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08 April 2013

Der Weg zum Himmel



Elf, sechsundzwanzig, vierunddreißig, einhundertvierzig. Die Maße einer Autobahnfahrt. Übersetzt heißt das: elf liegen gebliebene Autos, sechsundzwanzig Anhalter, vierunddreißig Spaziergänger am Straßenrand und das auf einhundertvierzig Kilometer Autobahn. Die Schlaglöcher vom Umfang eines guten Palatschinken und einer Tiefe des dazu passenden Nutellaglases habe ich mal nicht mitgezählt. Auto fahren ist hier, nun sagen wir mal, ein Abenteuer. Zunächst hat man ja eigentlich nur Respekt vor dem Linksverkehr, wenn man in ein Auto steigt. Und ja, man kann sich bemühen wie man will, das ein oder andere Mal landet man im Gegenverkehr. Was aber nicht weiter schlimm ist. Unsereins bekommt zwar kurz einen Herzschlag, hier scheinen Verkehrsverstöße aber nicht nur verzeihlich, sondern vereinzelt auch erwünscht zu sein. Das entnehme ich zum Beispiel den zwei Polizisten im Wagen neben mir, die mich freundlich aber bestimmt bitten, mich doch über die rote Ampel zu bewegen, wenn niemand anderes kommt. Das entnehme ich auch den drei Autofahrern vor mir, die es schaffen auf einer einspurigen Landstraße zu dritt nebeneinander zu fahren, weil der Überholende für den diesen Überholenden immer noch zu langsam ist. Es fährt hier also alles ein bisschen nach Bauchgefühl. Und das obwohl oder gerade, weil an den Straßenrändern eine wahre Schilderflut herrscht, die manchmal einsehbar ist, manchmal aber auch nicht. Werden Schilder vorerst nicht mehr gebraucht, hängt man einfach Säcke drüber. Gut, das tuts auch. Wirklich wichtig sind sowieso nur drei Arten von Schildern. Erstens, Schilder mit den Geboten Gottes. Zweitens, Schilder mit Telefonnummern, die anzurufen sind, wenn man in den nächsten Kilometern eine Kuh überfährt. Und drittens, Parkverbotsschilder auf einspurigen Autobahnbrücken. Solange man sich daran hält, ist alles gut. Dann muss man sich eigentlich nur noch an die elf, sechsundzwanzig und vierunddreißig gewöhnen, die hier wie selbstverständlich zum Autobahnverkehr gehören. Auf so einer Art Allrounderspur von zwei Metern Breite, genannt Shoulder, auf der linken Seite. Die ist mal da und mal nicht und dient den Fußgängern und Trampern aber auch dem Überholvorgang, Parken und Liegenbleiben. Was wiederum jedes Überholen als sehr spannend gestaltet. Jedes Mal blinkt die Frage des eigentlich typisch deutsch Überversicherten im Kopf: Reifenversicherung, check. Glasversicherung, check. Unfallversicherung, was ist mit der Unfallversicherung? Großartig. Aber es lohnt sich. An die schönsten Stellen kommt man nur, wenn man bereit ist, ein paar hundert Kilometer ohne Pinkelpause hinter sich zu bringen, das Reifenwechseln drauf hat und man am Ende seinen gemieteten Wagen vertrauensvoll in die Hände betrunkener Parkplatzwächter legt. Und sonst.. nun ja, statt der überfahrenen Füchse liegen hier überfahrene Affen auf der Straße. Aber im Übrigen ist eigentlich alles gleich. Vor allem die Radiomusik.

Der Titel ist gemopst bei Roald Dahl

29 März 2013

and then there was a little thunderstorm


Gut gegen Nordwind



Alles scheint hier ein bisschen extremer zu sein. Das Essen schmeckt süßer, das Wetter ist unberechenbarer und die Menschen sind gelassener. Das meiste davon gefällt mir. Und alles davon mache ich mit. Es hat nur ein paar Momente gedauert, bis ich Schokolade mit 50% Kakaoanteil als Bitterschokolade akzeptiert habe, bis ich mit einem tiefen Grinsen sowohl Sonnenmilch mit Lichtschutzfaktor 40 als auch einen dicken Pulli in den Rucksack gepackt habe und bis ich entschieden habe, dass es auch hier ein Fahrrad sein muss. Auch wenn es sehr schwierig war, an ein Fahrrad zu kommen, liebe ich es nun durch Sandstürme, an Buschfeuern vorbei oder an der Küste mit Sicht auf springende Delfinen zur Uni zu fahren und dabei so gut wie immer den Geruch von kaltem, salzigen Wasser in der Nase zu haben. Natürlich, die Menschen möchten einen gerne anfassen, weil man eine Rarität ist. Nicht wegen der Hautfarbe, sondern wegen des pinken Rades unterm Hintern. So was schafft man sich nur an, wenn man Extremsportler oder Lebensmüder ist. In der Regel sehe ich keinem von beiden ähnlich. Dem Lebensmüden nicht, weil ich mich mit Vorsicht lieber auf Fußwegen fortbewege, anstatt von plötzlich endendem zu plötzlich endenden Radwegen zu wechseln oder, Gott bewahre, mich auf die Straße traue. Den Extremsportler nimmt man mir auch nicht ab. Zum einen habe ich das der tiefen Zweifelsfalte auf der Stirn des Verkäufers entnommen, als ich versuchte zu erklären, dass ich die schicken Rennräder zwar prima finde, ich aber eher etwas Praktisches suche. Zum anderen konnte ich das der Bemerkung meines Surflehrers entnehmen, der mich liebevoll Couch-Potato genannt habe, als ich erzählt habe, dass ich auch ab und an Rad fahre. Dennoch gebe ich mein Bestes, das Rad und mich zu quälen, um so viel wie möglich mitzunehmen, von allem, was diese Ecke der Erde bietet. Denn so wie sich dieser bisher präsentiert hat, muss man in ihn Herz schließen und nicht mehr hergeben wollen. Wo sonst hat man ein Büro mit Blick auf Seen an denen Zebras grasen? Wo sonst sieht der Strand alle zehn Meter völlig neu aus? Wo sonst geht im ganzen Viertel das Licht aus, wenn sich ein Gewitter über das Meer in die Stadt unterwegs macht? Und wo sonst stellt sich dann ein kleines Mädchen an mein Bein, während ich mit der Kamera Blitze jage, und fragt völlig selbstverständlich: „What are you doing? I`m afraid!“ Wo sonst, stellt man sich wie der letzte Vollidiot an, wenn man sich dann doch mal in ein Auto setzt und registriert, das links fahren schwierig ist. Vor allem, weil man den Scheibenwischer und den Blinker ständig verwechselt und so für ein heiteres Vergnügen für zehn Kinder auf dem Truck vor einem sorgt? Wo sonst findet man Muscheln, die nicht in die Hosentasche passen? Ich weiß es nicht. Und momentan freue ich mich nur, auf die Monate die noch bleiben. 

Der Titel ist gemopst bei Daniel Glattauer

25 März 2013

klare Wasser


16 März 2013

Der fliegende Koffer



Ich dachte ich werde nervös, wenn ich beim Arzt sitze und mir eine Impfung nach der nächsten in den Arm jagen lasse. Eine gegen Leberschnupfen, eine gegen Hepatitis B, eine gegen Zeckenbisse. Stattdessen bekomme ich unerwartet ein paar Tage frei, da mein Immunsystem mit der vollen Ladung überfordert ist und die Führung auf die Couch übernimmt. Das nimmt mir ein paar Tage ab, an denen ich mich fragen könnte, ob das eigentlich alles gut überlegt war, als ich entschieden habe, den Arbeitsplatz zu verlegen. Oder ob aus einer Schnapsidee langsam eine Realität wird, die irgendwie unpassend erscheint. Unpassend, weil ich Flugangst habe, enge Räume eher weniger mag und kurzzeitig katatonisch werde, wenn ich jemandem auf Englisch erklären soll, wie der Colaautomat funktioniert. Aber gegen Flugangst kann man sich behandeln lassen, in engen Räumen kann man sich Platz verschaffen und die englische Sprache – nun ja, man kann sie improven.
Ich dachte ich werde nervös, wenn ich ein halbes Leben in einen Koffer stopfen muss, den ich dann auch selber tragen können soll. Stattdessen bestelle ich den Sperrmüll und sortier aus. Warum kleckern, wenn man glotzen kann. Ganze Schränke und Tische kommen raus. Damit es aufgeräumter ist, wenn ich wieder nach Hause komme. Und was wichtig ist und mit muss, ist eigentlich sowieso klar. Die liebsten Kameras, das standfesteste Stativ und die flutschigsten Stricknadeln.
Ich dachte ich werde nervös, wenn ich meinen Büroschlüssel abgebe und Instruktionen zum Blumengießen gebe. Stattdessen freue ich mich über eine sinnvolle Untervermietung meines Wasserkochers und einen Arbeitsplatz mit Sicht auf den Indischen Ozean. Der digitale Aktenordner wird gepackt und in die Hosentasche gesteckt sowie Blumensamen mit hohem Kraftaufwand im noch gefrorenen Erdboden versengt.
Ich dachte ich werde nervös, wenn ich im Flugzeug sitze und mich von Luftlöchern durchschütteln lasse. Stattdessen wäge ich ab, welche Umstiegserfahrung skurriler war: die Nutzung eines Zuges, um möglichst zügig von Gate zu Gate zu kommen oder das Rennen mit 25 Kilo auf dem Rücken zunächst zum Gepäckband und dann zur Sicherheitskontrolle, damit ich dann, ohne Schuhe an den Füßen und mit dem Gürtel noch in der Hand, mit rutschender Hose zum letzten Flugaufruf komme.
Ich dachte, ich werde nervös, wenn ich merke, dass ich in der ersten Nacht vergessen habe, die Wohnungstür zu zumachen. Stattdessen schlafe ich wie ein Stein und wache am nächsten Morgen mit dem Meeresrauschen vor der Tür auf, trinke Kaffee bei 25 Grad auf dem Balkon und beobachte Grashüpfer von der Größe meiner Faust. Alles ist in Ordnung. Ich bin zufrieden. Ich bin da. Südafrika.

Titel ist gemopst bei Hans Christian Andersen

07 Januar 2013

trau dich doch.


02 Januar 2013

Eine unbeliebte Frau


In meinem Auge muss gerade eine Ader geplatzt sein. Ich weiß das. Das passiert immer, wenn ich meinen Ärger unterdrücke und in mich rein presse. Eine ganze Weile geht das gut. Wie bei einem Kürbis, den man zu Halloween vor die Tür stellt und dann bis Weihnachten vergisst. Der sieht auch noch eine ganze Weile schick aus, platzt aber irgendwann doch auf, weil er das ganze Wasser nicht mehr halten kann. Ich wurde aber nicht vor der Tür vergessen. Ich stehe in einem, sagen wir etwas edlerem Laden, mit zwei-Euro-Flip Flops, zerbeulter Leinenhose und ausgewaschenem T-Shirt bekleidet an der Kasse und fühle mich fehl am Platz. Die Kassiererin denkt das auch, habe ich so das Gefühl. Denn vor zehn Minuten stand ich schon mal hier. Da hatte sie mich weggeschickt. Aber ich habe eine Mission. Und die muss ich erfüllen. Sie lautet: „Schatz, kannst du bitte meinen Anzug abholen?“ Klar kann ich das. Reingehen, Bestellzettel abgeben, bezahlen, Anzug mitnehmen, rausgehen. Sollte doch drin sein. Reingehen ging auch prima. Da hatte ich keine Probleme, hat alles gut geklappt. Die Tür ging auf, ich bin ohne Stolpern durchgegangen und stand dann drin. Beim Bestellzettel aber wurde es bereits schwierig. Für die Kassiererin. „Das geht so nicht, das können se nicht bei mir abholen. Da müssen sie erst in die Schneiderei. In der dritten Etage. Ich kann ihnen da nicht weiterhelfen.“ hat sie gesagt. Gut, das hab ich dann auch gemacht. Ich bin mit meinem Bestellzettel in die dritte Etage, hab mich dort in die Schlange gestellt und der netten Schneiderin nach zehn Minuten warten gesagt, dass ich gern den Anzug gegen den Bestellzettel hätte. Sie nimmt mir den Bestelltzettel immerhin kurz ab und reicht ihn mir nach einem Blick darauf zurück. „Das können se hier nicht abholen. Da müssen se erst zur Kasse in der ersten Etage und den Anzug bezahlen.“ Aha. Das ist ja toll. Und wie erklär ich der Kassierin, dass ich was bezahlen will, was mir keiner geben kann? Kein Problem, sie schickt mir den Anzug mit der Hauspost runter, sagt die Schneiderin. Na gut. Dann lauf ich wieder runter und stell mich wieder in die Schlange von der hilfreichen Kassiererin. Warum eigentlich hast du das gemacht, fragt mich mein pochendes Auge jetzt? Das hätteste doch alles vermeiden können, hättest du dich nebenan angestellt, wirft es mir vor. Recht hats ja, nützt mir jetzt aber auch nichts mehr. Nun hab ich mir folgendes Gespräch schon aufgeladen:
„Hallo ich würde es gern noch mal probieren, diesen Anzug abzuholen, der hier auf dem Abholschein steht.“
„Ich hab Ihnen doch aber eben schon erklärt, dass sie das bei mir nicht können. Gehen Sie bitte noch mal in die Schneiderei und holen ihn dort ab!“
„Nee nee, die in der Schneiderei haben mich hergeschickt, damit ich den Anzug erstmal bezahle.“
„Ach so. Na das hätte ich Ihnen auch gleich sagen können, dass Sie den Anzug erst bezahlen müssen, bevor sie den mitnehmen können.“
„Aha. Schön. Und warum haben Sie das nicht getan?“
„Na ich hab das auf Ihrem Zettel schon gesehen, dass der noch nicht bezahlt ist. Da war mir gleich klar, dass Sie den nicht bekommen.“
„Ja toll. Da hatten Sie ja jetzt einen schönen Spaß. Kann ich den Anzug dann jetzt bitte bezahlen, mitnehmen und gehen?“
„Ja könnten Sie. Wenn auf ihrem Bestellzettel ein Preis stehen würde. Tut es aber nicht. Sie müssen mir den anderen Zettel geben.“
„Welchen anderen Zettel?“
Jetzt kommt eine nützliche Antwort: „Na den anderen Zettel!“
„Ich hab keinen anderen Zettel!“
„Müssen Sie aber!“
„Hab ich aber nicht bekommen!“
Jetzt kommt eine höfliche Antwort: „Also junge Dame, wenn Sie das nächste mal für Ihre Mutti einen Anzug bei uns abholen, müssen Sie sich von Ihr ALLE Zettel geben lassen, die sie von uns bekommen hat!“ sagt sie und schaut mich noch mal von oben bis unten und wieder zurück an, um mir zu verdeutlichen, wie wenig ich hier rein passe.
„Ähm… was.. Wie Bitte?“ stammel ich, von soviel Unerschrockenheit überrumpelt.
„Alle Zettel. Haben Sie das nicht verstanden?“
„Zettel, ja doch, ich weiß was ein Zettel ist. Klein, weiß, meistens aus Papier und ab und an steht da auch was drauf. Praktische Dinger. Und als ich hier den Anzug ausgesucht habe, gabs nur einen davon. Also sind sie wohl jetzt ganz auf sich gestellt und müssen rausfinden, was der Anzug kostet.“
„Ja herrlich! Jetzt muss ich zum Computer laufen und die Nummer eingeben. Und das, wo so viele hinter Ihnen warten, die auch an die Reihe kommen wollen!“ Ja tatsächlich, da hat sich mittlerweile eine kleine Menschentraube angesammelt. Frauen und Männer um die vierzig mit Marco Polo Shirts, oder was man sonst so heute zum Golfen trägt. Alle starren mich an. Am liebsten möchte ich ihnen erklären, das weder ich noch meine Mutti was dafür können, dass diese Frau hier gerade ihre Nerven verliert. Das Kopfschütteln und „tsstss“ der Damen und Herren, werde ich damit aber kaum übertönen können. Is ja gleich vorbei, die Frau hämmert die Nummer schon in ihren PC. Gleich bin ich weg. Und prompt kommt die Kassiererin und hat eine super Frage parat:
„So, ich hab den Preis jetzt gefunden. Ganz schön teuer der Anzug, hat Ihnen Ihre Mutti das gesagt? Haben Sie soviel Geld überhaupt dabei?“
„Ich glaub mein Schwein pfeift! Was bitte? Ob ich soviel Geld dabei habe?“ frag ich, leg ihr den weißen Umschlag auf den Tisch und überlege, ob ich ihn nicht hätte werfen sollen. Da kommt die Schneiderin mit dem Anzug, da die Hauspost heute nich funktioniert, erkennt sofort die Lage und legt mir ihre Hand auf die Schulter: „Nehmen Sie das hier nicht zu Ernst, das ist unsere Art Spaß zu machen!“ Super denk ich, brummel noch weiter Flüche in mich hinein, als ich mit einem 1m x70cm großen Einkaufsbeutel davon trotte und bis nach Hause Werbung für diesen Laden laufe. Dort angekommen seh ich im Internet, dass sogar online ein Formular zur Verfügung gestellt wurde, mit dem man sich über die Behandlung beschweren kann. Immerhin was. Aber das rauskommen aus dem Laden, das ging dann wieder gut, wollte ich noch sagen. Tür ging auf und so.

Der Titel ist gemopst bei Nele Neuhaus

19 August 2012

ins Wasser gehen