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24 November 2009

Nerven enden.



Gomorrha

Fehler werden einem, glaub ich, sein ganzes Leben lang nachgetragen. Angefangen bei der Mutti, die sich heute noch in regelmäßigen Abständen dafür schämt, dass man im zarten Alter von 4 Jahren fremde Frauen auf ihre zu große Oberweite hingewiesen hat, bis hin zu der Tatsache, dass man immer die Zahnpastatube offen liegen lässt. Das hat aber dann ein Gutes, wenn man dadurch lernt, sich selbst immer und immer und immer wieder auf seine eigenen Fehler hinzuweisen. Bei mir ist das insoweit nötig, als das ich mir ständig klar machen muss: „Achtung!Mit eigener Dummheit(=Fehler)/Ungeschicktheit(=Fehler)/Offenheit(=situationsbedingter Fehler) rechnen!“ Deswegen steht das jetzt auch auf einem neongelben Post-it der auf meinem Neocortex klebt. Damit ich ihn nicht vergesse. Wenn ich jetzt also einen Wasserkocher sehe, meldet der sich direkt mit der Nachricht: “Vorsicht! Wasser ist heiß, wenn’s rote Lämpchen gerade ausgegangen ist! NICHT ÜBER HÄNDE KIPPEN! Besonders nicht über EIGENE!“ Kluges System! Verhindert, dass ich wieder für zwei Wochen ohne Haut an den Händen durch die Straßen laufen muss. Ohne Verbände versteht sich, weil die sind ja was für Mädchen. Bei mir hingegen soll jeder sehen, dass mir das nichts ausmacht. Das System verhindert auch, dass ich erneut ohne Wimpern, Augenbrauen und Damenbart bin. Weil, jetzt bekomm ich die Meldung „Heißes Öl und brennendes Gas - dat passt nicht!“ Ganz und gar nicht nämlich. Eher ein Hölleninferno, was dann auf einen zukommt. Und wenn ich mich an das System halte, steigt die Zahl derer, die sich beim Essen nicht mehr mit mir in der Öffentlichkeit zeigen vielleicht auch nicht mehr stetig. Denn wenn ich mich dran halte, vielleicht benehme ich mich dann irgendwann nicht mehr wie eine Fünfjährige ohne Koordinationsfähigkeit. Denn das schaff ich momentan immer wieder. Statt meine Pizza zu schneiden, landet meine Gabel zwei Meter weiter auf des Tischnachbars Teller. Statt das Wasser zu trinken, was ich mir bestellt hab, werfe ich es dergestalt auf meinem Teller, dass sich auf diesem nur noch das Wasser mit drei Nudel und Scherben befindet und dass, was auf dem Teller sein sollte, sich in einer roten Pfütze auf meiner Hose ergießt. Das ist bisher also noch meine größte Schwäche. Aber ich gebe mir Mühe. Ich bin schon soweit gekommen, bevor ich eine Pizza aus dem Ofen hole, zu überlegen, ob sie nicht vielleicht heiß sein kann, damit ich mich nicht wieder erschrecke und diese an die Wand haue. Die Flecken gehen nämlich nicht so leicht weg. Lassen sich eigentlich nur übermalern. Mit dicken Schichten Farbe, über die sich der Vermieter dann beim Auszug wundert.
Worauf ich aber hinauswollte ist, dass selbst wenn man nicht durch andere oder sich selbst an seine Fehler erinnert wird, diese nicht in Vergessenheit geraten. Vielmehr kommt es erst Recht dann dicke. Dafür sorgt Kommissar Zufall. Der dich dann nicht auf die sanfte Tour, sondern eher mit dem Vorschlaghammer darauf hinweist, dass da mal was war. Und dann sitzt er neben dir. Dein dicker Fehler. Und er schimpft und meckert und flucht, weil man ihn vergessen hat. Er ist gekränkt. Und man kann es ihm nicht verübeln, hat man sich doch solch eine Mühe gegeben, sich nicht mehr an ihn zu erinnern. Trösten will man ihn dennoch nicht. Das soll dann doch eine andere übernehmen. Dann kann er in zehn Jahren bei ihr sitzen und jammern, dass sie ihn vergessen hat. Eigentlich traurig, wenn man so ein kleiner Fehler ist.

Titel: Gomorrha- Reise in das Reich der Camorra
Autor: Roberto Saviano
Verlag: dtv
Preis: € 9,90

19 November 2009

tütelü...



Nachsendung

Heut schimpf ich nicht über die Post. Heut hab ich nur gutes zu sagen. Normalerweise nöl ich ja nur, denn wenn woanders Arbeit gespart wird, heißt das, die bleibt an mir hängen. Aber diesmal nützt mir die Faulheit der anderen tatsächlich. Denn die Post hat mir den Brief mit den vielen, vielen Briefmarken tatsächlich zugeschickt. Und nicht nur das. Nein. Sie hat nicht eine einzige Briefmarke abgestempelt. Also, neue Adresse draufkleben, wiederverwenden und Geld sparen! Wunderbar. Das gleiche wird dann noch mit nem kleinen Brief probiert. Ich will ja keinen anstiften, aber rein theoretisch müsste das ja klappen…

13 November 2009

therapeutisches Helferlein

Gegenleben

Mein Leben im Narrativ
Oh du bist also Kunststudentin. Aha. Und du hast hier das sagen. Aha. Na ich glaubs nicht. Da freut man sich, dass man eine Industrieruine gefunden hat, für die man in anderen Städten 12 Euro Eintritt zahlen müsste. So eine richtig schön große, mit ganz viel schiefen Wänden, wehenden ollen, zerissenen Gardinen, zerschlissenem Sofa- alles was da Fotografenherz begehrt. Und dann wollt ihr mir erzählen, ich darf hier nich rein, weil ihr hier Kunst macht? Ohh….ihr haut Müll auf einen Haufen und das vor einer verlassenen Fabrik. Mensch, das is ja mal was neues! In mich hineinfluchend lass ich mich also vom Grundstück manövrieren und mir am Eingangstor zeigen, dass hier doch ein Fahrradschloss hängt. Das absolute Zeichen, dass mir der Eintritt versagt ist. Aha.

Mein Leben im Imperativ
Ich sollte mir das nicht gefallen lassen. Nicht einfach so klein beigeben. Ich sollte den Menschen und dem was sie fabrizieren zeigen was ich von ihnen halte. Nicht auf die brutale Tour. Sondern eher weibisch. Von hinten durch die Brust ins Auge eben.

Mein Leben im Voluntativ
Jetzt zum Beispiel. Ich würd jetzt gern was völlig Unerwartetes tun. Am allerallerliebsten hätte ich jetzt selbst gern ein Fahrradschloss zur Hand. Und wofür? Ich würde gern sehen, wie es eurem Fahrradschloss Gesellschaft leistet. Und dann, wie ihr aus der Wäsche guckt, wenn ihr merkt, dass ihr in eurem Kompetenzbereich eingeschlossen seid. Ich mein das gar nicht bösartig, ich versteh euch nur nicht. Ich mein, seid ihr nicht immer die ersten die laut schreien, wenn es um Kritik an der Gesellschaft geht, um Konsumterror, soziale Kälte und zu hohe Versicherungsbeiträge. Aber dann bekommt ihr mal nen Funken Verantwortung und schlagt mit voller Härte zu. Spielt euch auf. Interessant. Gibt mir zu denken. Aber könnt ihr ja nix für. Schwimmt nur mit dem Strom, wenn er denn mal in eurer Richtung fließt. Und gepiesackt wird ja immer. Von daher:

Mein Leben im Indikativ
Ich kann auch piesacken. Wenn das Maß voll ist. Und es gibt da den ein oder anderen, der das bisher geschafft hat. Ganz, ganz weit vorn steht bei mir da die GEZ. Mal abgesehen von den regelmäßigen Briefen wird mein Alltag auch mit Forderungen erhellt, Gebühren für Anschlüsse in Wohnungen zu zahlen, die ich nicht mal betreten hab. Und dann kommt da eine Mahnung. Und noch eine. Und noch eine. Da dachte ich mir, es wäre doch schön, wenn die GEZ auch mal Post von mir bekommt. Ist ja schade um die Antwortbriefumschläge, die sie immer mitsenden. Wenn sie schon das Porto zahlen, dann sollen sie auch was von haben. Find ich. Is nur fair. Und so bekommen die Mitarbeiter jetzt immer niedliche Briefchen. Zum Beispiel prall gefüllt mit buntem Konfetti zur Feier der hundertsten Anschreibung ihrereits. Oder was ich auch schön finde, sind so kleine Lebensweisheiten wie:“ "So viel Geld lässt sich, weiß Gott, nicht mit etwas Gutem verdienen.“ Der Schiller hats gewusst. Gern mach ich mir aber auch die Mühe mich in einer ruhigen Stunde hinzusetzen, die Stellenangebote aus der Zeitung auszuschneiden um die dann mal mitzuschicken. Auf Dauer kann die Arbeit ja keinen Spaß machen.
Die Post hat sich inzwischen auch sehr beliebt gemacht. Nicht nur das sie mittlerweile eigentlich völlig überflüssig ist, weil meine Pakete nie bei mir landen, sonder immer in Packstationen am Ende der Stadt, nein. Aufgrund verkürzter Öffnungszeiten, die sich mit meinen Arbeitszeiten überschneiden, bin ich immer öfter genötigt Briefmarken am Automaten zu ziehen. Und die kennen ja kein Wechselgeld. Jedenfalls nicht in Geld. Da gibt’s nur Marken. Es stapeln sich mittlerweile nun an die hundert ein Cent- Briefmarken, weil ich 45 Cent selten passend habe. Na gut, dann benutz ich die jetzt. Und wenn, dann auch richtig. Mein letzter zu versendender A4- Brief ist folglich bestückt mit 65 ein-Cent-Briefmarken und einer 80- Cent-Briefmarke (ja da passen nämlich nicht mal hundert von den Dingern drauf) aufgegeben wurden. Und ich muss zugeben, der Test soll der stempelnden Postfrau ja nicht nur den Tag versüßen, sondern auch mich freuen. Deswegen ging der Brief auch direkt an mich. Man muss ja sehen, ob´s klappt.

Als Dritter bisher im Bunde ist der gute Wettervogel. Jeden Morgen dasselbe mit den bunten Westen, schlechten Witzen und Wortklabautereien. Aber das Wetter das stimmt nie. Mit dem nächsten Gehaltscheck kauf ich mir ein Tiefdruckgebiet. Denn ich möchte ihn zu gern sehen, wie er mittels Isobarenkarte erklärt wie Tief Achmadinidschad von Osten her nach Deutschland einfällt!

Mein Leben im Debitiv
Notwendig wäre meines Erachtens nach nur noch etwas für die deutsche Bahn. So sehr ich mir da auch Mühe gebe, mir fällt nichts ein. Jedenfalls nichts legales. Ich bin also für gute Ideen zu haben!

Titel: Gegenleben
Autor: Phillip Roth
Verlag: rororo
Preis: € 9,90