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28 September 2009

Trostpflastersteine


und zwar ne Menge!

Zitat

"Politiker werden auch nicht sauberer im Bad der Menge!"

Erhard H. Bellermann

18 September 2009

Vertrauen ist der Anfang von allem

Monster

In letzter Zeit treffe ich vermehrt auf Menschen, die gezwungenermaßen umziehen sollten, konnten, mussten in Städte die sie nicht wollten, mochten, aufnahmen. Stuttgart, Düsseldorf, Bayreuth, Mühlhausen. Dabei hört man immer wieder, welche Vorteile so ein Umzug mit sich bringen kann. Horizonterweiterung, neue Ansichten, neue Leute. Allerdings sollte man auch mal schätzen, was man hatte. Meine Nachbarn waren eigentlich großartig, gerade im Vergleich mit dem, was jetzt neben mir wohnt. Im Nebenhaus, eine Etage über mir lebt ein circa 1,90 m großer, 90 Kilo schwerer, glatzköpfiger Mann. Der kann mir immer schön auf den Balkon glotzen. Und der hat sonst auch den lieben langen Tag nüscht zu tun (reden wir jetzt nicht davon, woher ich das weiß), jedenfalls ist er immer daheim, wenn ich es auch bin (jetzt hab ichs ja doch gesagt). Deswegen kann er auch mittwochs bis tief in die Nacht Partys auf dem Balkon geben. Da sitzen dann zehn Glatzköpfige nebenan und feiern. Mittlerweile wird es dann halb zwölf und ich möchte schlafen und kann es aber nicht. Die Polizei anrufen und ne Ruhestörung melden, na da bin ich bei den Gestalten irgendwie zu feige. Also verbring ich meine Zeit damit, mir die Liedtexte zu merken, die da aus des Nachbars Wohnung dröhnen. Und was mir weder in der Schulzeit noch jetzt beim täglichen Radiomitgesinge gelungen ist, hat unvorbereiteterweise funktioniert. Google erklärt mir, dass das Störkraft ist, was mir mein Nachbar da gerade beigebracht hat. Darum geh ich im Schutz der Dunkelheit an meinen Briefkasten und kratz vorsichtshalber den „Hier keine NPD-Wahlwerbung rein“- Aufkleber wieder ab. Muss gegenwärtig ja keiner wissen, dass ich die nicht wähle. Fortan geh ich meinem Nachbar nun aus dem Weg, soweit ich kann. Gestern ist mir das nicht gelungen, denn als ich einkaufen gegangen bin, stand er dann ganz nervös, einer nach der anderen rauchend, draußen vor seiner Tür. Als ich zurück kam immer noch. Neugierde geht vor, darum lauf ich langsamer, mach mir lieber noch mal die Schuhe zu. Ich muss wissen, was ihn so nervös macht. Tja, was kann‘s wohl sein? Eine Frau kommt daher getänzelt. Blond- wer hätte es gedacht. Für mich sieht das verdammt nach Blind Date aus. Ich kann es mir richtig vorstellen, wie sie sich im Chatroom für einsame, arische Herzen kennengelernt, sich Nachrichten mit niedlichen kleinen Hitlersmileys geschrieben haben (ungefähr so: „Is das schön dich wieder hier zu treffen //:=l“ oder zur Verabschiedung ein „Küsschen, Küsschen //:=*..) und sich jetzt schüchtern fragen: „Hey, bist du Störkraft79?“ „Ja, und du süßeRune25?“ Niedlich irgendwie. Auch Nazis können verliebt sein. Da ist es fast ein bisschen traurig, dass er am nächsten Morgen doch wieder allein beim Frühstück auf dem Balkon saß.

Titel: Monster
Autor: Jonathan Kellerman
Verlag: Goldmann
Preis: € 8,00

12 September 2009

Abfluss

11 September 2009

Mittelmäßiges Heimweh

Saarbrücken ist eine hässliche Stadt. Nicht nur nicht schön anzusehen, sondern wirklich richtig, richtig hässlich. Uerghs halt. Nur Dreck und Asphalt und ein extrem hoher dB-Wert. Da könnte man in Versuchung kommen und denken, die Fahrt hat sich nicht gelohnt. Obwohl. Die Fahrt war eigentlich eine Offenbarung. Denn in Muttis neuem Wagen, mit ihren Ermahnungen im Ohr („und nicht gleich vor den ersten Baum fahren- ich will keinen Kratzer im Lack!“) hab ich mir eingestehen müssen, nicht nur eine unerträgliche Fahrerin zu sein, die von einer zur anderen Sekunde schwankt zwischen gnadenloser Aggressivität und völlig übersteigender Verängstigung, sondern auch eine äußerst undankbare Beifahrerin. Anstatt die verkrampften Beine mal von sich zu strecken und die Kutschierfahrt zu genießen, stemm ich den rechten Fuß an die Stelle, an der sonst das Bremspedal ist und gebe alle paar Sekunden komische, ermahnende leise Geräusche von mir. In etwa so: „ppfffuuuhhh“ oder „ttsschhhh“ oder „mmhhuuaaa“. Das stimmt wirklich. Die Luft wird dabei auch leicht surrend eingezogen, ganz so als, wär' es der letzte Atemzug. Und das genervte Seufzen von links hindert mich nicht. Ermutigt mich eher dem ganzen noch etwas Pfiff zu geben und die Geräusche mit meiner umfangreichen panischen Mimik zu bereichern. Darüber hinaus bin ich eine große Hilfe, wenn es darum geht, in fremden Städten zu einem Parkplatz oder Ähnlichem zu lotsen. Denn sobald ich im Auto sitze habe ich vergessen wo links und wo rechts ist. Ich weiß nicht warum. Das wäre, als wenn man mich in dem Moment nach dem Unterschied zwischen Gotha und Gera oder zwischen Kartoffeln und Tomaten fragt. Das sind nämlich auch solche Problemkinder bei mir. Und ehe mein Hintern im Beifahrersitz gelandet ist, kenn ich nur noch „da“ und „dort“. Aber keine Sorge, ich werf' das nicht beliebig durcheinander. Da gibt es schon einen Code. Links= dort, rechts= da. Toll. Ist eigentlich auch viel einfacher. Für mich.
Aber um zum Thema zurückzukommen. Saarbrücken ist hässlich, ja. Aber dennoch ist die Fahrt nicht umsonst, da Saarbrücken eben den Vorteil hat inmitten einer idyllischen Umgebung zu liegen. Und wenn einem mal kein Reh/Igel/Fuchs vors Auto rennt (nein Mutti, alles ist gut, wir haben keinen Kratzer im Lack), kann man die auch finden. Mit etwas Zeit und Geduld zwar, denn die Serpentinen in der Gegend, die nicht mal mit einem popeligen Mittelstreifen fetzen können, erfordern ein rasendes Tempo von 20 km/h. In der Verängstigungsphase. Ansonsten vielleicht 40 km/h. Alles nach Gefühl halt. So passt man sich an. Denn nach Gefühl läuft hier irgendwie alles. Nicht nur die Straßenbeschilderung (die eigentlich ein Thema für sich ist, denn wen ich noch nicht überzeugen konnte, dass Saarbrücken eine hässliche Stadt ist, den kann vielleicht Saarbrücken selbst überzeugen, da es sich so schöne Straßennamen ausdenkt wie „Im Loch“) sondern auch die Ausweisung der Wanderwege. Die hört dann eben einfach mal mitten im Wald auf. Aus die Maus. Denk dir was aus. Uns doch egal, dass du dann für ausgeschilderte 8 Kilometer 5 Stunden brauchst. Nu ja- immerhin auf dem Weg mal ein Bioklo kennengelernt. Nee nee, nicht Hose runter und ab in den Wald. Da stand tatsächlich ein Bioklo- so mit Moos und altem Holz. So richtig was für Ökos halt. Auch sonst gibt’s im Wald viel zu sehen. Meine Aussichtsplattform zum Beispiel. Da steht man ne halbe Stunde vor Sonnenuntergang auf dem Parkplatz, nicht wissend was man mit dem angefangen Abend machen kann und sieht sie: diese Plattform da ganz, ganz oben im Wald. Und muss da unbedingt hoch. Da führt kein Weg vorbei, sondern nur über Stock und Stein bergauf! Oben trifft man dann eine Szenerie- ganz nach dem Geschmack meiner Höhenangst! Ein Felsklumpen liegt da auf des Berges Spitze, dessen teilweise durchgerostete Feuerwehrleiter das einzige Hindernis zwischen mir und dem Ausblick ist. In meiner Erinnerung müssen das gute 50 Meter gewesen sein, die ich da hoch klettern musste. Bestimmt! Kein Wunder, dass da alles durchgerostet war, da hatten neben mir noch einige andere so schweißnasse Hände. Und nach Sonnenuntergang im Dunkeln da runter war natürlich gleich noch besser! Aber danach: stolz wie Oskar! Mit der Höhenangst lag ich hier ein paar Mal im Klinsch. Dennoch hab ich überall meine Fußspuren hinterlassen, keinen Himmel ausgelassen, jeden Gullideckel mitgenommen. Sogar vor strömenden Gewässern und scharfkantigem Kiesel keinen Halt gemacht. So sind die Ossis, denn was bezahlt ist, wird auch bis zum Ende durchgezogen, selbst wenn man dann knietief in der Scheiße steckt.

Titel: Mittelmäßiges Heimweh
Autor: Wilhelm Genazino
Verlag: dtv
Preis: € 8,90