Search

Pages

12 April 2010

Eine exklusive Liebe


Zufriedenheit ist ein unterschätztes Wort. Wahrscheinlich, weil es nach Mittelmäßigkeit klingt, so ganz ohne Superlative. Man fängt sich mitleidende Blicke ein, wenn man sagt, dass einem das eigene Leben im Großen und Ganzen einfach zufrieden macht. Abschätzige Äußerungen. „Bis du einen Blick in die wahre Welt erhaschst!“ „Schade, dass du solche Gefühle nicht kennst, in deinem kleinbürgerlichen Leben!“ Und das meist von Menschen, die, wenn man es genau betrachtet, in hohem Maße selbstzufrieden sind. Ich bin aber wie gesagt, ganz zufrieden damit, zufrieden zu sein. Nicht nur so, dass die Unzufriedenheit einfach nicht da ist. Bewusst zufrieden.
Zufrieden mit leisen Momenten. Den Augen eines Pfaues. Weil sie auch im Trüben leuchten. Kreise eines fallenden Regentropfens. Weil in der Stadt, in der ich wohne kaum Wasserflächen sind, die die Kreise so wachsen lassen würden. Flammene Kehlen. Weil sie singen. Ein Sprung ins Ungewisse. Weil es ein freier Entschluss ist. Entenfüße. Weil sie überall sind. Fahrräder mit Rücktritt. Weil man ihn kaum braucht. Mutschekiebchen auf den Fingern. Weil ich eine Sprache spreche, die nicht jeder versteht. Mittagspause auf dem Asphalt einer Landstraße. Weil es möglich ist. Ausgetretene Schuhe. Weil sie zeigen, dass es voran geht. Flusslinien. Weil sie von oben so weich aussehen. Geografieunterricht. Weil für mich alles neu ist. Möwenkacke auf der Jacke. Weil sie altbekannt ist. Cappuccino am Hafen. Weil die Gerüche zusammengehören. Belegte Brote. Weil es keine Brötchen sind, sondern richtige 200g Brote. Ein Ort ohne Lichtverschmutzung. Weil ich so sehen kann, wie die Welt sich dreht. Krötenwanderungen. Weil sie einen anhalten lassen. Unbeleuchtete Feldwege. Weil sie einem das Gruseln lehren. Eisbären beim Schwimmen. Weil man nur Bruchteile mitbekommt. Spatzen. Und Möwen. Und Basstölpel, weil sie keine Angst vor einer großen Kamera im Gesicht haben. Dämme in der Nacht. Weil man sich die mit freilaufenden Kaninchen teilt. Und Freiheit. Gullideckel. Erde. Und Bewegung. Menschen in Bewegung. Quallen. Und Kanufahren. Ohne Steuermann. Eltern die Kinder aufklären. Olle Hotels, in denen die gesamte Einrichtung aus Wohnungsauflösungen zu stammen scheint. Käse mit Marmelade zum Frühstück. Busse, nur einmal die Stunde. Rucola. Flohmärkte. Und Zuckerwattewolken. Weil sie eigentlich nicht schmecken. Was mich aber unzufrieden macht, ist, wenn ich nach einer Fünfstundenzugfahrt nach Hause komme und immer noch die Kaffeetassen im Abwasch stehen, die von einem baldigen Aufbruch erzählen.

Titel: Eine exklusive Liebe
Autorin: Johanna Adorján
Verlag: Luchterhand
Preis: € 17,95

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen