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25 März 2013

klare Wasser


16 März 2013

Der fliegende Koffer



Ich dachte ich werde nervös, wenn ich beim Arzt sitze und mir eine Impfung nach der nächsten in den Arm jagen lasse. Eine gegen Leberschnupfen, eine gegen Hepatitis B, eine gegen Zeckenbisse. Stattdessen bekomme ich unerwartet ein paar Tage frei, da mein Immunsystem mit der vollen Ladung überfordert ist und die Führung auf die Couch übernimmt. Das nimmt mir ein paar Tage ab, an denen ich mich fragen könnte, ob das eigentlich alles gut überlegt war, als ich entschieden habe, den Arbeitsplatz zu verlegen. Oder ob aus einer Schnapsidee langsam eine Realität wird, die irgendwie unpassend erscheint. Unpassend, weil ich Flugangst habe, enge Räume eher weniger mag und kurzzeitig katatonisch werde, wenn ich jemandem auf Englisch erklären soll, wie der Colaautomat funktioniert. Aber gegen Flugangst kann man sich behandeln lassen, in engen Räumen kann man sich Platz verschaffen und die englische Sprache – nun ja, man kann sie improven.
Ich dachte ich werde nervös, wenn ich ein halbes Leben in einen Koffer stopfen muss, den ich dann auch selber tragen können soll. Stattdessen bestelle ich den Sperrmüll und sortier aus. Warum kleckern, wenn man glotzen kann. Ganze Schränke und Tische kommen raus. Damit es aufgeräumter ist, wenn ich wieder nach Hause komme. Und was wichtig ist und mit muss, ist eigentlich sowieso klar. Die liebsten Kameras, das standfesteste Stativ und die flutschigsten Stricknadeln.
Ich dachte ich werde nervös, wenn ich meinen Büroschlüssel abgebe und Instruktionen zum Blumengießen gebe. Stattdessen freue ich mich über eine sinnvolle Untervermietung meines Wasserkochers und einen Arbeitsplatz mit Sicht auf den Indischen Ozean. Der digitale Aktenordner wird gepackt und in die Hosentasche gesteckt sowie Blumensamen mit hohem Kraftaufwand im noch gefrorenen Erdboden versengt.
Ich dachte ich werde nervös, wenn ich im Flugzeug sitze und mich von Luftlöchern durchschütteln lasse. Stattdessen wäge ich ab, welche Umstiegserfahrung skurriler war: die Nutzung eines Zuges, um möglichst zügig von Gate zu Gate zu kommen oder das Rennen mit 25 Kilo auf dem Rücken zunächst zum Gepäckband und dann zur Sicherheitskontrolle, damit ich dann, ohne Schuhe an den Füßen und mit dem Gürtel noch in der Hand, mit rutschender Hose zum letzten Flugaufruf komme.
Ich dachte, ich werde nervös, wenn ich merke, dass ich in der ersten Nacht vergessen habe, die Wohnungstür zu zumachen. Stattdessen schlafe ich wie ein Stein und wache am nächsten Morgen mit dem Meeresrauschen vor der Tür auf, trinke Kaffee bei 25 Grad auf dem Balkon und beobachte Grashüpfer von der Größe meiner Faust. Alles ist in Ordnung. Ich bin zufrieden. Ich bin da. Südafrika.

Titel ist gemopst bei Hans Christian Andersen

07 Januar 2013

trau dich doch.


02 Januar 2013

Eine unbeliebte Frau


In meinem Auge muss gerade eine Ader geplatzt sein. Ich weiß das. Das passiert immer, wenn ich meinen Ärger unterdrücke und in mich rein presse. Eine ganze Weile geht das gut. Wie bei einem Kürbis, den man zu Halloween vor die Tür stellt und dann bis Weihnachten vergisst. Der sieht auch noch eine ganze Weile schick aus, platzt aber irgendwann doch auf, weil er das ganze Wasser nicht mehr halten kann. Ich wurde aber nicht vor der Tür vergessen. Ich stehe in einem, sagen wir etwas edlerem Laden, mit zwei-Euro-Flip Flops, zerbeulter Leinenhose und ausgewaschenem T-Shirt bekleidet an der Kasse und fühle mich fehl am Platz. Die Kassiererin denkt das auch, habe ich so das Gefühl. Denn vor zehn Minuten stand ich schon mal hier. Da hatte sie mich weggeschickt. Aber ich habe eine Mission. Und die muss ich erfüllen. Sie lautet: „Schatz, kannst du bitte meinen Anzug abholen?“ Klar kann ich das. Reingehen, Bestellzettel abgeben, bezahlen, Anzug mitnehmen, rausgehen. Sollte doch drin sein. Reingehen ging auch prima. Da hatte ich keine Probleme, hat alles gut geklappt. Die Tür ging auf, ich bin ohne Stolpern durchgegangen und stand dann drin. Beim Bestellzettel aber wurde es bereits schwierig. Für die Kassiererin. „Das geht so nicht, das können se nicht bei mir abholen. Da müssen sie erst in die Schneiderei. In der dritten Etage. Ich kann ihnen da nicht weiterhelfen.“ hat sie gesagt. Gut, das hab ich dann auch gemacht. Ich bin mit meinem Bestellzettel in die dritte Etage, hab mich dort in die Schlange gestellt und der netten Schneiderin nach zehn Minuten warten gesagt, dass ich gern den Anzug gegen den Bestellzettel hätte. Sie nimmt mir den Bestelltzettel immerhin kurz ab und reicht ihn mir nach einem Blick darauf zurück. „Das können se hier nicht abholen. Da müssen se erst zur Kasse in der ersten Etage und den Anzug bezahlen.“ Aha. Das ist ja toll. Und wie erklär ich der Kassierin, dass ich was bezahlen will, was mir keiner geben kann? Kein Problem, sie schickt mir den Anzug mit der Hauspost runter, sagt die Schneiderin. Na gut. Dann lauf ich wieder runter und stell mich wieder in die Schlange von der hilfreichen Kassiererin. Warum eigentlich hast du das gemacht, fragt mich mein pochendes Auge jetzt? Das hätteste doch alles vermeiden können, hättest du dich nebenan angestellt, wirft es mir vor. Recht hats ja, nützt mir jetzt aber auch nichts mehr. Nun hab ich mir folgendes Gespräch schon aufgeladen:
„Hallo ich würde es gern noch mal probieren, diesen Anzug abzuholen, der hier auf dem Abholschein steht.“
„Ich hab Ihnen doch aber eben schon erklärt, dass sie das bei mir nicht können. Gehen Sie bitte noch mal in die Schneiderei und holen ihn dort ab!“
„Nee nee, die in der Schneiderei haben mich hergeschickt, damit ich den Anzug erstmal bezahle.“
„Ach so. Na das hätte ich Ihnen auch gleich sagen können, dass Sie den Anzug erst bezahlen müssen, bevor sie den mitnehmen können.“
„Aha. Schön. Und warum haben Sie das nicht getan?“
„Na ich hab das auf Ihrem Zettel schon gesehen, dass der noch nicht bezahlt ist. Da war mir gleich klar, dass Sie den nicht bekommen.“
„Ja toll. Da hatten Sie ja jetzt einen schönen Spaß. Kann ich den Anzug dann jetzt bitte bezahlen, mitnehmen und gehen?“
„Ja könnten Sie. Wenn auf ihrem Bestellzettel ein Preis stehen würde. Tut es aber nicht. Sie müssen mir den anderen Zettel geben.“
„Welchen anderen Zettel?“
Jetzt kommt eine nützliche Antwort: „Na den anderen Zettel!“
„Ich hab keinen anderen Zettel!“
„Müssen Sie aber!“
„Hab ich aber nicht bekommen!“
Jetzt kommt eine höfliche Antwort: „Also junge Dame, wenn Sie das nächste mal für Ihre Mutti einen Anzug bei uns abholen, müssen Sie sich von Ihr ALLE Zettel geben lassen, die sie von uns bekommen hat!“ sagt sie und schaut mich noch mal von oben bis unten und wieder zurück an, um mir zu verdeutlichen, wie wenig ich hier rein passe.
„Ähm… was.. Wie Bitte?“ stammel ich, von soviel Unerschrockenheit überrumpelt.
„Alle Zettel. Haben Sie das nicht verstanden?“
„Zettel, ja doch, ich weiß was ein Zettel ist. Klein, weiß, meistens aus Papier und ab und an steht da auch was drauf. Praktische Dinger. Und als ich hier den Anzug ausgesucht habe, gabs nur einen davon. Also sind sie wohl jetzt ganz auf sich gestellt und müssen rausfinden, was der Anzug kostet.“
„Ja herrlich! Jetzt muss ich zum Computer laufen und die Nummer eingeben. Und das, wo so viele hinter Ihnen warten, die auch an die Reihe kommen wollen!“ Ja tatsächlich, da hat sich mittlerweile eine kleine Menschentraube angesammelt. Frauen und Männer um die vierzig mit Marco Polo Shirts, oder was man sonst so heute zum Golfen trägt. Alle starren mich an. Am liebsten möchte ich ihnen erklären, das weder ich noch meine Mutti was dafür können, dass diese Frau hier gerade ihre Nerven verliert. Das Kopfschütteln und „tsstss“ der Damen und Herren, werde ich damit aber kaum übertönen können. Is ja gleich vorbei, die Frau hämmert die Nummer schon in ihren PC. Gleich bin ich weg. Und prompt kommt die Kassiererin und hat eine super Frage parat:
„So, ich hab den Preis jetzt gefunden. Ganz schön teuer der Anzug, hat Ihnen Ihre Mutti das gesagt? Haben Sie soviel Geld überhaupt dabei?“
„Ich glaub mein Schwein pfeift! Was bitte? Ob ich soviel Geld dabei habe?“ frag ich, leg ihr den weißen Umschlag auf den Tisch und überlege, ob ich ihn nicht hätte werfen sollen. Da kommt die Schneiderin mit dem Anzug, da die Hauspost heute nich funktioniert, erkennt sofort die Lage und legt mir ihre Hand auf die Schulter: „Nehmen Sie das hier nicht zu Ernst, das ist unsere Art Spaß zu machen!“ Super denk ich, brummel noch weiter Flüche in mich hinein, als ich mit einem 1m x70cm großen Einkaufsbeutel davon trotte und bis nach Hause Werbung für diesen Laden laufe. Dort angekommen seh ich im Internet, dass sogar online ein Formular zur Verfügung gestellt wurde, mit dem man sich über die Behandlung beschweren kann. Immerhin was. Aber das rauskommen aus dem Laden, das ging dann wieder gut, wollte ich noch sagen. Tür ging auf und so.

Der Titel ist gemopst bei Nele Neuhaus

19 August 2012

ins Wasser gehen



17 Juli 2012

Darum

Mir ist so langweilig, deswegen erzähl ich jetzt was. Egal ob es von Interesse ist oder nicht. Aber ich fand das schon dreist. Ich war nämlich letztens bei der Post. Ich wollte was verschicken. Und das Gespräch lief so:

Ich möchte gern was verschicken, sag ich und reiche mein sorgsam eingepacktes und verklebtes Papppäckchen über die Theke. Das geht nicht, sagt sie. Wieso, will ich wissen. Das Paket ist zu klein. Wie zu klein. Na zu klein eben, sowas nehmen wir nicht an. Sie diskriminieren Pakete wegen ihrer Größe? Ist das nicht ein bisschen rassistisch? Haha, sehr lustig. Das Paket nehm ich deswegen trotzdem nicht an. Aber warum denn, ich hab das gleiche Paket doch erst letzte Woche bekommen. Kann nicht sein. Kann wohl sein, hier unten ist sogar noch der Aufkleber von euch drauf. Guck. (Sie guckt.) Das heißt gar nichts, das Paket nehm ich trotzdem nicht an. Aber das müssen sie mir erklären, warum das einmal geht und ein anderes Mal nicht. Muss ich nicht, das Paket ist zu klein, ich nehms nicht an, basta. Das heißt jetzt? Das heißt jetzt dass Sie nach Hause gehen und ihr klitzekleines Päckchen in ein ordentliches Paket packen, das mindestens 11 cm mal 15 cm groß ist. Hmpf. Gut, ich geh nach Hause und pack das klitzekleine Päckchen erstmal nicht um. Ich versuch erstmal die nächsten drei Tage erneut mein Glück. Dummerweise sitzt jeden Tag wieder “Sie“ am Schalter und das Gespräch findet dreimal hintereinander erneut statt. Bis heute weiß ich nicht, warum andere Menschen kleine Päckchen verschicken dürfen, ich aber nicht. Es muss an der Strumpfhose liegen. Was weiß ich. Letztlich geh ich doch nach Hause und packe mein Päckchen in ein Paket. Ein richtig schöne großes, das viel verspricht aber letztlich eine ganze Samstagzeitung zum „Stopfen“ verputzt hat. Erneut wage ich mein Glück und renne mit meinem Paket stolz zur Post. Jetzt hab ich ja alles richtig gemacht. Das Gespräch hingegen verläuft so:
Ich möchte gern was wegschicken. Päckchen oder Paket? (Hä?) Ähm, na was günstiger ist. Dann Päckchen (wird grummelig gemurmelt). Okay und das kostet? 4,20. Aha, na … äh … Moment … (ich krame wie wild in meiner Handtasche rum).. ah ..jetzt (ich hole selbstbewusst einen Briefumschlag mit meiner Briefmarkensammlung heraus).. ich bezahl dann mit Marken. Aha, mit Marken. Prima, jetzt hab ich das Geld aber schon eingebongt. Ja, aber ich hab doch extra die Marken mitgebracht. Dann verwenden Sie die eben für ihr nächstes Päckchen. Aber meine Marken… (Die Dame wird wütend) Hach, na gut, dann bezahlen Sie eben mit ihren Marken. (Sie bongt zurück) Ich sag ihnen aber gleich (sagt Sie), hier gehen in letzter Zeit immer mal Päckchen verloren (Sollte man das so laut sagen?) und ich versteh nicht, warum alle nur das Päckchen bezahlen. Als Paket, da wärs wenigstens versichert. Also wirklich, wenn das verloren geht, da hamse überhaupt nüscht von… Ich verstehs nicht. (Gut, denk ich mir, tuste ihr den Gefallen) Na gut, sie ham ja recht. Dan nehm ich halt doch das Paket. Was macht das dann? Das Kost zwei Euro mehr. Gut, dann kleben wir eben zwei Euro mehr in Briefmarken drauf. Nee nee nee, junge Frau, bei nem Paket, da könnense nur mit Geld bezahlen. Nicht mit Briefmarken, das geht da nicht. Und das geht das nicht weil? Das ist eben so, wir machen das nicht. Wieso? Darum! Weil das nicht geht. Aha, kompetente Antwort. (Ich krame meinen Geldbeutel raus) Tja, das ist jetzt dumm, aber ich hab nur fünf Euro in der Tasche. Das kann ich dann wohl nicht bezahlen. Können wir dann doch wieder Päckchen für 4,20 machen? Was? Nochmal wechseln, also Sie müssen sich schon entscheiden was Sie wollen. Nicht so ein Hick Hack. Nein, ich bong jetzt nicht nochmal zurück. Außerdem hab ich den Paketaufkleber schon drauf geklebt. Sehense? (Sie zeigt mir stolz ihren Paketaufkleber). Ja, aber gilt der nicht auch für Päckchen? Ich hab jetzt aber schon Paket eingebongt. Entschuldigung, aber so kommen wir nicht weiter. Ich hab nur 5 Euro mit, dafür aber Massen an Briefmarken und möchte das Paket/Päckchen jetzt hier und heute verschicken. Ja, das geht aber nicht. Ich werde das Paket jedenfalls nicht verschicken. Das wird jetzt schön hier neben mir liegen bleiben, bis Sie das bezahlt haben. Ist das jetzt ihr Ernst? Natürlich ist das mein Ernst, ich schicke doch kein Paket ab, was nicht bezahlt ist. Um das an dieser Stelle abzubrechen, ich bin dann nach Hause geradelt, hab Geld geholt und das Paket bezahlt. Dreist fand ich das aber schon. Aber noch nicht ganz so dreist, wie das, was ich drei Tage später bei der Deutschen Bahn erlebt habe. Und das war so):

Ich habe ein Ticket gebucht. Da ich in den Genuss gekommen bin wieder ein Semesterticket zu haben, brauchte ich die Buchung nur für die letzte halbe Strecke nach Hause. Den Rest habe ich, so sehe ich es jedenfalls, mit meinem Semesterbeitrag von 340 € bezahlt. Um nach Hause zu kommen muss ich in der Regel drei Mal umsteigen. Zurzeit aber fünf Mal, da auf der Strecke gebaut wird und Züge willkürlich ausfallen. Den ersten Anschlusszug verpasse ich. Warum? Mein ankommender Zug und mein abfahrender Zug stehen heute „außerplanmäßig“ auf demselben Gleis. Misslich daran ist, dass mein Anschlusszug vor dem Zug da ist, in dem ich noch drin sitze. Also höre ich nur die Durchsage: “Sehr geehrte Fahrgäste, das das Gleis belegt ist, müssen wir vor dem Bahnhof warten, bis der Anschlusszug das Gleis verlassen hat“. Aha, das ist ja toll. Der Zug ist also weg, ich stehe am Bahnhof und muss lesen, dass der nächste in einer Stunde fährt. Und ich muss registrieren, dass ich ein zuggebundenes Ticket habe und mit dem Zug in einer Stunde gar nicht fahren darf. Das jedenfalls brüllt mir die Tante am Informationsschalter ins Gesicht, denn es sei ja meine eigene Schuld, wenn ich eine Umsteigezeit von weniger als acht Minuten einplane. Das ginge an diesem Bahnhof nämlich nicht. An anderen schon, hier aber nicht. Wenn ich demnächst also nichts zu tun habe, lerne ich auswendig, an welchen Bahnhöfen ich wie viel Umsteigezeit einplanen darf, um dann nicht die Dumme zu sein. Ich wandere von der Information zum Servicecenter, in der Hoffnung dort auf bessere Nachrichten zu stoßen. Hier darf ich erst mal wie im Amt eine Nummer ziehen und es sind nur 17 Leute vor mir dran. Das Warten kostet mich 40 Minuten Zeit. 20 Minuten noch, dann fährt der nächste Zug. Toll so am Bahnhof, wo es die Leute nur in den seltensten Fällen mal eilig haben. Aber gut, jetzt bin ich ja dran und der Herr am Schalter lächelt schon so freundlich. Kein Wunder, er hatte ja gerade Mittagspause, hat sein Brot bequem am Schalter vertilgt und den vielen gestressten Leuten in aller Ruhe zugeguckt. Ich versuch dennoch mein Glück: Ich würde gern mein Ticket umtauschen. Aha, sie wollen also ihr Ticket umtauschen. Ja das wär großartig. Hier das Ticket meine ich (ich zeig es ihm). Gerade eben (eine Untertreibung) habe ich nämlich meinen Zug verpasst. Hm (sagt er), das ist schlecht. Was ist schlecht? Na ihr Ticket, Sie haben erst ab hier gebucht. Das Sie den Zug verpasst haben ist quasi ihre eigene Schuld. Was, wieso denn? Was kann ich denn dafür, dass der Anschlusszug weg ist? Na dafür können Sie natürlich nichts, aber eben dafür dass Sie erst ab hier gebucht haben. Das hätten Sie nicht machen dürfen. Was? Ich bin doch die Strecke vorher nicht schwarzgefahren. Ich hab das doch bezahlt. Ja, aber leider ist der konkrete Vertrag erst ab hier geschlossen. (Erzählt der mir hier jetzt was von einem konkreten Vertrag? Soll ich dem mal was von 7.000 Bahn Bonuspunkten auf meinem Konto und von betriebswirtschaftlicher Kundenbindung erzählen?). Das ist mir auch klar (wirklich, rein rechtlich und so, durchaus nachvollziehbar, leider), aber ich dachte da lässt sich dennoch was machen. Nö, lässt sich nicht. Warum denn nicht? Darum! Vertrag ist Vertrag. Ja super, kann ich das Ticket wenigstens anrechnen lassen? Sicher. Moment ich rechne das mal für Sie aus. (Er tippt auf der Tastatur … Einfingersystem … tipp … tipp … tipp … es druckt … er nimmt das ausgedruckte Papier.. liest es … faltet es … wirft es weg … Und tippt … tippt … tippt … tippt … Druckt … liest … Faltet … wirft weg.. und tippt.. und tippt … und tippt … und druckt … und liest..) Also junge Dame, das würde dann 37, 50 € machen. (Ich schlucke, lache, verschlucke mich). Ähm, das Ticket, das ich jetzt in der Hand halte, hat 33 € gekostet. Wie kann eine Anrechnung jetzt teurer sein? Ja also … ganz einfach … Sie müssen die Differenz zahlen, zum Ticket. Und dann natürlich die Bearbeitungsgebühr. Das sind dann noch mal 15 Euro. Ganz klar. Schönen Dank. Soviel zum Thema Sparpreis mit der Deutschen Bahn.

Der Titel ist gemopst bei Daniel Glattauer

20 Juni 2012

deine Haut ist dein schönster Schmuck

Komm, ich erzähl dir eine Geschichte

Ich freue mich. Ehrlich, ich freue mich. Da bekomme ich eine Nachricht, dass es schade sei, dass es nix mehr Neues von mir zu lesen gäbe. Und dabei dacht ich, das des hier eh kaum wer liest. Außer einem selbst und ab und an der Muddi. Jetzt bin ich aber motiviert. Und würd gern was Dolles schreiben. So einen richtigen Schenkelklopfer mit roten Beinen danach. Aber hier passiert ja nüscht. Außer das man frühs in den Zug steigt, zur Arbeit fährt, man es sich immer noch nicht abgewöhnt hat bei einer liegen gebliebenen Reisetasche kuhl zu blieben, sich auf der Arbeit dann über allerhand ärgert, man wieder in den Zug steigt, zurück fährt und nach Hause kommt. Und was über Arbeit erzählen? Na ich weiß ja nicht. So ein Gejammer will ja keiner hören. Und wenn ich erzähle, dass hier zwei Kicker rumstehen, was sollen da die Leute denken? Dass ich auf hohem Niveau jammere. Und viel schlimmer: dass ich es jetzt ja langsam mal können müsste. Spielen ohne die Stangen durchdrehen zu lassen. Nix da, da erzähl ich lieber wieder was von dem, was ich ab jetzt liebevoll die Heimat nennen werde. Denn da war ich tatsächlich mal wieder. In der lieben Heimat. Und die liebe Heimat, die lässt einem nicht im Stich. Die hat immer noch einen Schwank in der Hinterhand. Ein schöner wäre der: Wir feiern. Zu feiern gibt es eigentlich immer was. Ich kann mich aber nicht mehr erinnern. Da sind nur noch ein paar Erinnerungen an: grauen Tofu im Glas, Grillfunken auf der Nase, zuckersüßen selbst gemachten Erdbeersirup mit Blubber und Gin. Denn das war so. Ich hab das letzte Mal Gin getrunken, da war ich gerade volljährig. Ist also schon eine Weile her. Den gabs dann auch mit Tonic und natürlich in irgendeiner hippen Kneipe. Und weil die so hipp war und die Zeit zum Geld scheffeln nutzen wollte, bis eine neue hippe Kneipe nebenan aufmacht und alle wie verrückt dahin rennen, da haben die gemacht, was jeder täte: 80% Tonic, 10 % Gin und den Rest haben die Eiswürfel gemacht. Dann noch ein dicker Strohhalm und lächerliche Schirmchen dran und schon sahs aus wie ein alkoholisches Getränk. Zu Hause allerdings, da braucht man keine Gewinnmarge. Da gibt es auch keine 0,2 l Gläser. Und es sieht ja auch nur aus wie Wasser. Kein Thema. Gib mir zehn Minuten. Sagt sie und schafft sonst kein Glas Wein. Aber es soll sich zeigen, dass es doch was Gutes hatte. Aus den zehn Minuten ist zwar eine dreiviertel Stunde geworden und aus mir eine kleine Haubitze, aber hatten nicht alle großen Künstler die besten Ideen im Rauschzustand? Seht ihr, so ging es mir auch. Außer das ich kein großer Künstler bin, eine mittelmäßige Idee hatte und die auch noch vorbereitet war. Ich hatte nämlich am Nachmittag gelernt, was Löten ist, und hatte Freude wie Butzi dabei. Dann hab ich im Schrank noch Rundfeilen gefunden, und ganz viel Holz und Schalter und ganz viele Lampen. Herrlich. Und dieses Etwas, was da zusammengeschraubt wurde, das wollte ich jetzt ausprobieren. Also die Haubitze in mir. Jetzt mitten in der Nacht und natürlich nur auf einer bestimmten Landstraße. Das geht nämlich nur an der Stelle. Die kenn ich gut, da hab ich mir mit 9 Jahren mal ein Loch in den Kopf gehauen. Die musses sein. Da isses auch schön dunkel. Gut. Da die Haubitze eh keine Ruhe gibt, so ziemlich alle ihre Ruhe haben wollen und nur einer den ganzen Abend nur Wasser getrunken hat wird’s auch so gemacht. Das blinkende Ungetüm wird in den Kofferraum gefrachtet und der Haubitze nachgegeben. Ja und jetzt komm ich zu dem, auf das ich schon die ganze Zeit raus will. Wir stehen dann also so auf der Landstraße, an der nicht ein Lichtlein brennt und auch kein Auto lang fährt. Es ist ein bisschen klipperkalt. Aber die Lichter am Ungetüm blinken ganz fleißig, während ich sie auf der Straße hin und her schiebe, an und aus mache, sie nach oben und nach unten halte. Und das fällt auch anderen auf. Denn irgendwann stehen zwei verdammt große Männer hinter mir. Aber die kommen nicht ran. Nö nö ... die scharren mit den Füßen im Fahrbahnranddreck und trauen sich nicht vorbei. Das machen sie nicht routiniert, als wüssten sie, was sie da tun. Nö, die sind nicht nur groß, sondern auch leicht voll. Und reden in einer Sprache, die ich zwar zwei Semester gelernt habe, in der ich aber nur verstehe, wenn mir jemand sagt, dass er nichts versteht. Das machen sie so zehn Minuten, in denen man leicht nervös wird. Und dann setzen Sie sich doch in Bewegung. Und während ich am rechten Fahrbahnrand immer noch mit meinen Lichtern rumtanze, gehen sie ganz links auf die Seite und sagen dann so laut es nur ging einen Satz: „Nach Mist, ich haben Geld vergessen, nix mehr haben jetzt, nix zu holen.“ In dem Moment werden mir ein paar Sachen klar. Erstens, das sind Russen. Zweitens, 30 Meter entfernt stehen ein paar Lauben, die da früher, als ich noch das Loch im Kopf hatte, noch nicht standen. Glaube ich. Drittens, die hatten Schiss, dass ich mit meinen Lichtern bekloppt genug bin und versuche denen das Geld abzunehmen. Irre, die Russen sind lustig. Und gar nicht das Klischee, was man hier so kennt. Ja da fällt mir doch was von hier ein. Da hab ich nämlich mein Rad verkaufen wollen und setze eine Anzeige ins Netz. Mit Bild und Kaufpreis und allem Pipapo. Zehn Minuten dauerts, bis ich Post von Iwan bekomme, der mir die Hälfte meines Preises anbietet und mir eine Frist setzt, mich bei Interesse zu melden. Auch schön. Aber, und da fällt mir noch eine letzte Sache ein, wenn ich Anzeigen erwähne. Ich denke nämlich ich habe noch nie, auch nicht in diversen Ökozeitschriften, eine Anzeige gelesen, bei der ich mir mehr gewünscht habe, dass so eine bitte nie an mich gerichtet ist. Gefunden habe ich sie in der Rubrik: Diverses. Und das war der Text (die Ausrufezeichen habe ich hinzugefügt, um jeglichen Männern die das lesen sollten, zu zeigen, was sie bitte bitte nie machen sollen): „Liebe Gerda, alles Gute nachträglich (!) zu deinem 50igsten (!!) Geburtstag, wünscht dir dein Mann (!!!)“. Wie kann man eine Frau mit nur einem Satz so verletzen?

Der Titel ist gemopst bei Jorge Bucay