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20 Juni 2012

deine Haut ist dein schönster Schmuck

Komm, ich erzähl dir eine Geschichte

Ich freue mich. Ehrlich, ich freue mich. Da bekomme ich eine Nachricht, dass es schade sei, dass es nix mehr Neues von mir zu lesen gäbe. Und dabei dacht ich, das des hier eh kaum wer liest. Außer einem selbst und ab und an der Muddi. Jetzt bin ich aber motiviert. Und würd gern was Dolles schreiben. So einen richtigen Schenkelklopfer mit roten Beinen danach. Aber hier passiert ja nüscht. Außer das man frühs in den Zug steigt, zur Arbeit fährt, man es sich immer noch nicht abgewöhnt hat bei einer liegen gebliebenen Reisetasche kuhl zu blieben, sich auf der Arbeit dann über allerhand ärgert, man wieder in den Zug steigt, zurück fährt und nach Hause kommt. Und was über Arbeit erzählen? Na ich weiß ja nicht. So ein Gejammer will ja keiner hören. Und wenn ich erzähle, dass hier zwei Kicker rumstehen, was sollen da die Leute denken? Dass ich auf hohem Niveau jammere. Und viel schlimmer: dass ich es jetzt ja langsam mal können müsste. Spielen ohne die Stangen durchdrehen zu lassen. Nix da, da erzähl ich lieber wieder was von dem, was ich ab jetzt liebevoll die Heimat nennen werde. Denn da war ich tatsächlich mal wieder. In der lieben Heimat. Und die liebe Heimat, die lässt einem nicht im Stich. Die hat immer noch einen Schwank in der Hinterhand. Ein schöner wäre der: Wir feiern. Zu feiern gibt es eigentlich immer was. Ich kann mich aber nicht mehr erinnern. Da sind nur noch ein paar Erinnerungen an: grauen Tofu im Glas, Grillfunken auf der Nase, zuckersüßen selbst gemachten Erdbeersirup mit Blubber und Gin. Denn das war so. Ich hab das letzte Mal Gin getrunken, da war ich gerade volljährig. Ist also schon eine Weile her. Den gabs dann auch mit Tonic und natürlich in irgendeiner hippen Kneipe. Und weil die so hipp war und die Zeit zum Geld scheffeln nutzen wollte, bis eine neue hippe Kneipe nebenan aufmacht und alle wie verrückt dahin rennen, da haben die gemacht, was jeder täte: 80% Tonic, 10 % Gin und den Rest haben die Eiswürfel gemacht. Dann noch ein dicker Strohhalm und lächerliche Schirmchen dran und schon sahs aus wie ein alkoholisches Getränk. Zu Hause allerdings, da braucht man keine Gewinnmarge. Da gibt es auch keine 0,2 l Gläser. Und es sieht ja auch nur aus wie Wasser. Kein Thema. Gib mir zehn Minuten. Sagt sie und schafft sonst kein Glas Wein. Aber es soll sich zeigen, dass es doch was Gutes hatte. Aus den zehn Minuten ist zwar eine dreiviertel Stunde geworden und aus mir eine kleine Haubitze, aber hatten nicht alle großen Künstler die besten Ideen im Rauschzustand? Seht ihr, so ging es mir auch. Außer das ich kein großer Künstler bin, eine mittelmäßige Idee hatte und die auch noch vorbereitet war. Ich hatte nämlich am Nachmittag gelernt, was Löten ist, und hatte Freude wie Butzi dabei. Dann hab ich im Schrank noch Rundfeilen gefunden, und ganz viel Holz und Schalter und ganz viele Lampen. Herrlich. Und dieses Etwas, was da zusammengeschraubt wurde, das wollte ich jetzt ausprobieren. Also die Haubitze in mir. Jetzt mitten in der Nacht und natürlich nur auf einer bestimmten Landstraße. Das geht nämlich nur an der Stelle. Die kenn ich gut, da hab ich mir mit 9 Jahren mal ein Loch in den Kopf gehauen. Die musses sein. Da isses auch schön dunkel. Gut. Da die Haubitze eh keine Ruhe gibt, so ziemlich alle ihre Ruhe haben wollen und nur einer den ganzen Abend nur Wasser getrunken hat wird’s auch so gemacht. Das blinkende Ungetüm wird in den Kofferraum gefrachtet und der Haubitze nachgegeben. Ja und jetzt komm ich zu dem, auf das ich schon die ganze Zeit raus will. Wir stehen dann also so auf der Landstraße, an der nicht ein Lichtlein brennt und auch kein Auto lang fährt. Es ist ein bisschen klipperkalt. Aber die Lichter am Ungetüm blinken ganz fleißig, während ich sie auf der Straße hin und her schiebe, an und aus mache, sie nach oben und nach unten halte. Und das fällt auch anderen auf. Denn irgendwann stehen zwei verdammt große Männer hinter mir. Aber die kommen nicht ran. Nö nö ... die scharren mit den Füßen im Fahrbahnranddreck und trauen sich nicht vorbei. Das machen sie nicht routiniert, als wüssten sie, was sie da tun. Nö, die sind nicht nur groß, sondern auch leicht voll. Und reden in einer Sprache, die ich zwar zwei Semester gelernt habe, in der ich aber nur verstehe, wenn mir jemand sagt, dass er nichts versteht. Das machen sie so zehn Minuten, in denen man leicht nervös wird. Und dann setzen Sie sich doch in Bewegung. Und während ich am rechten Fahrbahnrand immer noch mit meinen Lichtern rumtanze, gehen sie ganz links auf die Seite und sagen dann so laut es nur ging einen Satz: „Nach Mist, ich haben Geld vergessen, nix mehr haben jetzt, nix zu holen.“ In dem Moment werden mir ein paar Sachen klar. Erstens, das sind Russen. Zweitens, 30 Meter entfernt stehen ein paar Lauben, die da früher, als ich noch das Loch im Kopf hatte, noch nicht standen. Glaube ich. Drittens, die hatten Schiss, dass ich mit meinen Lichtern bekloppt genug bin und versuche denen das Geld abzunehmen. Irre, die Russen sind lustig. Und gar nicht das Klischee, was man hier so kennt. Ja da fällt mir doch was von hier ein. Da hab ich nämlich mein Rad verkaufen wollen und setze eine Anzeige ins Netz. Mit Bild und Kaufpreis und allem Pipapo. Zehn Minuten dauerts, bis ich Post von Iwan bekomme, der mir die Hälfte meines Preises anbietet und mir eine Frist setzt, mich bei Interesse zu melden. Auch schön. Aber, und da fällt mir noch eine letzte Sache ein, wenn ich Anzeigen erwähne. Ich denke nämlich ich habe noch nie, auch nicht in diversen Ökozeitschriften, eine Anzeige gelesen, bei der ich mir mehr gewünscht habe, dass so eine bitte nie an mich gerichtet ist. Gefunden habe ich sie in der Rubrik: Diverses. Und das war der Text (die Ausrufezeichen habe ich hinzugefügt, um jeglichen Männern die das lesen sollten, zu zeigen, was sie bitte bitte nie machen sollen): „Liebe Gerda, alles Gute nachträglich (!) zu deinem 50igsten (!!) Geburtstag, wünscht dir dein Mann (!!!)“. Wie kann man eine Frau mit nur einem Satz so verletzen?

Der Titel ist gemopst bei Jorge Bucay