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11 November 2010

Oben leuchten die Sterne


„Schönen guten Tag! Ich hätte gern ein Sturmfeuerzeug. Haben Sie sowas hier?“
„Sicher. Wofür brauchst dus denn? Zum Bong rauchen?“
„Nein, mir reichts tatsächlich, wenn es beim Sturm auch angeht.“
„Hm. Na aber zum Bong rauchen, da sind die auch immer gut!“
„Brauch ich wie gesagt nicht!“
„Ja, aber wenn, es wär perfekt!“
Auf solche Gespräche muss mann sich einlassen. Für mich, damit ich meine Wünsche erfüllt bekomm. Und wofür brauch ich das Feuerzeug? Zum Bong rauchen nicht. Soviel steht fest. Das Feuerzeug hat seine Geschichte. Und die geht so.
In schlaflosen Nächten gehen andere zocken, lernen eine Sprache oder planen Reisen, um sie dann auf Eis zu legen. Da mir aber die Nächte leidtun, wenn sie nicht zur Ruhe kommen, geselle ich mich zu Ihnen und begebe mich auf die Suche nach Ideen. Da das Internet voll davon ist, nehm ich mir den Läppi mit zur Wärmflasche ins Bett und hoffe, dass uns sein Neonlicht genauso müde macht, wie sonst auf Arbeit. Aber er ist wie ein kleines, bockiges Kind: er macht immer genau das, was er gerade nicht soll. Im Gegenteil. Er zeigt mir Sachen, die mich in den Bann ziehen und so munter machen, als hätte ich eine Packung Dextrose gegessen. Er füttert mich mit Informationen über Wunderkerzen, Bubiwagenreifen, Hula-Hoops, Kanalisationen und Ufos. Das alles will ich nun auch. Zumindest vor dem Sensor. Also kratze ich am nächsten Morgen als erstes mein Taschengeld zusammen und kaufe alle Wunderkerzen der Stadt. Dann warte ich brav, dass es dunkel wird. Dank der Zeitumstellung, die ich dieses Jahr wirklich mal mitbekommen hab, geht das schnell. Dann stell ich mich auf einen Berg, der schönen Aussicht wegen, und versuche meine Wunderkerze anzubekommen. Was mir wahrscheinlich jeder halbwegs kluge Mensch hätte sagen können, merke ich erst jetzt: auf einem Berg ist es verdammt windig. Supermarktfeuerzeuge nutzen hier so viel wie ein Stück Holz. Ich versteh das da oben schon, aber glauben will ich es nicht. Ich dreh lieber solang, bis das Feuerzeug den Geist aufgibt und ich es auf dessen schwache Brust schieben kann, dass ich unverrichteter Dinge wieder von dannen ziehen muss. Ein Sturmfeuerzeug muss also her. Und weil man einmal dabei ist, wird auch der Rest besorgt. Nicht kleckern, glotzen. Dann wieder auf die Dunkelheit warten. Der Berg soll mich nicht klein bekommen. Mich nicht! An der Fußgängerampel trifft man zwei gackernde Mädchen. „Wir sind schon zwei Nudeln, laufen hier mit ner Riesenpackung Eiersalat durch die Stadt. Mitten im Winter. Wiiiieeeee peeeiiiinlich!“ Gut, da komm ich mir veralbert vor, weil ich steh daneben und sehe folgendermaßen aus: Schwarze Schuhe, Hose, Jacke, Handschuh, Mütze und Sonnenbrille, um die Hüften eine blaue Lichterkette (die äußerst praktisch ist, wenn einem der Schlüssel aus der Hand gefallen ist), einen Reiserucksack auf dem Rücken, und ein Rad an einem Stock, welches ich hinter mir her ziehe. Immer den Berg hinauf. Die Lichterkette scheint einen interessant zu machen. Nicht in der Art: mal gucken was passiert, sondern eher: Meine Güte, was das denn für eine Irre. Angesprochen wird man nicht (außer vielleicht von der Polizei) aber verfolgt (auch gern von der Polizei), was man macht. Jetzt muss man mutig sein und drauflos zaubern. Das Feuerzeug tut heut seinen Dienst und ich freu mich wie ein Kind. Eine brennende Wunderkerze! Yeah! Die kann ich jetzt wie bekloppt hin und her schwenken. Ich weiß, was rauskommen soll. Um mich herum aber keiner. Was doof ist. Die Gesichter der Zuschauer werden zunehmend länger und verständnisloser. Das Klatschen nimmt ab. Spätestens jetzt bin ich als absolut dämlich abgestempelt und die Leute wechseln die Straßenseite. Der Einzige, der sich jetzt noch her traut ist ein kleiner Dackel und widerwillig dessen Herrchen. Vielleicht ist das doch nicht der richtige Ort. Am Fuß des Berges merke ich, dass man mich auch von hier prima gesehen hat. Das ist so eine Sache mit Perspektiven. Klasse. Ich such mir lieber ein dunkles und einsames Plätzchen. Eins mit Zaun drum rum. Eins, das abgeschlossen und dreimal verriegelt ist. Eins, wo ich hüpfen kriechen und probieren kann und mir lediglich ein Fuchs zu schaut! Und eins wollt ich schon lange mal wieder sagen: Unten leuchten wir!

Titel: Oben leuchten die Sterne
Autor: André Kubiczek

2 Kommentare:

Henne hat gesagt…

Das kommt mir in Teilen irgendwie bekannt vor? Das Feuerzeug ist aber wie geschaffen für Shisha-Kohle. Ohne Scheiß ;-)

seleneos hat gesagt…

kann ich nicht beurteilen, aber für meine Zwecke funktioniert es auch ganz wunderbar! ;-)

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