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04 Februar 2011

Kinderschnack

Ich bin fünfundzwanzig Jahre jung, habe ein Studium erfolgreich hinter mich gebracht, mache regelmäßig Sport und bringe kein Übergewicht auf die Waage. Ich kann ohne Probleme zehn Stunden am Tag arbeiten, aber auch schlafen, wenn mir danach ist. Ich kann laufen (nicht allzu schnell dafür aber viel), sitzen (auf Stühlen, Sofas, Fußböden, Treppen), reden (ganz oft, ganz viel), tanzen (zu Hause und ohne Takt), träumen (tags und nachts) und noch so ein paar Kleinigkeiten, habe keine Verdauungsprobleme und keine Punkte in Flensburg, leide nicht an Größenwahn und nur ein bisschen an Fernweh. Grundsätzlich bin ich damit wohl rundrum das, was ein normaler Mensch ist. Dennoch. Ich habe eine Behinderung. Eine Behinderung, die an und für sich tragbar ist, die mir jedoch den Weg zu gut bezahlten Jobs versperrt. Sie ist nicht allzu groß und eigentlich auch nicht sichtbar. Man kann sie äußerlich betrachtet nur erahnen. Vielleicht verraten mich jedoch die langen Haare, oder die Pfennigabsätze die ab und an mal an den Füßen dran sind. Obwohl auch das grundsätzlich nichts mehr zu sagen hat. Ich hab ein paar Mutmaßungen aber es wird wohl die Tatsache sein, dass ich stets das letzte Wort haben muss, was mich am Ende dann verrät. Wenn ich so Sachen sage wie „Nein wirklich, ich weiß, dass das so gerechnet wird!“ oder „Ich bin mir aber sicher, das es hier um die Ecke ist!“, dann merke ich bereits, wie ich schräg von der Seite angeguckt werde. Dann kommen die ersten Zweifel auf und ich bereue schon, dass ich es nicht einfach hab gut sein lassen. Und dann denk ich noch „Jetzt aber Klappe halten und einfach nur nicken!“ während mein Mund aufgeht und nur ein Wort rauskommt: „Doch!“ Dann isses raus. Unwiderruflich. Jawohl, ich habe eine Gebärmutter. Und man möchte glaube, es fällt wirklich erst jetzt auf. Bisher hat der kleine Zwerg doch immer gute Arbeit geleistet, sich schön untergeordnet, ab und an eine Kaffee gekocht, keine Frist versäumt und gute Vorschläge gemacht. Aber jetzt? Widersprechen? Wo gibt’s denn sowas? Hier sicher nicht. Hier wird sowas nicht geduldet. Und dann werden alle Vorurteile herausgekramt, um mich los zu werden. Sie sind zu sensibel. Sie können das sicher nicht verarbeiten. Sie wollen sicher bald Kinder haben, ich meine wie alt sind sie denn jetzt? Und überhaupt, was wird Ihre Familie dazu sagen? Haben sie überhaupt einen Führerschein? Und im Ernst, wie wollen Sie das mit einem Kleinkind schaffen? Ich meine, wir brauchen jemanden der belastbar ist. Und Kinder, die brauchen so viel Aufmerksamkeit. Gut, ich habs dann verstanden. Ich habe eine Gebärmutter, also bin ich eine Gebärmaschine. Ein Gebärmaschinengewehr. Und die Massen an Kindern, die ich werfe, die rauben mir nicht nur Zeit und Verstand, sondern wecken auch definitiv den Wunsch in mir, von nun an nur noch am Herd zu stehen und Kuchen zu backen. Hoach! In welchen Jahr leben wir denn? Da machen einem Kinder schon Probleme, wenn man nicht mal welche hat. Klasse! „Kann ja nicht jeder ahnen, dass du Kinder hasst!“ flüstert man mir von hinten ins Ohr. Dabei ist das so ganz die Wahrheit nun auch wieder nicht. Denn Kinder können mich ziemlich gut amüsieren. Dafür kann man sie nicht hassen. Wenn ich zum Beispiel nach neun einhalb Stunden Arbeit schnell in den Supermarkt hechte um irgendwelches essbares Gemüse von den Grabbeltischen zu erhaschen und nur noch nach Hause möchte, da muss ich schon zugeben, dass mich das Kind an der Kasse vor mir zum lachen bringt. Das Kind kommentiert alles. Es findet alles wichtig. Jeder muss es hören. Immerhin darf es heut die Sachen auf das Fließband legen und später auch bezahlen. Und es bekommt etwas in die Hände, dass ist total spannend. Das muss erläutert werden. „Hey cool, Seife. Die hatten wir lang nicht mehr!“ Herrlich.

Titel geborgt bei: Hans Christian Andersen

3 Kommentare:

Henne hat gesagt…

Darauf hab ich nur gewartet... ;-) Es musste einfach raus, oder :-)

seleneos hat gesagt…

*räsuper*
ich konnte es nicht bei mir behalten..und wenn du wüsstest was ich mir gestern wieder anhören musste... das bekommt zu gegebener Zeit auch seinen Eintrag!:)

Maik hat gesagt…

Wort des Jahres: Gebärmaschinengewehr

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