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05 Juli 2013

Die Reise nach Süden



 Seit ein paar Wochen bin ich wieder zurück und habe lange nichts mehr geschrieben. Dabei gibt es noch viel zu erzählen. Dass mir aber, aufgrund meiner Freude mit Verachtung und Spott begegnet wurde, hat mir im Magen gelegen. Verachtung, dass ich überhaupt in „ein solches Land“ gereist bin und Spott, dass ich mich als weiße Europäerin auch noch wohl fühlte. Ob ich ruhigen Gewissens meine Cola in einer Gesellschaft voller sozialer Ungleichheit trinken könnte. Und ob ich nicht sehen wolle, wie es dem Land ginge.
Erstaunlicherweise kam dies von ebenfalls weißen Europäern. In Europa. Und um denen zu antworten: Nein das kann ich nicht. Natürlich bin ich mir bewusst, dass mein Einkommen dem fünffachen des durchschnittlichen Monatseinkommens hier entspricht. Und dass ich, während ich in Deutschland noch mitleidige Blicke einfange, da ich damit immer noch kein gutes Einkommen gesichert habe, ich hier leben kann wie die Made im Speck. Sodass es mir problemlos möglich ist, jedes Wochenende ein Auto zu einem Preis zu mieten, der mir in Deutschland einen Kleinwagen für eine Stunde zur Verfügung stellen würde. Sodass ich mir einen Surflehrer leisten kann, der allein für mich jede Woche zwei Stunden im Wasser friert. Sodass ich einmal die Woche essen gehen kann, wobei das Essen so wenig kostet, dass ich mich erst einigermaßen gut fühle, wenn ich 30 Prozent Trinkgeld gegeben habe. Das ist und klingt alles sehr dekadent. Keine Frage. Es würde hier aber niemandem besser gehen, wenn ich mich zu Hause vor einen neuen Plasmafernseher setze und über die schlimmen Zustände „da unten“ schimpfe. Es würde vielleicht helfen, wenn ich auf den einen oder anderen neuen technischen Schnick Schnack verzichte und damit die Abertausenden Minen für Gold und seltene Erden, die man bei einem Flug über das Land deutlich sehen kann, wenigstens soweit entlasten kann, dass die Kinder ihrer Schulpflicht auch nachkommen können. Vielleicht würde es helfen, wenn ich mich nicht über meine Mango zu 40 Cent aus dem Discounter freue und stattdessen hin und wieder das fair trade Siegel suche, ohne mir vorzumachen, dass ich dafür dann doch irgendwie zu wenig verdiene. Vielleicht, vielleicht. Ich weiß nicht, ob es helfen kann. Ich versuche es zumindest. Und ich kann noch eines erzählen. Nämlich, dass jeder „dort unten“ froh war wenn man sich mit ihm unterhalten und ihm erzählt hat, dass die soziale Ungerechtigkeit schockierend ist. Denn sie wollen, dass man es sieht und mit nach Hause nimmt. Denn obwohl uns das allen eigentlich bewusst sein sollte, scheinen wir irgendwie nur gut im „mal drüber reden“ zu sein.
Und zur zweiten Frage: Doch, das sehe ich. Ich sehe aber noch etwas anderes. Ein Land, das wie eine Perle am südlichsten Zipfel liegt und viel mehr Touristen verdient hätte. Touristen, die Geld ins Land bringen und ihren Freunden dann zeigen, dass es hier mehr zu sehen gibt als getrenntes Schwarz und Weiß, HIV und Arbeitslosigkeit. Zum Beispiel Erlebnisse, die an so etwas wie unberührte Natur erinnern, wenn man sich früh morgens beim Sonnenaufgang mit einer Horde Paviane um den besten Fotoplatz prügeln muss und dabei den Kürzeren zieht. Wenn man aus dieser Begegnung lernt und beim nächsten Mal, wenn sich Paviane, Strauße, Kudus oder Büffel auf der Landstraße vor einem tummeln, doch lieber niemanden mehr drängt. Oder wenn man sich gemeinsam mit ein paar betrunkenen Guides, einem Kajak und einem Paddel bewaffnet in die Fluten wirft und in eine Flussmündung gondelt, die sich durch die Anwesenheit tausender Fledermäuse, scharfkantiger Klippen sowie Haien und Rochen neben einem sowie der Möglichkeit auszeichnet sich einmal wie ein Stuntman zu fühlen und von den Felsen in den Fluss zu springen. Oder wenn man in einem Boot auf dem Ozean sitzt und wie aus dem Nichts Hunderte Delfine auftauchen die für einen die Sektkorken knallen lassen. Oder wenn man sich auf einer Wanderung durch Sanddünen den stärksten Muskelkater des Lebens holt und bei einer Wanderung durch steinige und als difficult und mit Totenköpfen ausgezeichneten Küstengebieten auf ein hart gekochtes Ei als Belohnung freut. Oder wenn man auf 1300 Metern auf einem ungesichertem Felsvorsprung steht und das Nichts hört. Oder wenn man von einem Gewitter überrascht wird, das derart heftig ist, dass im ganzen Viertel der Strom ausfällt. Oder wenn man in einer Hütte übernachtet, die von der nächsten Stadt 70 km entfernt ist, sodass man nachts gar nicht schlafen will, weil einem der Glitzer am Himmel überwältigt. Wenn man einfach keinen Abschied nehmen will und sich verspricht, nichts von dem für sich zu behalten.

Der Titel ist gemopst bei Bernhard Schlink

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