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16 Februar 2009

Auf dem Jakobsweg

Wenn im Februar in Jena an jeder Ecke junge Menschen im Anzug oder Kostüm stehen, mit dicken Backsteinen unter den Armen und großen Sektflaschen im Anschlag, nem dicken Lachen im Gesicht und einen Trolli hinter sich herziehend, dann weiß man, es war Prüfungszeit. Aber ich fange von vorne an.

Mit Beginn der Studienzeit hört man von seinen Professoren, AG-Leitern und Fachschaftsräten so einiges. Zum Beispiel: „Seht nach links und rechts- die Kommilitonen werden zu Ende eures Studiums nichts mehr da sein. Bestehen werden hier nur 40 Prozent. Im Höchstfall!“ oder „Wer mehr als eine Stunde pro Tag seinem Studium widmen muss, ist hier falsch. Jura lernt man nicht, sondern man versteht es!“ Überheblicherweise denkt dann jeder „Mich kann er damit nicht meinen- ich war ja schon in der Schule gut!“. Und dann sieht man die Teilnehmerzahl in den Vorlesungen von Semester zu Semester schwinden. Wirklich Bammel macht einem aber die Aussage: „Ihr wisst schon, dass am Ende eures Studiums sechs Klausuren á 5 Stunden und eine mündliche Prüfung á fünf Stunden auf euch warten?“ Während ich denke, die schriftlichen Prüfungen schon irgendwie runterzureißen, bekomm ich Plaque, wenn ich an fünf Stunden Verhör denke. Ich male mir Horrorszenarien vom guten und bösen Prüfer aus, die mit dem Lichtkegel auf mich gerichtet mit Fragen auf mich einhämmern. Ich für meinen Teil hab mich schon in der Schule vor jedem Referat gedrückt. Immer schön ducken und beschäftigt tun. Wurde mir dennoch eins zugeteilt, hab ich das im Eiltempo hinter mich gebracht (ja ich war schon immer so und dennoch hat mich bisher jeder verstanden) oder habe mir die volle Punktzahl ohne das Vortragen abgeholt, weil „Ich weiß ja, dass du’s kannst!“ So kam es, dass ich in den 12 Jahren Schule nur 4 Referate halten musste. Dementsprechend gut war also meine Übung. Und dementsprechend hat mich der Hintergedanke von dem, was da noch kommen mag stets begleitet. Durch 5 Jahre Uni, die mit kleinen und großen Scheinen, Hausarbeiten, Praktika und dem unheimlichen Gefühl eine Zwischenprüfung erstmal bestehen zu müssen (ja, so war das bei uns noch), bespickt war. Wirklich fertig gemacht hat mich in der Zeit aber noch etwas anderes, was ich an dieser Stelle auch loswerden muss: die Kopierer. Den neben den Mädels die mich tatsächlich fragen ob wir solche hier haben (Was? Kopierer? An dieser Uni? Nein! Völlig ausgeschlossen!) frage ich mich vor allem, warum mir in der juristischen Teilbibliothek drei Kopierkarten geklaut wurden (kleines Know-how am Rande: Neben den Theologen sind es die Juristen, die Ihre Finger auch nicht bei Ihren Sachen lassen können, was die vielen Zeitschriften voller (oder in dem Falle leerer) rausgerissener Artikel beweisen!)? Warum ist meine vierte und bis dato letzte Kopierkarte alle zwei Wochen kaputt? Warum gibt es nur einen Münzkopierer und warum hat ausgerechnet nur der das weiße Papier um das sich aus mir unerfindlichen Gründen jeder Student kloppt? Warum sind von den fünf Kopierern pro Etage im Durchschnitt drei kaputt? Warum müssen Menschen die anscheinend dreihundertachtzig Seiten aus einem Hefter kopieren müssen, die Seiten einzeln einlegen (dafür gibt es ein Einzug, da sieht man, wer sich um die Bibliotheksführung gedrückt hat)? Warum, ja warum nur? Fragen, die ich mir bis heute nicht beantworten konnte.

Nachdem nun aber der schriftliche Teil bestanden war, und man feststellen musste, im mündlichen Teil vom letzen Dekan, „the voice“, geprüft zu werden, hat sich die jahrelange Angst komischerweise verflüchtigt. Ob es an der Erinnerung an ein Repetitorium bei ihm lag, bei dem ich nach einer falschen Antwort mit den Worten „So schaffen sie nie die mündliche Prüfung!“ entlassen wurde oder an der allgemeinen Feststellung, dass die Erlangung des Prädikates zu weit entfernt für mich ist, ist nicht geklärt. Denn, mit 9 Punkten im Examen hat man als Jurist so gut wie alles erreicht. Tür und Tor sind dann offen. Aber lediglich für 12 Prozent im Jahr. Und um es festzuhalten, auch ich zähle nicht dazu, denn da wir Juristen ein wenig kleinkariert sind, wie manche behaupten, bin ich mit 8,99 Punkten noch meilenweit vom Prädikat entfernt. Also nicht mal ein mangelhaftes Prädikat, wie ich es gern nennen würde. Wenigstens bin ich der etymologischen Bedeutung des Examens gerecht geworden- ein fehlendes Hundertstel ist das Zünglein an der Waage! Lustig ist das. Für mich aber ausreichend (nein, befriedigend) genug, um mittags mit einer Flasche Sekt im Blut vor Gericht zu stehen, die Backsteine von jemand anderem nach Hause tragen und sich im Anzug in das beste städtische Restaurant einladen zu lassen.

Titel: Auf dem Jakobsweg
Autor: Paulo Coelho
Verlag: detebe
Preis: € 8,90

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