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24 Januar 2012

Opernsänger

13 Januar 2012

Es wird etwas geschehen


Das Jahr ging wie jedes Jahr am Ende auch wieder zu Ende. Dieses Mal, mit Pauken und Trompeten. Es soll ja das letzte Mal sein. Nächstes Mal haben wir dann nicht mal mehr Weihnachten. An Silvester, gar nicht erst zu denken. Deswegen: Was hab ich in meinen letzten Weihnachtstagen so gemacht? Grundsätzlich langweiliges Zeug: Im Zug gesessen, juristisches Blah blah gelesen, Apfelsinen gegessen, Pflichtbesuche abgehakt. Was man halt so macht. Aber ich habe auch noch etwas Neues ausprobiert. Gelockt haben gut klingende Versprechen von „das wird großartig“ zu „das wird deine neue Tradition“. Wobei Letztere ja sinnlos ist, zur Tradition kann es ja nicht mehr werden. Dennoch, ich hab mich überreden lassen. Ja, ich probiere das mit der Feuerzangenbowle mal. Muss ja was für sich haben, wenn die Hörsäle einmal im Jahr vollgefüllt sind, man Heinz Rühmann mittels Beamer über die Wand flackern sieht und alle ihre Becher im Zwanzigminutentakt auffüllen. Also geb ich mich vollen Vertrauens in deine Hände und mache die Prozedur von Anfang bis Ende mit. Der Anfang findet im Supermarkt statt. Die Aufgabe scheint leicht. Finde einen Rum mit 54 % Alkohol und einen Zuckerhut. Zuckerhüte aber liegen nicht besonders viele rum. Eigentlich nur einer. Der ist winzigklein und weiß und nicht bio und nicht fair trade. Es folgt, was folgen muss: ein Gespräch über die Vertretbarkeit, das in das Einkaufswägelchen zu legen. Zehnminutenlange „abers“ von mir und ein: „Es-muss-aber-sein-von“ dir. Gar nicht meine Art, aber ich gebe klein bei. Beim Rum wird’s nicht besser. Kann man das nicht mit was anderem machen? Ich hasse Rum. Der schmeckt so rummig. Wie schlechte Cocktails. Oder Ritter Sport mit Rum und Rosinen. Rosinen mag ich auch nicht. Geht nicht was anderes? Und wieder: Das muss aber sein! Hmpf. Ich hab ja gesagt ich probiere. Dann bitte. Wenigstens die Zitrone ist bio. Die Orangen wieder nicht. Habe also nachher Dünger, Spiritus, Schmierseife und diverse Insektizide in meinem Punsch. Yammi. Man gönnt sich ja sonst nüscht. Schleppen wir das biologisch und ethisch nicht vertretbare Zeugs zu dir. Und trinken erstmal einen ökologisch nicht vertretbaren Kaffee. Und dann geht es los. Wein in den Topf: Bekomm ich hin. Zitrone und Orange schneiden: auch. Feuerzange holen: nicht. Wer so was, wie ich, noch nie in seinem Leben gesehen hat, begibt sich daher jetzt wild im Besteckkasten auf die Suche nach etwas, das wie eine Bratwurstzange aussieht. Denn das heißt ja auch Zange und hat was mit Nahrung zu tun. Findet man aber nicht. Dann geht man im Kopf durch: Was kennt man noch für Zangen? Lochzange. Wasserpumpenzange. Kneifzange. Was haben alle gemein? Ein Zangengelenk. Das heißt, es muss doch was mit einem Gelenk sein und mindestens zwei Bauformen haben. Aber so was liegt hier nicht. Was mir dann in die Hand gedrückt wird, sieht eher wie eine Raspel für sehr, sehr große Kartoffeln aus. Nicht wie eine Zange. Ich mache mir keine Vorwürfe, dass ich darauf nicht gekommen bin. Aber gut legen wir „es“ auf den Topf. Übergießen den Zuckerhut mit Rum, legen den Zuckerhut auf die Zange und zünden ihn an. Tataa. Nüscht. Das versprochene Farbenspiel bleibt aus. Was ist passiert? Hach schau mal, der Rum hat keine 54 % Alkohol. Nur 45%. Komisch, ich schwöre im Laden stand da noch 54%. Das ist natürlich enttäuschend. Zuerst. Dann überlegt man: Moment mal, ich bin Jurist. Ich lass mich nicht besiegen. Und schon gar nicht von physikalischen Gesetzen. Denn allein, also ohne Zucker, da brennt der Rum doch ganz wunderbar. Also ist die Lösung doch ganz einfach. Zucker auf die Zange, Rum anbrennen und dann über den Zucker kippen. Hört sich in der Theorie doch prima an. Gedacht, getan. Rum auf den eh schon eingesautem Teller anbrennen und loskippen. Nur, vom Teller kippen, das ist so ein Ding, das lässt sich nicht so wunderbar steuern. Der Großteil läuft zwar auf den Zucker (und versickert und erstickt dort ganz herrlich) aber ein gutes Drittel landet auch auf dem Herd. Guck mal, der Herd kann brennen. Oh und jetzt fließt das weiter. Arbeitsplatte brennt auch, Teppich auch. Irre. Hier hab ich mein versprochenes Farbenspiel. Blaue Flamme auf schwarzem Herd, weißer Arbeitsplatte und rotem Teppich. Alles lodert. Warum dann um alles in der Welt der Zucker nicht? Das gibt’s doch nicht. Also noch mal mit vereinten Kräften: Erst bestehendes Feuer löschen, dann Neues anzünden. Der Zucker gibt nach. Langsam. Zumindest für Sekunden. Jetzt wiederholen wir das zwanzig Mal, unterbrechen es ein paar Mal für erneute Löschaktionen, und dann ist der Zuckerhut tatsächlich weg. Sichtlich stolz können wir unsere Gläser füllen. Und beim ersten Schluck muss ich leider denken: „Huiiiiii…. Zuckerbombe, Zuckerbombe, Zuckerbombe! Mein Zahnschmelz- ich bekomm sofort Karies! Boahr, ich merk, wie das meine Zähne zersetzt. Und meine Zunge überfordert. Süß, ist das süß. Und dann noch der Rum. Ich geh kaputt. Pass auf, guck nicht gequält, er hat sich solche Mühe gegeben. Und geackert wie ein Tier, damit das klappt. Guck freundlich. Los mach!“ Sagen würd ich das natürlich nicht. Ich sage: „Na, das geht. Trinken kann man es.“ Und das ist wirklich nett gemeint. Aber leider auch völlig gelogen. Keine drei Schlucke und wir beide haben das Gefühl, unsere Magenschleimhaut gibt auf, winkt mit der weißen Fahne und verabschiedet sich. Die Insektizide waren schuld. Ich wette. Siehst du, ich hatte recht. Ein bisschen Leid tuts mir aber doch: so viel Arbeit und dann landet doch alles im Klo. Nun ja, ich bin um eine Erkenntnis reicher: Ich habs mal wieder gewusst. Auf Feuerzangenbowle kann man verzichten und lieber bei dem guten alten Glühwein bleiben. Gefeiert wird diese Erkenntnis einen Tag später an Opas Bar, wo ich mit meinem 12-jährigen Cousin Glühwein um die Wette trinke und wir uns über den Anblick von vom Himmel stürzenden Spaceshuttles freuen können. Das ist ein Farbenspiel, da kann kein brennender Zucker mithalten.
Das war das eine Fest. Das andere ist Silvester. Eigentlich das buntere von beiden. Eigentlich. Für mich noch nie. Denn ich bekomme jedes Jahr das, was man eine Silvestergrippe nennt. Ich war daher schon auf sämtlichen Silvesterfeiern der Witz des Abends, ohne je da gewesen zu sein. Dabei waren diese Grippen nie eingebildet oder gelogen. Aus diesem Grund hatte ich diesmal zu keiner Einladung gesagt: „Ja ich komm gern und bring Nudelsalat mit!“ Nö. Dieses Mal nicht. Dieses Mal bleib ich gleich daheim. Im Fernsehen läuft den ganzen Abend „Friends“, das wär doch was. Und so hatte ich meinen Abend verplant: 12 Uhr erste Magenschmerzen, 13 Uhr Kopf- und Gliederschmerzen, 13.30 Uhr die erste Aspirin. 14 Uhr da erste Mal übergeben. 14:30- 17 Uhr schlafen. Dann Fieber messen, feststellen, dass 38,4 doch irgendwie hoch ist, schwitzen, schwitzen, schwitzen, übergeben, schwitzen, vor dem Fernseher dösen. In dieser Verfassung habe ich schon viele Staffeln Fernsehserien über mich gebracht. Scrubs, Tim Taler, Jack Holborn. Das war so meine geplante Beschäftigung. Um 24 Uhr sollte man mich dann kurz wecken, damit ich ein Auge öffnen kann und sehe, dass das Jahr tatsächlich vorbei ist. Geplante Sachen laufen aber nicht geplant. Vielmehr sitze ich 16 Uhr immer noch mit einem Buch auf der Couch, kann dem noch folgen und frage mich, wo das Fieber bleibt. 18 Uhr bekomme ich Hunger. Was soll ich denn jetzt essen? Ich habe nicht eingekauft, hatte ja fest mit Magen-Darm-Grippe gerechnet. Wer geht denn da einkaufen? Und im Kühlschrank liegt nur Hefe, Ziegenkäse, ein paar Nüsse von Weihnachten und Rosenkohl. Warum eigentlich nicht. Wenn die Magenschmerzen nicht von allein kommen, kann man ja nachhelfen. Rosenkohlpizza mit Nüssen und Ziegenkäse kann man ja mal probieren. Aber selbst dem hält mein Magen stand. Eine halbe Flasche Champagner hinterher. Nichts passiert. Nichts. Vielleicht ist der Bann gebrochen. Ich halte bis 24 Uhr aus, merke, dass ich in eine Gegend gezogen bin, in der nur ein einziger Mann eine einzelne armselige Rakete startet, und geh dann wieder auf die Couch. „Friends“ ist gar nicht so schlecht. Ich glaube ich hol mir in diesem Jahr die ganzen Staffeln, schau ein paar und hebe mir den Rest vorsichtshalber auf. Für nächstes Silvester. Falls die Welt doch nicht untergeht.

Der Titel ist gemopst bei Heinrich Böll