Search

Pages

19 August 2012

ins Wasser gehen



17 Juli 2012

Darum

Mir ist so langweilig, deswegen erzähl ich jetzt was. Egal ob es von Interesse ist oder nicht. Aber ich fand das schon dreist. Ich war nämlich letztens bei der Post. Ich wollte was verschicken. Und das Gespräch lief so:

Ich möchte gern was verschicken, sag ich und reiche mein sorgsam eingepacktes und verklebtes Papppäckchen über die Theke. Das geht nicht, sagt sie. Wieso, will ich wissen. Das Paket ist zu klein. Wie zu klein. Na zu klein eben, sowas nehmen wir nicht an. Sie diskriminieren Pakete wegen ihrer Größe? Ist das nicht ein bisschen rassistisch? Haha, sehr lustig. Das Paket nehm ich deswegen trotzdem nicht an. Aber warum denn, ich hab das gleiche Paket doch erst letzte Woche bekommen. Kann nicht sein. Kann wohl sein, hier unten ist sogar noch der Aufkleber von euch drauf. Guck. (Sie guckt.) Das heißt gar nichts, das Paket nehm ich trotzdem nicht an. Aber das müssen sie mir erklären, warum das einmal geht und ein anderes Mal nicht. Muss ich nicht, das Paket ist zu klein, ich nehms nicht an, basta. Das heißt jetzt? Das heißt jetzt dass Sie nach Hause gehen und ihr klitzekleines Päckchen in ein ordentliches Paket packen, das mindestens 11 cm mal 15 cm groß ist. Hmpf. Gut, ich geh nach Hause und pack das klitzekleine Päckchen erstmal nicht um. Ich versuch erstmal die nächsten drei Tage erneut mein Glück. Dummerweise sitzt jeden Tag wieder “Sie“ am Schalter und das Gespräch findet dreimal hintereinander erneut statt. Bis heute weiß ich nicht, warum andere Menschen kleine Päckchen verschicken dürfen, ich aber nicht. Es muss an der Strumpfhose liegen. Was weiß ich. Letztlich geh ich doch nach Hause und packe mein Päckchen in ein Paket. Ein richtig schöne großes, das viel verspricht aber letztlich eine ganze Samstagzeitung zum „Stopfen“ verputzt hat. Erneut wage ich mein Glück und renne mit meinem Paket stolz zur Post. Jetzt hab ich ja alles richtig gemacht. Das Gespräch hingegen verläuft so:
Ich möchte gern was wegschicken. Päckchen oder Paket? (Hä?) Ähm, na was günstiger ist. Dann Päckchen (wird grummelig gemurmelt). Okay und das kostet? 4,20. Aha, na … äh … Moment … (ich krame wie wild in meiner Handtasche rum).. ah ..jetzt (ich hole selbstbewusst einen Briefumschlag mit meiner Briefmarkensammlung heraus).. ich bezahl dann mit Marken. Aha, mit Marken. Prima, jetzt hab ich das Geld aber schon eingebongt. Ja, aber ich hab doch extra die Marken mitgebracht. Dann verwenden Sie die eben für ihr nächstes Päckchen. Aber meine Marken… (Die Dame wird wütend) Hach, na gut, dann bezahlen Sie eben mit ihren Marken. (Sie bongt zurück) Ich sag ihnen aber gleich (sagt Sie), hier gehen in letzter Zeit immer mal Päckchen verloren (Sollte man das so laut sagen?) und ich versteh nicht, warum alle nur das Päckchen bezahlen. Als Paket, da wärs wenigstens versichert. Also wirklich, wenn das verloren geht, da hamse überhaupt nüscht von… Ich verstehs nicht. (Gut, denk ich mir, tuste ihr den Gefallen) Na gut, sie ham ja recht. Dan nehm ich halt doch das Paket. Was macht das dann? Das Kost zwei Euro mehr. Gut, dann kleben wir eben zwei Euro mehr in Briefmarken drauf. Nee nee nee, junge Frau, bei nem Paket, da könnense nur mit Geld bezahlen. Nicht mit Briefmarken, das geht da nicht. Und das geht das nicht weil? Das ist eben so, wir machen das nicht. Wieso? Darum! Weil das nicht geht. Aha, kompetente Antwort. (Ich krame meinen Geldbeutel raus) Tja, das ist jetzt dumm, aber ich hab nur fünf Euro in der Tasche. Das kann ich dann wohl nicht bezahlen. Können wir dann doch wieder Päckchen für 4,20 machen? Was? Nochmal wechseln, also Sie müssen sich schon entscheiden was Sie wollen. Nicht so ein Hick Hack. Nein, ich bong jetzt nicht nochmal zurück. Außerdem hab ich den Paketaufkleber schon drauf geklebt. Sehense? (Sie zeigt mir stolz ihren Paketaufkleber). Ja, aber gilt der nicht auch für Päckchen? Ich hab jetzt aber schon Paket eingebongt. Entschuldigung, aber so kommen wir nicht weiter. Ich hab nur 5 Euro mit, dafür aber Massen an Briefmarken und möchte das Paket/Päckchen jetzt hier und heute verschicken. Ja, das geht aber nicht. Ich werde das Paket jedenfalls nicht verschicken. Das wird jetzt schön hier neben mir liegen bleiben, bis Sie das bezahlt haben. Ist das jetzt ihr Ernst? Natürlich ist das mein Ernst, ich schicke doch kein Paket ab, was nicht bezahlt ist. Um das an dieser Stelle abzubrechen, ich bin dann nach Hause geradelt, hab Geld geholt und das Paket bezahlt. Dreist fand ich das aber schon. Aber noch nicht ganz so dreist, wie das, was ich drei Tage später bei der Deutschen Bahn erlebt habe. Und das war so):

Ich habe ein Ticket gebucht. Da ich in den Genuss gekommen bin wieder ein Semesterticket zu haben, brauchte ich die Buchung nur für die letzte halbe Strecke nach Hause. Den Rest habe ich, so sehe ich es jedenfalls, mit meinem Semesterbeitrag von 340 € bezahlt. Um nach Hause zu kommen muss ich in der Regel drei Mal umsteigen. Zurzeit aber fünf Mal, da auf der Strecke gebaut wird und Züge willkürlich ausfallen. Den ersten Anschlusszug verpasse ich. Warum? Mein ankommender Zug und mein abfahrender Zug stehen heute „außerplanmäßig“ auf demselben Gleis. Misslich daran ist, dass mein Anschlusszug vor dem Zug da ist, in dem ich noch drin sitze. Also höre ich nur die Durchsage: “Sehr geehrte Fahrgäste, das das Gleis belegt ist, müssen wir vor dem Bahnhof warten, bis der Anschlusszug das Gleis verlassen hat“. Aha, das ist ja toll. Der Zug ist also weg, ich stehe am Bahnhof und muss lesen, dass der nächste in einer Stunde fährt. Und ich muss registrieren, dass ich ein zuggebundenes Ticket habe und mit dem Zug in einer Stunde gar nicht fahren darf. Das jedenfalls brüllt mir die Tante am Informationsschalter ins Gesicht, denn es sei ja meine eigene Schuld, wenn ich eine Umsteigezeit von weniger als acht Minuten einplane. Das ginge an diesem Bahnhof nämlich nicht. An anderen schon, hier aber nicht. Wenn ich demnächst also nichts zu tun habe, lerne ich auswendig, an welchen Bahnhöfen ich wie viel Umsteigezeit einplanen darf, um dann nicht die Dumme zu sein. Ich wandere von der Information zum Servicecenter, in der Hoffnung dort auf bessere Nachrichten zu stoßen. Hier darf ich erst mal wie im Amt eine Nummer ziehen und es sind nur 17 Leute vor mir dran. Das Warten kostet mich 40 Minuten Zeit. 20 Minuten noch, dann fährt der nächste Zug. Toll so am Bahnhof, wo es die Leute nur in den seltensten Fällen mal eilig haben. Aber gut, jetzt bin ich ja dran und der Herr am Schalter lächelt schon so freundlich. Kein Wunder, er hatte ja gerade Mittagspause, hat sein Brot bequem am Schalter vertilgt und den vielen gestressten Leuten in aller Ruhe zugeguckt. Ich versuch dennoch mein Glück: Ich würde gern mein Ticket umtauschen. Aha, sie wollen also ihr Ticket umtauschen. Ja das wär großartig. Hier das Ticket meine ich (ich zeig es ihm). Gerade eben (eine Untertreibung) habe ich nämlich meinen Zug verpasst. Hm (sagt er), das ist schlecht. Was ist schlecht? Na ihr Ticket, Sie haben erst ab hier gebucht. Das Sie den Zug verpasst haben ist quasi ihre eigene Schuld. Was, wieso denn? Was kann ich denn dafür, dass der Anschlusszug weg ist? Na dafür können Sie natürlich nichts, aber eben dafür dass Sie erst ab hier gebucht haben. Das hätten Sie nicht machen dürfen. Was? Ich bin doch die Strecke vorher nicht schwarzgefahren. Ich hab das doch bezahlt. Ja, aber leider ist der konkrete Vertrag erst ab hier geschlossen. (Erzählt der mir hier jetzt was von einem konkreten Vertrag? Soll ich dem mal was von 7.000 Bahn Bonuspunkten auf meinem Konto und von betriebswirtschaftlicher Kundenbindung erzählen?). Das ist mir auch klar (wirklich, rein rechtlich und so, durchaus nachvollziehbar, leider), aber ich dachte da lässt sich dennoch was machen. Nö, lässt sich nicht. Warum denn nicht? Darum! Vertrag ist Vertrag. Ja super, kann ich das Ticket wenigstens anrechnen lassen? Sicher. Moment ich rechne das mal für Sie aus. (Er tippt auf der Tastatur … Einfingersystem … tipp … tipp … tipp … es druckt … er nimmt das ausgedruckte Papier.. liest es … faltet es … wirft es weg … Und tippt … tippt … tippt … tippt … Druckt … liest … Faltet … wirft weg.. und tippt.. und tippt … und tippt … und druckt … und liest..) Also junge Dame, das würde dann 37, 50 € machen. (Ich schlucke, lache, verschlucke mich). Ähm, das Ticket, das ich jetzt in der Hand halte, hat 33 € gekostet. Wie kann eine Anrechnung jetzt teurer sein? Ja also … ganz einfach … Sie müssen die Differenz zahlen, zum Ticket. Und dann natürlich die Bearbeitungsgebühr. Das sind dann noch mal 15 Euro. Ganz klar. Schönen Dank. Soviel zum Thema Sparpreis mit der Deutschen Bahn.

Der Titel ist gemopst bei Daniel Glattauer

20 Juni 2012

deine Haut ist dein schönster Schmuck

Komm, ich erzähl dir eine Geschichte

Ich freue mich. Ehrlich, ich freue mich. Da bekomme ich eine Nachricht, dass es schade sei, dass es nix mehr Neues von mir zu lesen gäbe. Und dabei dacht ich, das des hier eh kaum wer liest. Außer einem selbst und ab und an der Muddi. Jetzt bin ich aber motiviert. Und würd gern was Dolles schreiben. So einen richtigen Schenkelklopfer mit roten Beinen danach. Aber hier passiert ja nüscht. Außer das man frühs in den Zug steigt, zur Arbeit fährt, man es sich immer noch nicht abgewöhnt hat bei einer liegen gebliebenen Reisetasche kuhl zu blieben, sich auf der Arbeit dann über allerhand ärgert, man wieder in den Zug steigt, zurück fährt und nach Hause kommt. Und was über Arbeit erzählen? Na ich weiß ja nicht. So ein Gejammer will ja keiner hören. Und wenn ich erzähle, dass hier zwei Kicker rumstehen, was sollen da die Leute denken? Dass ich auf hohem Niveau jammere. Und viel schlimmer: dass ich es jetzt ja langsam mal können müsste. Spielen ohne die Stangen durchdrehen zu lassen. Nix da, da erzähl ich lieber wieder was von dem, was ich ab jetzt liebevoll die Heimat nennen werde. Denn da war ich tatsächlich mal wieder. In der lieben Heimat. Und die liebe Heimat, die lässt einem nicht im Stich. Die hat immer noch einen Schwank in der Hinterhand. Ein schöner wäre der: Wir feiern. Zu feiern gibt es eigentlich immer was. Ich kann mich aber nicht mehr erinnern. Da sind nur noch ein paar Erinnerungen an: grauen Tofu im Glas, Grillfunken auf der Nase, zuckersüßen selbst gemachten Erdbeersirup mit Blubber und Gin. Denn das war so. Ich hab das letzte Mal Gin getrunken, da war ich gerade volljährig. Ist also schon eine Weile her. Den gabs dann auch mit Tonic und natürlich in irgendeiner hippen Kneipe. Und weil die so hipp war und die Zeit zum Geld scheffeln nutzen wollte, bis eine neue hippe Kneipe nebenan aufmacht und alle wie verrückt dahin rennen, da haben die gemacht, was jeder täte: 80% Tonic, 10 % Gin und den Rest haben die Eiswürfel gemacht. Dann noch ein dicker Strohhalm und lächerliche Schirmchen dran und schon sahs aus wie ein alkoholisches Getränk. Zu Hause allerdings, da braucht man keine Gewinnmarge. Da gibt es auch keine 0,2 l Gläser. Und es sieht ja auch nur aus wie Wasser. Kein Thema. Gib mir zehn Minuten. Sagt sie und schafft sonst kein Glas Wein. Aber es soll sich zeigen, dass es doch was Gutes hatte. Aus den zehn Minuten ist zwar eine dreiviertel Stunde geworden und aus mir eine kleine Haubitze, aber hatten nicht alle großen Künstler die besten Ideen im Rauschzustand? Seht ihr, so ging es mir auch. Außer das ich kein großer Künstler bin, eine mittelmäßige Idee hatte und die auch noch vorbereitet war. Ich hatte nämlich am Nachmittag gelernt, was Löten ist, und hatte Freude wie Butzi dabei. Dann hab ich im Schrank noch Rundfeilen gefunden, und ganz viel Holz und Schalter und ganz viele Lampen. Herrlich. Und dieses Etwas, was da zusammengeschraubt wurde, das wollte ich jetzt ausprobieren. Also die Haubitze in mir. Jetzt mitten in der Nacht und natürlich nur auf einer bestimmten Landstraße. Das geht nämlich nur an der Stelle. Die kenn ich gut, da hab ich mir mit 9 Jahren mal ein Loch in den Kopf gehauen. Die musses sein. Da isses auch schön dunkel. Gut. Da die Haubitze eh keine Ruhe gibt, so ziemlich alle ihre Ruhe haben wollen und nur einer den ganzen Abend nur Wasser getrunken hat wird’s auch so gemacht. Das blinkende Ungetüm wird in den Kofferraum gefrachtet und der Haubitze nachgegeben. Ja und jetzt komm ich zu dem, auf das ich schon die ganze Zeit raus will. Wir stehen dann also so auf der Landstraße, an der nicht ein Lichtlein brennt und auch kein Auto lang fährt. Es ist ein bisschen klipperkalt. Aber die Lichter am Ungetüm blinken ganz fleißig, während ich sie auf der Straße hin und her schiebe, an und aus mache, sie nach oben und nach unten halte. Und das fällt auch anderen auf. Denn irgendwann stehen zwei verdammt große Männer hinter mir. Aber die kommen nicht ran. Nö nö ... die scharren mit den Füßen im Fahrbahnranddreck und trauen sich nicht vorbei. Das machen sie nicht routiniert, als wüssten sie, was sie da tun. Nö, die sind nicht nur groß, sondern auch leicht voll. Und reden in einer Sprache, die ich zwar zwei Semester gelernt habe, in der ich aber nur verstehe, wenn mir jemand sagt, dass er nichts versteht. Das machen sie so zehn Minuten, in denen man leicht nervös wird. Und dann setzen Sie sich doch in Bewegung. Und während ich am rechten Fahrbahnrand immer noch mit meinen Lichtern rumtanze, gehen sie ganz links auf die Seite und sagen dann so laut es nur ging einen Satz: „Nach Mist, ich haben Geld vergessen, nix mehr haben jetzt, nix zu holen.“ In dem Moment werden mir ein paar Sachen klar. Erstens, das sind Russen. Zweitens, 30 Meter entfernt stehen ein paar Lauben, die da früher, als ich noch das Loch im Kopf hatte, noch nicht standen. Glaube ich. Drittens, die hatten Schiss, dass ich mit meinen Lichtern bekloppt genug bin und versuche denen das Geld abzunehmen. Irre, die Russen sind lustig. Und gar nicht das Klischee, was man hier so kennt. Ja da fällt mir doch was von hier ein. Da hab ich nämlich mein Rad verkaufen wollen und setze eine Anzeige ins Netz. Mit Bild und Kaufpreis und allem Pipapo. Zehn Minuten dauerts, bis ich Post von Iwan bekomme, der mir die Hälfte meines Preises anbietet und mir eine Frist setzt, mich bei Interesse zu melden. Auch schön. Aber, und da fällt mir noch eine letzte Sache ein, wenn ich Anzeigen erwähne. Ich denke nämlich ich habe noch nie, auch nicht in diversen Ökozeitschriften, eine Anzeige gelesen, bei der ich mir mehr gewünscht habe, dass so eine bitte nie an mich gerichtet ist. Gefunden habe ich sie in der Rubrik: Diverses. Und das war der Text (die Ausrufezeichen habe ich hinzugefügt, um jeglichen Männern die das lesen sollten, zu zeigen, was sie bitte bitte nie machen sollen): „Liebe Gerda, alles Gute nachträglich (!) zu deinem 50igsten (!!) Geburtstag, wünscht dir dein Mann (!!!)“. Wie kann man eine Frau mit nur einem Satz so verletzen?

Der Titel ist gemopst bei Jorge Bucay

27 Mai 2012

Bereitet Häppchen vor. Sie kommen.

29 April 2012

Der letzte Sommer


Heute habe ich erschreckend etwas festgestellt: Ich bin ein deutsches Klischee. Gut, ich trage keine Lederhosen. Jedenfalls nicht mehr, seit ich groß genug bin und mich gegen Muttis „Ach komm, das ist niedlich!“ wehren kann. Ich habe auch noch nie eine Maß Bier getrunken und überversichert bin ich mit meiner Haftpflichtversicherung auch nicht. Aber ich sagte ja auch nur, dass ich ein deutsches Klischee bin. Nicht gleich drei, vier oder fünf. Aber vielleicht fange ich auch einfach nur langsam an. Mach mich sozusagen warm: Wer weiß, vielleicht finde ich mich in fünf Jahren in München mit ner Weißwurst in der einen, ner Brezel in der anderen Hand und hochgeschnallten Brüsten wieder. Alles ist möglich. Das will ich jetzt um nichts in der Welt hoffen, aber mein 16-jähriges Ich würde mich heute auch ganz furchtbar peinlich finden. Mein 16-jähriges Ich fand es damals schon zu viel verlangt die Tomaten zu gießen, wenn die Eltern im Urlaub waren. Aber mein 26-jähriges Ich saß im letzten Sommer auf dem Balkon seiner Dachgeschosswohnung und hat ein halbes Jahr neidisch auf den Garten der Nachbarn herunter gestarrt. So viel Platz und nur Rasen. Hach, was könnte man da nicht alles machen. Na, was fällt dem Deutschen ein? (Partys feiern, mit einem Hund rumtollen, in der Sonne baden, Purzelbäume schlagen, grillen (nein, nicht noch ein Klischee), alles zu betonieren und Rollschuh fahren, einen Swimmingpool einsetzen, Sonnensegel setzen und sich treiben lassen …). Natürlich. Die Kleingärtnerei! Also nimmt man diesen Garten im nächsten Jahr einfach in Beschlag. Jedenfalls ich mache das. Denn, was gibt es denn Besseres, als sich über 39 gesparte Cent zu freuen, weil die Radieschen im eigen Garten wachsen und man nicht die wässrigen Dinger aus dem Supermarkt nehmen muss? Wenn man mich das jetzt so isoliert fragen würde, fiele mir da schon was ein. Gesparte Hundert Euro die für Erde, Samen, Töpfe, Balkonkästen und Gießkanne drauf gehen zum Beispiel. Nicht jeden Tag literweise Wasser vom Dachgeschoss in den garten Schleppen zum Beispiel. Keine schwarzen Fingernägel zum Beispiel. (Gut, letztes Beispiel wäre noch vertretbar, wenn es sich um schwarzen Nagellack von Maybelline handelte, tut es aber nicht.) Kein Unkraut jäten zum Beispiel. Und vor allem keine gut gemeinten Tipps von den Nachbarn ernten, die auf einmal aus allen Löchern gekrochen kommen. Aber dennoch: Wie jeder gute Deutsche verbringe ich zurzeit zwei von drei Wochenenden im Baumarkt und informiere mich gewissenhaft (auch ganz deutsch) über Rindenmulch, biologische Düngung und Fassvermögen von Tontöpfen. Lasse mir in aller Ruhe erklären, warum meine Erdbeeren noch Befruchterpflanzen benötigen und wie man den Rasen am besten vertikutiert. Was Schnellkeimer sind und warum meine Möhren unbedingt Zwiebeln als Nachbarn haben wollen. Das wird sich alles auszahlen, wenn man in zwei Monaten die eigenen dicken Karotten aus dem Boden zieht. Und zeitgleich auch Spinat, Zwiebeln, Radieschen und Zucchini erntereif sind und man gar nicht mehr weiß, wohin mit dem ganzen Zeug. Jaha, das wird ein Fest. Da wird sich das ganze Umgraben, Hacken, Rächen und Harken, das Pikieren, Ausgeizen und Wässern gelohnt haben. Da braucht mein 16 Jähriges Ich, dass seine Zeit lieber mit schwimmen, Eis essen, Kino und sonstigen Rumgammeln verbringt gar nicht die Augen verleiern. Und erst recht nicht, wenn ich dem jetzt noch erzähle, dass ich außerdem Funktionskleidung habe, damit ich auch bei Regen das Unkraut aus den schön gesetzten Umrandungsritzen meiner Beete kratzen kann.

Der Titel ist gemopst bei Bernhard Schlink

19 April 2012

deep dream

15 April 2012

In der Schwebe


„Das können kleine Kinder, das kann ich auch. Das können kleine Kinder, das kann ich auch! DAS KÖNNEN KLEINE KINDER, DAS KANN ICH AUCH!“ So spreche im mir seit zehn Minuten selber Mut zu und hoffe, dass es durch die ständige Wiederholung auch irgendwann wahr wird. Das mit dem auch können. Statt mich von der Stelle zu bewegen, sitze ich aber seit eben jenen zehn Minuten in einem Turmfenster fest. Dem einzigen Turmfenster, das tief genug ist, um mich, meinen Rucksack und mein Stativ aufzunehmen. Dem einzigen Turmfenster überhaupt, das sich in 38 Metern einer sich in die Höhe kringelnden Tortendeckchenwendeltreppe zeigt. Tortendeckchenwendeltreppe, so tauf ich sie. Denn so sieht sie aus. Wie ein dünnes Blatt Papier, mit wahnsinnig vielen eingestanzten Blumenmustern. Nur das irgendjemand in der Mitte ein Loch reingeschnitten und den Rest ein bisschen in sich gedreht hat. Und ehrlich- schön sieht das aus. Von unten. Da denkt man noch „Wohow, das ist Kunst!“ und freut sich über die schicken Schnörkel, das einfallende Licht und die Schraubenatmosphäre. Als ob man ganz tief drinnen wär, im Heim der Schnecke und nur schnell hochflitzen müsste, um die Fühler ausstrecken zu können. Also flitze ich los und achte nicht auf die bleichen Gesichter, die mir entgegentorkeln. Ich flitze zehn Stufen. Dann werde ich langsamer und laufe die nächsten zehn. Dann geh ich und letztlich krieche ich nur noch und setze zitternd einen Fuß vor den anderen. So weiche Knie hatte ich noch nie. Denn jetzt kommt die Erkenntnis. Das sind Löcher in den Stufen. Durch die kann man durchgucken. In die Tiefe. Und das geht’s runter. Und das Geländer ist auch nur so ein zartes Pflänzchen, das könnte mich nicht halten. Und in der Wand ist nichts, nicht mal ein paar alte Zementbröckel an denen ich mich festhalten könnte. Nur glatte schöne weiße Wand. Und dann merke ich, dass die eine oder andere Stufe ersetzt wurde. Durch glatte Eisenplatten ohne Löcher. Und ich frage mich: Wie hat man wohl rausgefunden, dass diese Platten nicht mehr sicher sind? Und dann sehe ich es: das Turmfenster. Und verschwinde darin. Und rede stoisch auf mich ein. Und beobachte Menschen. Und sehe erst jetzt, dass neun von zehn mit dem gleichen Enthusiasmus wie ich die Treppe hochstürzen, aber bereits nach vier Metern merken: „Nee, das würd nüscht!“ Die sind klüger als ich. Die fangen den Scheiß gar nicht erst an. Was eine ziemliche Einsamkeit für mich zur Folge hat. Es kommt eine ganze Weile niemand vorbei, der mich mitnehmen könnte. Denn irgendwie will ich jetzt erst recht nach oben, hab aber noch keine Ahnung wie. Wenn ich auf allen Vieren gehe, bin ich nur noch näher an den Löchern dran. Hüpfen geht nicht, da meine Beine weich wie Butte und schwer wie Blei zeitgleich sind. Und ich muss irgendwie drauf achten, dass ich meine Hände nicht brauche, denn die sind mittlerweile so nass, dass sie vom Geländer rutschen. „Sie müssen immer nach oben schauen und starr gerade aus gehen, dann klappt es. Und denken Sie an die Aussicht, die lohnt sich.“ höre ich da von einer Frau, die plötzlich vor mir steht. „Ähm wie bitte, was sagen Sie?“ „Sie müssen einfach irgendwo oben einen Punkt fixieren, dann schaffen Sie es auch nach oben.“ „Noch mal Entschuldigung, aber was?“ „Na Sie reden die ganze Zeit so vor sich hin, da wollte ich Ihnen einen Tipp geben, wie es klappt. Mir jedenfalls hat es geholfen!“Ach herrje, rede ich so laut? Muss ich wohl, denn kurz danach kommt eine Frau beim Runterlaufen an mir vorbei und meint lachend zu mir: „Und ich dachte schon es liegt am Alter, dass ich so eine Angst hatte. Beruhigend zu sehen, dass es Ihnen auch so geht!“Okay, ich muss hier weg. Jetzt. Hoch. Das kann ich nicht auf mir sitzen lassen. Den Rat befolgend hefte ich meinen Blick auf ein kleines Eisenkreuz in der Wand und komme langsam aber immerhin irgendwann oben an. Mein Rucksack fühlt sich 50 Kilo schwerer an und ich müsste dringend duschen, nachdem ich die letzet Stufe hinter mich gebracht habe. Aber ich bin stolz auf mich. Genauso wie die drei anderen Erwachsenen mit den sieben Kindern, die hier oben stehen und nach einem kurzen Blick auf die Aussicht nur noch wieder runter wollen.

Der Titel ist gemopst bei Tess Gerritsen

28 Februar 2012

don´t think they are scary

27 Februar 2012

Nie wieder

„Ähm, könnten Sie bitte Ihren Hund aus meinem Gesicht nehmen?“ „Aber der ist doch total niedlich. Guck mal, ein Welpe!“ „Mag sein, aber ich habs nicht so mit Hunden in meinem Gesicht.“ „Ja aber der ist niedlich und noch so klein. Frauen stehen doch auf kleine Hunde. Und das ist einer. Und der ist klein. Und der hat Hunger. Hast du Geld? Willst du mir nicht welches geben. Damit ich ihm was zu essen kaufen kann?“ „Äh, zum einem ist der Hund immer noch in meinem Gesicht und zum anderem: Nein!“ „Warum nicht? Du hast bestimmt Geld dabei. Der Hund hat Hunger. Los, kauf dem was!“
Schön. Ich stehe an der Straßenbahnhaltestelle und warte auf meine Bahn. Warum ich nicht im Bahnhof stehe und auf meinen Zug warte, kann ich in diesem Moment nicht mehr verstehen. Die Bahn kommt erst in vier Minuten. Vier lange Minuten mit einem Hund im Gesicht und einem viel zu großen Mann vor mir, der es nicht einsieht, den da weg zu nehmen. Herrlich. Das hab ich jetzt also davon. Davon dass ich auf meine zwei Freunde gehört habe. Die die immer zu mir gesagt haben, ich wäre zu verschlossen. Zu grimmig. Zu unsozial. Man würde sich gar nicht an mich ran trauen. Das soll sogar so weit geführt haben, dass einer der beiden fast zwei Jahre gebraucht hat, um mich anzusprechen. Um dann mit einem „Was willst du Vogel denn von mir!?“ abgefertigt zu werden. Ich gebe zu, besonders nett mag das nicht gewesen sein. Aber ich habe mir auch viel erspart. Damals hatte ich keine Hunde im Gesicht. Und überhaupt steh ich hier nur und warte auf die Bahn, weil ich mich hab breitschlagen lassen. Zu einem „Komm, lass uns doch mal gemeinsam was trinken gehen“. Das war ja auch im ersten Moment ziemlich niedlich, das von den eigenen Schützlingen gefragt zu werden. Aber ich habe die Folgen nicht bedacht. Folge Nummer eins: Ich werde jetzt für einen Freund gehalten. Folge Nummer zwei: Ich fühle mich furchtbar alt. Denn das Treffen lief so ab, dass ich in einer megahippen Cocktailkneipe zwischen einem Haufen 18-Jähriger lande. Ich muss also registrieren, dass Cocktails wieder in sind, ich aber keine Ahnung davon habe. Den letzten Cocktail habe ich, selber 18 Jahre alt, in Köln getrunken ohne das ich jetzt noch wüsste was das war. Mein Blick schweift über die 8-Seiten lange Karte und bleibt nach zehn Minuten doch bei dem hängen was ich kenne. Beck‘s. Auf dem Tisch stehen nachher also ein Beck‘s und zehn bunte Cocktails mit glitzernden Schirmchen und in Formen ausgeschnittenen Obstscheiben. Ich werde komisch angeguckt und dann kleinlaut nach meinem Alter gefragt. Anscheinend ist Bier trinken heute eher asozial oder alt. Besser wird es nicht, als man mir sagt, ich könne mich doch noch als jung einschätzen, nachdem die Generation Smartphone mein Alter gegoogelt hatte. Ich hätte doch ein Glas Wein nehmen sollen. Mist. Aber am Bier kann man sich gut festhalten. Was im Laufe des Abends nötig ist. Denn mit den meisten Themen kann ich noch nichts oder nichts mehr anfangen. Nein, mein erstes Auto hatte ich im Gegensatz zu euch allen noch nicht. Natürlich weiß ich, dass ihr alle mal euren Doktor macht. Ohne ist man ja heute nichts mehr. Und ach ja, natürlich habt ihr Recht. Meine Heimat ist ein furchtbares Nest, in dem man sich vor Rechtsradikalen nicht retten kann. Natürlich, ist es prima, dass ihr, endlich volljährig, euch mal so richtig volllaufen lassen könnt. Macht es doch am besten gleich vor mir. Und erzählt mir dann ganz peinliche Sachen,die ich besser nicht wissen sollte. Natürlich. Ach schade, mein Bier ist alle. Ich muss mich aus dem Staub machen. Besser jetzt als später. Das wird mir sonst zu peinlich hier. Zurück zur Bahnhaltestelle, zum Zug, zu meinem Fahrrad, nach Hause. Und da der Abends so schon so schön war, gibt es noch ein Schmankerl oben drauf. Denn nachts halb zwölf sind so einige Gestalten unterwegs in der Großstadt. Und der eine hält einem wieder Hunde ins Gesicht, um Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, andere spucken einen einfach gelassen an. Mitten auf die neuen Schuhe, als wäre es das Normalste auf der Welt und ein ganz schlichtes Recht. Und wenn ich den jetzt anhalloe und ihn darauf aufmerksam mache, dass er mich getroffen hat, zieht er gleich nochmal eine ganze Ladung die Nase hoch. Nö. Ehrlich, das war einfacher, als ich noch nicht nett war.

Der Titel ist gemopst bei Michael Ende

24 Januar 2012

Opernsänger

13 Januar 2012

Es wird etwas geschehen


Das Jahr ging wie jedes Jahr am Ende auch wieder zu Ende. Dieses Mal, mit Pauken und Trompeten. Es soll ja das letzte Mal sein. Nächstes Mal haben wir dann nicht mal mehr Weihnachten. An Silvester, gar nicht erst zu denken. Deswegen: Was hab ich in meinen letzten Weihnachtstagen so gemacht? Grundsätzlich langweiliges Zeug: Im Zug gesessen, juristisches Blah blah gelesen, Apfelsinen gegessen, Pflichtbesuche abgehakt. Was man halt so macht. Aber ich habe auch noch etwas Neues ausprobiert. Gelockt haben gut klingende Versprechen von „das wird großartig“ zu „das wird deine neue Tradition“. Wobei Letztere ja sinnlos ist, zur Tradition kann es ja nicht mehr werden. Dennoch, ich hab mich überreden lassen. Ja, ich probiere das mit der Feuerzangenbowle mal. Muss ja was für sich haben, wenn die Hörsäle einmal im Jahr vollgefüllt sind, man Heinz Rühmann mittels Beamer über die Wand flackern sieht und alle ihre Becher im Zwanzigminutentakt auffüllen. Also geb ich mich vollen Vertrauens in deine Hände und mache die Prozedur von Anfang bis Ende mit. Der Anfang findet im Supermarkt statt. Die Aufgabe scheint leicht. Finde einen Rum mit 54 % Alkohol und einen Zuckerhut. Zuckerhüte aber liegen nicht besonders viele rum. Eigentlich nur einer. Der ist winzigklein und weiß und nicht bio und nicht fair trade. Es folgt, was folgen muss: ein Gespräch über die Vertretbarkeit, das in das Einkaufswägelchen zu legen. Zehnminutenlange „abers“ von mir und ein: „Es-muss-aber-sein-von“ dir. Gar nicht meine Art, aber ich gebe klein bei. Beim Rum wird’s nicht besser. Kann man das nicht mit was anderem machen? Ich hasse Rum. Der schmeckt so rummig. Wie schlechte Cocktails. Oder Ritter Sport mit Rum und Rosinen. Rosinen mag ich auch nicht. Geht nicht was anderes? Und wieder: Das muss aber sein! Hmpf. Ich hab ja gesagt ich probiere. Dann bitte. Wenigstens die Zitrone ist bio. Die Orangen wieder nicht. Habe also nachher Dünger, Spiritus, Schmierseife und diverse Insektizide in meinem Punsch. Yammi. Man gönnt sich ja sonst nüscht. Schleppen wir das biologisch und ethisch nicht vertretbare Zeugs zu dir. Und trinken erstmal einen ökologisch nicht vertretbaren Kaffee. Und dann geht es los. Wein in den Topf: Bekomm ich hin. Zitrone und Orange schneiden: auch. Feuerzange holen: nicht. Wer so was, wie ich, noch nie in seinem Leben gesehen hat, begibt sich daher jetzt wild im Besteckkasten auf die Suche nach etwas, das wie eine Bratwurstzange aussieht. Denn das heißt ja auch Zange und hat was mit Nahrung zu tun. Findet man aber nicht. Dann geht man im Kopf durch: Was kennt man noch für Zangen? Lochzange. Wasserpumpenzange. Kneifzange. Was haben alle gemein? Ein Zangengelenk. Das heißt, es muss doch was mit einem Gelenk sein und mindestens zwei Bauformen haben. Aber so was liegt hier nicht. Was mir dann in die Hand gedrückt wird, sieht eher wie eine Raspel für sehr, sehr große Kartoffeln aus. Nicht wie eine Zange. Ich mache mir keine Vorwürfe, dass ich darauf nicht gekommen bin. Aber gut legen wir „es“ auf den Topf. Übergießen den Zuckerhut mit Rum, legen den Zuckerhut auf die Zange und zünden ihn an. Tataa. Nüscht. Das versprochene Farbenspiel bleibt aus. Was ist passiert? Hach schau mal, der Rum hat keine 54 % Alkohol. Nur 45%. Komisch, ich schwöre im Laden stand da noch 54%. Das ist natürlich enttäuschend. Zuerst. Dann überlegt man: Moment mal, ich bin Jurist. Ich lass mich nicht besiegen. Und schon gar nicht von physikalischen Gesetzen. Denn allein, also ohne Zucker, da brennt der Rum doch ganz wunderbar. Also ist die Lösung doch ganz einfach. Zucker auf die Zange, Rum anbrennen und dann über den Zucker kippen. Hört sich in der Theorie doch prima an. Gedacht, getan. Rum auf den eh schon eingesautem Teller anbrennen und loskippen. Nur, vom Teller kippen, das ist so ein Ding, das lässt sich nicht so wunderbar steuern. Der Großteil läuft zwar auf den Zucker (und versickert und erstickt dort ganz herrlich) aber ein gutes Drittel landet auch auf dem Herd. Guck mal, der Herd kann brennen. Oh und jetzt fließt das weiter. Arbeitsplatte brennt auch, Teppich auch. Irre. Hier hab ich mein versprochenes Farbenspiel. Blaue Flamme auf schwarzem Herd, weißer Arbeitsplatte und rotem Teppich. Alles lodert. Warum dann um alles in der Welt der Zucker nicht? Das gibt’s doch nicht. Also noch mal mit vereinten Kräften: Erst bestehendes Feuer löschen, dann Neues anzünden. Der Zucker gibt nach. Langsam. Zumindest für Sekunden. Jetzt wiederholen wir das zwanzig Mal, unterbrechen es ein paar Mal für erneute Löschaktionen, und dann ist der Zuckerhut tatsächlich weg. Sichtlich stolz können wir unsere Gläser füllen. Und beim ersten Schluck muss ich leider denken: „Huiiiiii…. Zuckerbombe, Zuckerbombe, Zuckerbombe! Mein Zahnschmelz- ich bekomm sofort Karies! Boahr, ich merk, wie das meine Zähne zersetzt. Und meine Zunge überfordert. Süß, ist das süß. Und dann noch der Rum. Ich geh kaputt. Pass auf, guck nicht gequält, er hat sich solche Mühe gegeben. Und geackert wie ein Tier, damit das klappt. Guck freundlich. Los mach!“ Sagen würd ich das natürlich nicht. Ich sage: „Na, das geht. Trinken kann man es.“ Und das ist wirklich nett gemeint. Aber leider auch völlig gelogen. Keine drei Schlucke und wir beide haben das Gefühl, unsere Magenschleimhaut gibt auf, winkt mit der weißen Fahne und verabschiedet sich. Die Insektizide waren schuld. Ich wette. Siehst du, ich hatte recht. Ein bisschen Leid tuts mir aber doch: so viel Arbeit und dann landet doch alles im Klo. Nun ja, ich bin um eine Erkenntnis reicher: Ich habs mal wieder gewusst. Auf Feuerzangenbowle kann man verzichten und lieber bei dem guten alten Glühwein bleiben. Gefeiert wird diese Erkenntnis einen Tag später an Opas Bar, wo ich mit meinem 12-jährigen Cousin Glühwein um die Wette trinke und wir uns über den Anblick von vom Himmel stürzenden Spaceshuttles freuen können. Das ist ein Farbenspiel, da kann kein brennender Zucker mithalten.
Das war das eine Fest. Das andere ist Silvester. Eigentlich das buntere von beiden. Eigentlich. Für mich noch nie. Denn ich bekomme jedes Jahr das, was man eine Silvestergrippe nennt. Ich war daher schon auf sämtlichen Silvesterfeiern der Witz des Abends, ohne je da gewesen zu sein. Dabei waren diese Grippen nie eingebildet oder gelogen. Aus diesem Grund hatte ich diesmal zu keiner Einladung gesagt: „Ja ich komm gern und bring Nudelsalat mit!“ Nö. Dieses Mal nicht. Dieses Mal bleib ich gleich daheim. Im Fernsehen läuft den ganzen Abend „Friends“, das wär doch was. Und so hatte ich meinen Abend verplant: 12 Uhr erste Magenschmerzen, 13 Uhr Kopf- und Gliederschmerzen, 13.30 Uhr die erste Aspirin. 14 Uhr da erste Mal übergeben. 14:30- 17 Uhr schlafen. Dann Fieber messen, feststellen, dass 38,4 doch irgendwie hoch ist, schwitzen, schwitzen, schwitzen, übergeben, schwitzen, vor dem Fernseher dösen. In dieser Verfassung habe ich schon viele Staffeln Fernsehserien über mich gebracht. Scrubs, Tim Taler, Jack Holborn. Das war so meine geplante Beschäftigung. Um 24 Uhr sollte man mich dann kurz wecken, damit ich ein Auge öffnen kann und sehe, dass das Jahr tatsächlich vorbei ist. Geplante Sachen laufen aber nicht geplant. Vielmehr sitze ich 16 Uhr immer noch mit einem Buch auf der Couch, kann dem noch folgen und frage mich, wo das Fieber bleibt. 18 Uhr bekomme ich Hunger. Was soll ich denn jetzt essen? Ich habe nicht eingekauft, hatte ja fest mit Magen-Darm-Grippe gerechnet. Wer geht denn da einkaufen? Und im Kühlschrank liegt nur Hefe, Ziegenkäse, ein paar Nüsse von Weihnachten und Rosenkohl. Warum eigentlich nicht. Wenn die Magenschmerzen nicht von allein kommen, kann man ja nachhelfen. Rosenkohlpizza mit Nüssen und Ziegenkäse kann man ja mal probieren. Aber selbst dem hält mein Magen stand. Eine halbe Flasche Champagner hinterher. Nichts passiert. Nichts. Vielleicht ist der Bann gebrochen. Ich halte bis 24 Uhr aus, merke, dass ich in eine Gegend gezogen bin, in der nur ein einziger Mann eine einzelne armselige Rakete startet, und geh dann wieder auf die Couch. „Friends“ ist gar nicht so schlecht. Ich glaube ich hol mir in diesem Jahr die ganzen Staffeln, schau ein paar und hebe mir den Rest vorsichtshalber auf. Für nächstes Silvester. Falls die Welt doch nicht untergeht.

Der Titel ist gemopst bei Heinrich Böll