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03 November 2009

Opfer der Telefonitis. Die Zweite.

Sitzung. Man ist trotz des halben Jahres, das man hier Mädchen für alles spielt, immer noch nervös und möchte wenn möglich nicht auffallen. Gerade deswegen sollte es, ganz genau wie im Kino, auch vor solchen Besprechungen eine Leinwand geben, die von der Decke fährt. Das Licht sollte sich dämmen, zwei Schauspieler vor die Kamera treten und irgendwas Witziges erzählen mit der Moral: Handy aus! Passiert aber nicht. Weswegen das Handy noch an ist. Rrriiinnnnng! Da geht sie an die Melodie von Knight Rider. Oh man das is meins. Ich weiß es ganz genau. Die Musik hat sonst keiner hier. Und das weiß jetzt auch jeder. Rrrriiiinng!!Rriiiiinng!! Oh man, wie peinlich ist dass denn? Und alle gucken einen ganz ermahnend an. RRRRrriiiingg!! RRrrriiiinng!!Rriiiiinng!! Ok, so tun, als ob nichts wär, Handy schnappen und raus rennen. Und wehe das is nichts Wichtiges! „
Ja, hallo?“ (leicht gereizt)
„Ja, schönen guten Morgen. Hier ist ARTE. Wir wollten nur mal schnell anrufen und bescheid geben, dass das Interview mit Sido morgen steht. Wir hoffen da geht alles in Ordnung?“
Einen Moment überlegen und abwägen. Will ich das? Sido treffen? Eigentlich nicht. Aber so tun als ob ich bei Arte arbeite und den Sido dann sitzen lassen, das wäre auch mal arg witzig. Glaub ich. Außerdem, was will Arte mit Sido?
„Entschuldigung, ich versteh sie ganz schlecht. Mit wem sprech ich?“
„Mit ARTE. Und sie sind der Beyer?“
Mist. Stimmt, da hängt ja jemandes Job dran. Aber wenn der so wichtig ist, vielleicht sollt ich die Gelegenheit nutzen und noch schnell die Änderung meiner Kontodaten durchgeben. Wenn man ein guter Mensch ist, kann man das nicht machen.
„Nein tut mir leid, aber da müssen sie sich verwählt haben. Hier ist jemand ganz anderes.“ „Oh Entschuldigung, dann aber trotzdem danke.“
Schön. Und ich muss jetzt mit hochrotem Kopf zurück in die Sitzung und mich von fragenden Blicken quälen lassen. “Was war denn da so wichtig?“
Rrriiinng!
„Ja?“
„Ja, schönen guten Morgen. Hier ist ARTE. Wir wollten….“
„Nein tut mir leid, ich bin immer noch nicht der Beyer geworden.“
„Hm..ups. Na da muss hier mit der Nummer was schief gelaufen sein. Tschuldigung!“
Na wenigstens hat da jetzt noch jemand nen hochroten Kopf.

Zwei Tage später. Geburtstagsfeier, gemütlich beim Kaffee. Und wieder fehlt die große Leinwand. RRRRRiiiiinnnnng!!! Man, wieso ist man immer der Einzige, der vergisst, sein Telefon wenigstens auf lautlos zu stellen?
„Ja hallo?"
„Ja hallo ebenfalls. Hier ist ARTE, Straßburg. Sagen sie mal, wegen dem Interview mit Sido…“ (französicher Akzent kann von mir leider nicht in Lautsprache übersetzt werden) „Ähm, bevor sie weiterreden, aber irgendwas muss da bei Ihnen wirklich schiefgelaufen sein, was die Telefonnummer ihrer Mitarbeiter anbelangt ...“
Oh man, der armer Beyer. Ich hoffe, der hat sein wichtiges Interview nicht verpasst, nur wegen nem Zahlendreher. Aber Sidos Gesicht, das war dann sicher wirklich witzig. So wichtig wie er, und dann von Arte versetzt!

Titel: Opfer der Telefonitis
Autor: Charles Bukowski

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