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08 August 2010

Der große automatische Grammatisator

Vor ein paar Jahren noch, hab ich meine Gesprächspartner nicht mittels, aber in Gedanken kontrolliert. Wenn sich Grammatikfehler eingeschlichen haben. Besonders schlimm war das mit der schönen Sache von „als“ und „wie“. Die ja eigentlich ganz einfach ist. Kann man sogar mathematisch erklären, weil es da so schöne Zeichen gibt, die einem schon in der zweiten Klasse zum ersten Mal über den Weg gelaufen sind: „>“ heißt ja GRÖßER ALS. Demnach muss ich stets, wenn ich einen Unterschied darstellen will das ALS benutzen. Und „=“ heißt, IST GLEICH. Gleich, also wie. Dennoch hört man überall: Das is größer wie … . Macht mich wahnsinnig. So. Und dass ich kein beliebter Smalltalk „Gesprächs-„ Partner bin, liegt vermutlich zum Teil auch daran. Weil ich irgendwann gemerkt habe, dass es nicht bei der gedanklichen Verbesserung geblieben ist. Ich muss wohl vermehrt mitten im Gespräch einfach nur „als“ gesagt haben. Erst leise und dann immer lauter. Mit Räuspern und so. Und das als einzigen Gesprächsbeitrag. Toll. Genauso wie ich darauf hinweise, dass es für die Wortkombination „immer nicht“ ein Wort gibt. Nie heißt das. Toll, oder? Und wenn ich mich nicht täusche steht das auch in dem dicken gelben Buch, in dem ganz viele andere Wörter drin stehen. Die meisten von denen gibt es auch. Na gut, wohl eher alle, tendenziell. Aber wenn man mich fragte, sollte man einige davon nicht benutzen. Es gibt Wörter und Wortkombinationen, die der Sprachgebrauch nicht braucht. Euphemismen! Wenn ihr morgens beim Frühstück ein leckeres Salamibrötchen oder zum Mittag in der Kantine zu euren Kartoffeln nen blutiges Stück Rind holt, dann würd ich sagen ihr esst Wurst und Fleisch. Was ich zwar nicht in jedem Rahmen gutheiße, aber ich würde es so nennen. Ihr vielleicht auch. Der Euphemismussmann aber nicht. Der nennt das Tierveredelung. Ja. Weil dass sinnlos auf der Weide stehende Rind, zu was Sinnvollem wird, wenn man es in viele kleine Teile schneidet und dann in die Pfanne wirft. Gut. Aber immerhin esst ihr dann in der Kantine. Das heißt, es gibt Arbeit. Was keine Selbstverständlichkeit ist zurzeit. Nach Bankenkrise und Globalisierungsproblemen werden Mitarbeiter rausgeschmissen wie Porzellan auf dem Polterabend. Schweinerei sagen wir. Um das aber nicht so derb klingen zu lassen, kommt der Euphemismusmann, um Imageschäden zu verhindern und erfindet ein neues Wort: Entlassungsproduktivität. Meint: Gewinnerzielung durch Einsparung von Löhnen. Klingt aber nach: Broilern, die auf Bäumen wachsen. Super. Bringt dem kleinen Mann nichts. Dem der jetzt beim Arbeitsamt sitzt und hofft je wieder seiner Qualifikation entsprechend tätig werden zu können. Was selten der Fall ist, aber man darf sich ja nicht beschweren. Weil, tut man das, wer steht dann da? Der Euphemismusman. Und erfindet sofort was Neues, um den kleinen Mann ziemlich schlecht dastehen zu lassen. Weil er zwar noch lebt, er aber die Gesellschaft belastet. Mit seiner Faulheit und seinem widerstrebenden Willen sich einzusetzen. Auch mal was zu leisten, sozusagen. Eigentlich ist er also gar nicht da. Tot. Totes Humankapital halt. Ihr merkt, ich glaube fest an eine Verschwörung. Alles nur Wörter, die verschleiern und verdecken. Aber ich bin ja noch nicht am Ende. Nicht ganz. Denn sagen wir mal, der kleine Arbeiter nimmt sich das zu Herzen. Kann nicht mehr. Weil er doch nicht faul ist. Vielmehr er auch alles versucht, um zur Gesellschaft zu gehören. Ihm der Weg aber versperrt wird. Dann überlegt er sich, dass er hier wirklich nichts mehr verloren hat. In seiner bezahlten Wohnung und der Welt allgemein. Und wenn er nicht, dann seine Familie auch nicht. Die kann ja schlecht ohne ihn auskommen. Also besorgt er sich einen Strick, den kann er sich noch leisten. Und legt die Hände erst um den Hals der schlafenden Frau, dann den der Kinder. Um den Strick dann um den Dachbalken zu hängen und vom zurechtgestellten Stuhl zu springen. Selbst Menschen die hier noch Verständnis aufbringen könnten, würden der Bild vom Mord der Familie berichten. Vom grausam Geplanten und Durchgeführten. Der Euphemismussmann aber, der weiß, dass er so ganz unschuldig nicht ist, der erfindet was. Damit es nicht so schlecht klingt. Den erweiterten Selbstmord. Den der nicht strafbar ist. Und den, der nicht so schlimm ist, weil man ja aus freiem Willen so entschieden hat. Und er erfindet noch was. Weil der gute kleine Mann, ja so freundlich war und gestorben ist, bevor die Gesellschaft für ihn hätte aufkommen müssen, ohne dass die Chance besteht, noch was dafür zurückzubekommen. Keine Rente. Super, da hat er wohl insgeheim mitgedacht, der kleine Mann und der Gesellschaft was Gutes getan. Dafür ein Wort, hoch die Tassen, für das sozialverträgliche Frühableben!  

Wofür ich plädiere: für offene Worte. 

Titel: Der große automatische Grammatisator 
Autor: Roald Dahl

4 Kommentare:

Der Typ aus´m Dorf hat gesagt…

So viel Text. Das Thema scheint Dich ja richtig zu beschäftigen. Aber einer muss es ja tun... :-)

Der Kunzler hat gesagt…

Ich habe eine "wo-als-Schwäche" - auch nicht viel besser, wie wie statt als zu sagen ist, "wem iss'n das?" zu fragen oder "dem Stephan seiner" zu antworten. Auch schön ist es aber Worte weg zu lassen: "kann ich mal die bitte die Butter?" Papst und Kanzler können wir auch - nur eben nicht Deutsch. Wie kämen wir sonst auf begrifflichkeiten wie: positives Minuswachstum?
Letzlich ist es mit der Sprache wie mit Frauen: auch wenn sie hässlich aussieht, sie kann immernoch mentalschön sein...

seleneos hat gesagt…

Ja das Thema liegt mir doch am Herzen, was auch schon diverse Professoren und Chefs mitbekommen mussten.

Gut, das mit dem Genitiv...das is dann auch meine Schwäche (muss ich eingestehen), aber ich gebe mir die größte Mühe, den zu würdigen! :)

Der Typ aus´m Dorf hat gesagt…

Diverse Professoren, Chefs und ich... ;-)

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