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19 April 2010

Mein ist die Stunde der Nacht


Das mit dem Kaffee stimmt. Hier stehen zwei Isolierkannen deren Inhalt die die Amis sicher im SuperSizeMenü zum Frühstück runterkippen. Es dauert auch keine dreißig Minuten, bis beim Betätigen des Kunststoffverschlusses nur noch heiße Luft und ein armseliges Röcheln nach außen dringt. Und dann hat plötzlich keiner mehr Appetit auf Kaffee. Praktikanten gibt es hier nicht. Und ich kann mich rühmen, Kaffee nur dann genießbar hinzubekommen, wenn ich ne Siebdruckmaschine bedienen muss. Oder, noch simpler, Instantkaffee. Da verzieht jeder das Gesicht. Was ich nicht versteh, weil es sich geschmacklich mit dem hier sicher messen könnte. Ich sollte es auf einen Versuch ankommen lassen. Zeit hab ich ja.
Das mit den Donuts stimmt fast. Nur das Donuts hier die Reste von Ostern sind. Kleine gefüllt Crémeeier und leicht angelaufene Schokohasen. Da ich davon aber selber genug hatte, wären mir Donuts wesentlich lieber. Nichts Extravagantes, keine mit Vanillefüllung oder Erdbeerglasur. Der ganz Normale mit Schoko oben drauf würde es jetzt völlig tun. Scheiß auf die 300 Kalorien. Ostern ist ja vorbei.
Was definitiv nicht stimmt, ist, dass hier immer was los ist. Wäre das so, würde ich nicht seit vollen vier Stunden im Aufenthaltsraum sitzen und der grünen Mikrowellenuhr beim Blinken zu schauen. Ich muss schon sagen, das kann sie gut. Vier Stunden und immer im Takt. Glanzleistung. Da ich eher taktlos bin, weiß ich, wie schwer das ist. Aber da es komisch ausschaut, wenn ich vier Stunden die Mikrowelle anstarre, betreibe ich Konversation. Obwohl mir das Anstarren lieber wäre. Aber das Leben ist ja kein Wunschkonzert. Also. Wer sitzt mir hier gegenüber. Aha, eine Psychologin. Beziehungsweise, eine Studentin mit Vorwissen. Aber das ist ja das Gleiche. Irre. Und sie ist die Einzige, mit der sich, neben mir, auch keiner unterhält. Dementsprechend hält sie das wohl für eine Schicksalsgemeinschaft. Und je mehr ich interessiert nicke, desto klarer wird mir, warum sich der Tisch vorhin nach und nach gelehrt hat. Verdammt. Hätte ich nur zugehört. Dann hätte ich mich auch auf die Toilette verdrücken können. Na gut. Dann erzähl mir mal von den Babys, die du zur Zeit untersuchst. Babys. Na klar. Immer auf die Kleinen, nech? Ob Fremdenfeindlichkeit angeboren ist? Abweichungen in der Statistik. Panik in den Augen. Ach herrje. Sollte ich mal Mutter werden, achte ich darauf, dass das Erste, was ich kaufe, eine schwarze Puppe ist. Mit großer Nase und Krausehaar auf dem Kopf. Ich will mir nicht anhören, dass ich mein Kind zum Nazi erziehe. Nur muss ich da vorher noch umziehen. Wird in Kauf genommen. Gern. Trotzdem, ich muss jetzt echt langsam zum Klo (und mich dann zum Funk verdrücken). Am Funk ist das Interessanteste wieder die Uhr. Hier keine Digitale sondern noch analog. Aber auch die: immer im Takt. Was aus dem Funkgerät selber kommt, ist für mich nicht verständlich. Ein Code nach dem anderen. Und zwischendurch mal ein Straßenname. Dass da immer wieder die Gegend um meine Wohnung genannt wird, nehm ich wahr. Am Rande. Während ich gedanklich die auf dem Tisch liegenden Filzstifte nach Farbe sortiere. Von kalt nach warm. Bis halb zehn. Dann hat jemand erbarmen und nimmt mich mit. Auf Streife. Über die Michaelisstraße und den Domplatz zu den angrenzenden Käffern. Ich glaub, wir haben fünf Falschparker erwischt. Mannomann. Hier ist was los. Werden die sich wundern, wenn sie nächste Woche den Bescheid im Briefkasten finden. Ach naja, um ehrlich zu sein hatte ich mir mehr erwartet. Bissl Action halt. Aber, das Wetter is schuld. Wenn es regnet und kalt ist, bleiben die Kriminellen zu Hause. Super. Während also nur Beerdigungen stattfinden, wenn Bindfäden vom Himmel fallen, warten die Mörder auf Sonnenschein. Das höchste der Gefühle ist hier ein Unfall. Den bekomm ich noch, aber das arme Würstchen tut mir nur unendlich leid. Wohnt schon in einer beschissenen Gegend, in der eigentlich nur alte Skodas parken, und er rammt den einzigen A4 der weit und breit zu sehen ist. Aber hat soviel Anstand das zu melden. Und das kann ich auch nur raten. Nur dann entgeht man neben der kommenden Anzeige der Staatsanwaltschaft und dem by the way mit erlassenem Bußgeldbescheid. Soll ja belohnt werden. Soll nochmal wer sagen, man ist unmenschlich. Die Schicht geht noch bis sechs Uhr morgens. Um neun soll ich wieder auf Arbeit sein. Ich weiß nicht, gegen Mitternacht ist mir auf einmal nicht mehr so gut. Da in unserer großen Stadt jetzt auch nicht mehr allzu viele Straßenbahnen fahren, fährt mich die Streife nach Hause. Ein Schritt mehr zur Integration in die Nachbarschaft. Und mir wird noch deutlich gemacht, warum die Gegend am Funk so oft genannt wurde. Ist direkt nebenan doch das Clubhaus der momentan ansässigen, hm wie drück ich es aus, Buben, die ihr Geld vordergründig mit leicht bekleideten Damen, roten Blumen und langen Läufen machen. Ach so, sagt das doch gleich.

Titel: Mein ist die Stunde der Nacht
Autorin: Mary Higgins Clark
Verlag: Heyne
Preis: € 8,95

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Entnehme ich Deinen Zeilen eine gewisse Abwertung von Fahrzeugen tschechischer Herkunft *räusper*
Das merk ich mir.... :-p

seleneos hat gesagt…

ähm...ich bezog mich auf Produkte vor der Übernahme der VAG, die noch nicht der aktuellen Ingolstädter Qualität entsprachen!
:D

Anonym hat gesagt…

Gut gebrüllt, Löwe :-)

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