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24 März 2011

Alles umsonst


So. Ich werde also erstmal nur ganz traurige Geschichten schreiben können. Nachdem mir in mittlerweile vier Sitzungen ein Tetrapack Blut aus dem Knie entnommen wurde, steht jetzt auch für den letzten Zweifler fest, dass das doch was Ernsteres ist. Klasse. Wenn also demnächst erstmal weggelesen wird, ich kanns verstehen. Wer will sie schon hören, die Geschichten über Krankheiten, Tabletten und schlechtes Personal. Ich kann sie ja selbst schon nicht mehr ertragen, hab aber keine Wahl. Und so lieg ich vier verbrauchte Verbände und vier absolut abgefahrene Betäubungsspritzen später im Magneto. Stocksteif und mit klassischer Musik auf den Ohren. Von der Musik allerdings, die mich beruhigen und von der aufkeimenden Klaustrophobie ablenken soll, bekomm ich nichts mit. Magneto ist lauter. Tock tock tock tock tock. Kurze Pause. Tock tock tock tock tock. Und direkt vor den Augen einen Aufkleber, auf dem fett steht: „Vorsicht! Nicht hier in den Laser sehen!“ Und aus dem “Hier“ kommt ein dicker Pfeil heraus, der auf ein winzig kleines Loch im Magneto zeigt, welches man ohne den Aufkleber wahrscheinlich nie gesehen hätte. Und natürlich starrt man jetzt erst recht hinein. In das kleine Loch. Weil mans nicht darf. Tock tock tock tock tock. Kurze Pause. Tock tock tock tock tock. Was kann ich hier denn noch anstarren, damit ich nicht blind werde? Ein Plüschzebra auf Magneto. Tock tock tock tock tock. Eine kaputte Glühbirne in der Lampe. Tock tock tock tock tock. Einen Wasserfleck an der Decke. Das ist ja schön und gut, aber nicht so spannend wie das Loch, in das ich nicht hineinstarren darf. Und so wandern meine Augen wieder dahin. Tock tock tock tock tock. Kurze Pause. Tock tock tock tock tock. Ich muss mich zwingen, die Augen zu schließen. Und anfangen zu zählen. Eins. Zwei. Drei. … Bei vierhundertsechszehn geht die Tür auf und ich darf Magneto verlassen. Yeah. Ich hab mein Augenlicht noch. Jetzt muss ich nur noch vier Stunden im Wartezimmer sitzen, alte Klatschzeitschriften durchblättern, ohne auch nur irgendetwas von deren Inhalt wahrzunehmen und das Gejammer vom Nachbarn überhören. Und dann die großartige Diagnose: „Ja da ist ihnen wohl die Kniescheibe rausgeflogen, hat dabei ein paar Bänder mitgenommen und diese zerrissen, bevor sie wieder in ihre Höhle gekrochen ist!“ Aha. Toll. Und ich will ja nicht angeben, aber das hätte ich doch glatt auch vor zwei Wochen schon erzählen können. Und dafür darf ich jetzt sechshundert Öcken löhnen. Klasse.

Titel ist geborgt bei Walter Kempowski

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