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28 Februar 2009

Das Licht des Nordens

Teilzeit bin ich ein Groupie. Ich reise so ziemlich überall hin hinterher. Nach Berlin und sogar in die Slowakei. Nur Kaliningrad war mir bisher zu weit weg. Und nun sitz ich im Norden in Oldenburg. Und die Stadt ist bezaubernd. Die Straße, in der ich wohne, ist der Grenadierweg, gekreuzt einmal vom Artillerieweg und einmal vom Infanterieweg. Süß, was die sich hier für lustige Namen ausdenken, nicht? Auch sind die Menschen hier sehr herzlich. Fragt man auf der Straße einen sagen wir mal jungen Erwachsenen nach der nächsten Kaufhalle, bekommt man ein beherztes „Hä? Was für ein Ding?“ zurück. Ich weiß, mein Fehler. Ossibegriffe sind hier nicht bekannt. „Na einen Supermarkt. Gibt es hier so was?“ „Ach so. Ja da vorne um die nächste Ecke und dann links.“ „Danke!“ „Hm. Dafür nicht!“ Wieso dafür nicht? Wofür dann? Ist man dann im Supermarkt und hat sich mit seiner Packung Brot mal wieder an die Kasse angestellt, die am längsten dauert (ich weiß, alles nur Einbildung, aber ich könnt schwören, bei mir isses wirklich so!), merkt man, wenn man sich die Dame vor einem ansieht, dass es einem nicht alleine so geht. Nur dass diese noch weniger Geduld mitgebracht hat als man selbst. Denn der Azubi an der Kasse kommt mit der Tüte Tomaten des Käufers nicht klar und fragt die Kollegin, was er den machen muss, wenn der Scanner keinen Piep beim drüberziehen von sich gibt. „Ganz einfach. Den roten Knopf und dann Code 15 eingeben.“ Kommt rettend zur Antwort. Doch auch dieser Versuch scheitert beim Azubi. Schüchtern fragt er ein zweites Mal nach, doch die Dame vor mir kommt der Verkäuferin zu vor: „DEN ROTEN KNOPF UND DANN CODE 15. ES KANN DOCH NICHT SO SCHWER SEIN SO EIN PAAR TOMATEN ZU VERKAUFEN, MEINE GÜTE.“ Also alle überaus offen, ehrlich und gerade heraus hier oben und damit durchaus sympathisch. Was jetzt aber nicht dazu geführt hat, dass die Dame schneller an ihre Tomaten gekommen ist. Im Gegenteil, man hätte drauf kommen können, der Azubi ist jetzt noch fahriger als zuvor, aber wenigstens hat sie Dampf abgelassen. Das klingt jetzt alles ein wenig ironisch, ist aber überhaupt nicht so gemeint, denn mir gefällt es hier oben wirklich. Hier kann man hautnah erleben, was Föderalismus heißt, an der Ikeakasse sich selbst einmal abkassieren (ich wollte schon immer mal so ein Scannerdings (hat das eigentlich einen eigenen Namen?) haben), Pinguinen den Kopf streicheln und sich freuen, dass man kein Kind mehr ist (denn die zahlen im hiesigen Tierpark zwei Euro mehr Eintritt als Erwachsene), überall ankommen, wenn man den Stadtplan falsch herum umdreht, steinerne Riesenschildkröten füttern und merken, dass zwischen erfrieren und verbrühen oft nur ein Millimeter liegt. Und den heißt es im Wettlauf mit der Zeit zu finden. Man hat das Meer in unmittelbarer Nähe und lebt in einer Stadt voller Altachtundsechziger, die genauso an alles glauben, wo Öko draufsteht, wie man selbst. So ist direkt um die Ecke ein Markt, in dem ich zum ersten Mal Bio-Fünfminutenterrinen, Bio- Dosenraviolis und auch sonst das gesamte Demeter Warenprogramm auf einmal finden kann. Kommt die Sonne hier einmal zum Vorschein, dann blickt sie auf eine verwinkelte Stadt,in der Radfahrer einen höheren Stellenwert einnehmen als Autofahrer, auf ein Schloss mit Park, bei dem man sogar jede Wiese betreten kann, auf einen riesigen Botanischen Garten und einen Autobahnring, bei dem selbst Berlin neidisch werden muss. Das Einzige, was hier, wie aber auch sonst überall, stört, sind die Nachbarn. Hier sind das insbesondere Bernd und Thomas. Bernd und Thomas feiern heute, am Mittwoch, also mitten in der Woche Geburtstag. Und sie entschuldigen sich schon im Voraus dafür, falls man nach 22 Uhr noch Musik hören sollte. Ich frage mich, wer Bernd und Thomas sind. Bisher ein Mysterium, weil ich sie noch nicht gesehen hab. Da beide zusammen feiern, bleiben nur die Varianten, dass sie entweder ein Pärchen um die dreißig sind, die einfach einen ruhigen Abend mit zwei, drei Freunden verbringen wollen oder Studenten, die sich nur eine Wohnung teilen und denen es nichts ausmacht auch mal in der Woche die Sau raus zu lassen, da sie ja früh nicht rausmüssen. Da ich bis 22 Uhr noch keinen Ton aus der Wohnung unter mir vernehme, hoffe ich Ersteres. Da aber eine halbe Stunde später der CD-Spieler erst richtig aufgedreht wird, und Kelly Clarkson sowie Blink 182 (hui- die gibt’s also noch … wer hätte das gedacht?) daraus dröhnen, bestätigt sich Letzteres. Und bis zwei Uhr nachts hat das noch nicht aufgehört. Drängt sich mir die Frage auf, was für Studenten das sein mögen. Mathematik kann es nicht sein, da sie dann ja bis 22 zählen können sollten. Psychologie oder irgendwas auf Lehramt auch nicht, da sie dann Einfühlungsvermögen haben sollten. Da sie ihren Dreißigsten feiern, muss es irgendetwas sein, für das man lange braucht. Obwohl man hier alles lange studieren kann. So haben sich zu den hiesigen Wahlen zur Studentenvertretung zwei Kandidaten gefunden: Nummer eins im 28. Semester und Nummer zwei im 35. Semester! Nun, da ich jedenfalls bis auf eine nur Männerstimmen grölen höre, wird es wohl irgend so etwas wie Informatik oder Physik sein. Obwohl ich nicht wusste, dass die so feiern können. Da nun mein zaghafter Vorschlag doch mal die Polizei zu rufen, damit diese erklären können, was Ruhestörung ist, abgewiesen wird bleibt nur eins: Endstation Ohropax. Diese wurden in weiser Voraussicht (nicht meiner) gekauft. Ich mag sie nicht, denn meine Ohren sind viel zu klein für die Dinger, so das ich stets das Gefühl habe, der Wachsklumpen weitet meine Gehörgänge. Wär vielleicht nicht schlecht würde meine Mama jetzt sagen,tut aber höllisch weh. Zwei Stunden später ist die Sause unten langsam vorbei. Beendet wird sie mit einer lustigen Klingelbahn durchs Haus, die ich morgen früh im Halbstundentakt wohl auch mal wieder beleben und bei Bernd und Thomas durchführen werde, um dann wenigstens die 1, 60€ für die Ohropax zurück zu verlangen. Denn ich finde Schlaf sollte ein absolut geschütztes Recht sein. Fangen wir mit meinem an!

Titel: Das Licht des Nordens
Autor: Jennifer Donnelly
Verlag: PIPER
Preis: € 14


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