebracht hat, die man mechanisch abarbeitet, habe ich mich die letzten Wochen eher haltlos gefühlt. Die Befürchtung, dass ein stetiges Fernweh jetzt über einem schwebt wie ein Damoklesschwert wurde geäußert und die Situation als ernst eingeschätzt. Es gäbe wohl Bedenken, wenn man es nicht mehr zu schätzen weiß, dass Strom da ist, wenn man ihn zum kochen braucht. Oder das das Fahrrad noch vor der Tür steht, wenn man nach Hause radeln will. Oder das man beim Baden im Stadtsee keine Sorgen haben muss von einem Wal erschlagen oder einem Hai gefressen zu werden. Mag sein. Mag sein, dass der medizinische Rat, erstmal eine nächste Reise zu planen und bei Bedarf auch zu buchen, zunächst für Linderung gesorgt hat. Mag aber auch sein, dass ich mich beim Umsetzen längst gesponnener Bildideen in den heimischen Wäldern und Gewässern daran erinnere, dass es einen Grund dafür gibt, dass die besten Märchen hier ihren Ursprung haben. Umso mehr freue ich mich, dass ich jetzt und gerade zu diesen für mich notwendigen Bildern gefragt wurde, ob ich die Geschichte dazu erzählen kann. Sicher, gerne sogar. Ich lade euch ein, sie HIER zu lesen oder eben hier:

Bei Germanys Next Topmodel gab es mal ein Shooting mit buntem Mehl. Darf man laut sagen, dass man das gesehen hat und die Idee irgendwie faszinierend fand? Wahrscheinlich nicht. Jedenfalls nicht, seit man es zigmal gesehen hat. Immer wieder schöne und halb nackte Studiomenschen, denen das Mehl auf den Rücken geklatscht wird, damit Rock/Kleid/Hose/Gesicht/Haare noch gut zu sehen sind. Und damit der für mich einhergehende Eindruck - hier durfte man keinen Spaß haben. Ich bin aber ein Spielkind. Und ich wollte mit Mehl spielen. Umso mehr, umso besser. Umso weniger Mensch erkennbar ist, umso besser. Je mehr etwas anderes, ein Wesen, ein Nebel oder was auch immer darin gesehen werden kann, um so besser. Damit stand die Idee. Mehr nicht. Und seit dem hab ich sie mit mir rumgetragen. Genauso wie das Mehl, das bei Ausflügen mit der Chance auf eine gute Location immer dabei war. So auch am letzten Wochenende, als das Kilo Mehl im Körbchen meines Rades mit mir eine Radtour unternommen hat. Nach gut 30 Kilometern auswärts bin ich durch ein Stückchen Wald gekommen. Gut 20 Meter abseits des Radweges habe ich eine Gruppe abgestorbener Nadelbäume gesehen und wusste: hier oder nirgends. Alles im Wald lag im Dunkeln, nur ein kleiner Raum von vielleicht fünf mal fünf Metern hat das um diese Zeit noch sehr harte Sonnenlicht durchgelassen und auf dem ausgetrockneten Waldboden einen Lichtpfad hinterlassen. Einen Lichtpfad, der, würde ich ihm folgen, ganz sicher beim Haus der alten Babajaga enden würde. Klingt albern, aber da ich hier an die Märchen erinnert wurde, die ich früher vorgelesen bekommen habe, wollte ich auch hier eine kleine Geschichte entstehen lassen, die so lange in meinem Kopf rumliegen musste. Sah auch albern aus. Das entnehme ich im Nachhinein jedenfalls den Radfahren die mit offenen Mündern am Radweg stehen geblieben sind und mir zugeschaut haben, wie ich im rentnerbeigen Kleid, mit einem halben Kilo Mehl auf dem Kopf und dem Selbstauslöser in der Hand durch den Wald getanzt, gelaufen, gehüpft und gedreht bin. Da die Kamera fast auf Bodenhöhe stand, hat man sie wohl nicht gesehen.
Für mehr Drama im Bild hat die kurze Belichtung gesorgt. Bei einem Blendenwert von 2.8 hat es ein paar Versuche bedurft, eh die Schärfe gesessen hat. Aber wem erzähl ich das. So jedenfalls konnte dieses Bild entstehen, bei dem ich mir wünsche, dass es beim Betrachter Erinnerungen, Assoziationen oder Erzählungen hervorruft.

Der Titel ist geliehen von Roman Hocke

05 Juli 2013

langsamer Abschied