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02 März 2011

Ein kleiner Selbstmordversuch


Der Wecker klingelt. Ich drück auf die Schlummertaste. Der Wecker klingelt. Ich drück auf die Schlummertaste. Der Wecker klingelt. Ich drück auf die Schlummertaste. Die ersten fünf Mal bekomm ich davon nichts mit. Ich befinde mich noch in einem komatösen Schlaf. Danach zieh ich das locker noch eine halbe Stunde durch. Dafür nehm ich den Wecker auch mit unter die Decke, damit ich keine kalten Finger bekomme, wenn ich die Hand nach ihm raus strecken muss. Das wärs ja noch. Und außerdem kann ich mit der Decke den Ton dämpfen. Ersticken geht ja nicht. Der Tag ist gekommen. Ich bin wieder gesund und muss aufstehen und zur Arbeit. Beine rasieren, Zähne putzen, Bluse überziehen. Aber ich hab halt einfach keine Lust. Ich mag nicht aufstehen. Mach es aber dennoch. Nach fünfunddreißig Minuten. Mit dem falschen Bein.
Auf der Arbeit werde ich herzlich empfangen. Mein Arbeitsplatz ist besetzt. Da sitzt jetzt jemand anderes. Meine Güte, so schlimm krank war ich doch nicht, dass man denken könne, ich komme nie wieder. Auch wenn ich das gerne zum Ausdruck gebracht habe, als ich täglich angerufen und mit einer Stimme, die eigentlich nur noch ein röchelndes Flüstern ist, erklärt habe, dass ich nicht weiß, wie lang es noch dauern kann. Niemand könne sagen, ob die Lungen je wieder frei werden. Gut das war vielleicht einen Ticken übertrieben, aber ich wollt wirklich nur Mitleid haben. Und vielleicht nen bisschen Schokolade. Mehr aber nicht. So und das hab jetzt davon? Ich wurde ersetzt? Klasse.
Ich (kleinlaut): „Ähm soll ich jetzt meine Sachen packen und wieder gehen?“
Er (der Chef): „Wie kommen sie denn auf die Idee? Ich hab hier fünf Akten. Die warten schon auf sie und müssen heut noch raus!“
Ich (immer noch kleinlaut): „Na mein Arbeitsplatz ist aber besetzt … ich muss ja einen Tisch und einen Computer haben, wenn ich ordentlich arbeiten will.“
Er (der Chef, wird jetzt plötzlich ganz rot im Gesicht und bäumt sich auf): „Das kannst ja wohl nich sein, immer kommen sie hierher und wollen arbeiten und dafür nen Tisch und nen Sitzplatz und nen Computer und am besten auch noch Internet, was?“
Ich (nicht mehr ganz so kleinlaut): „Na von Vorteil wär es schon!“
Er (geht ab).
Ich (schulterzuckend hinterherrufend): „Hey?!“Damit ist das Problem doch jetzt nicht gelöst. Ich habe keinen Tisch!“
Ich sehe man hat mich hier sehr vermisst. Und ich hab mich schon gewundert, dass man mir keine Schokolade nach Hause geschickt hat, damit ich schneller gesund werde. Stattdessen hat man Akten gesammelt. Gut, mach ich mir nen Kaffee, leg fünfzig Cent dafür neben die Kaffeemaschine und überlege, wie gut sich so handgeschriebene Schriftsätze machen. Und während ich noch so hin und her überlege, kommt ein neuer Auftrag rein der da lautet: „Machen sie mal eben noch ne Excel Tabelle mit den und den Faktoren! Spezialauftrag, schieben sie das also vor, muss als Erstes gemacht werden“. Okay, das ist jetzt wirklich witzig. Weil die sieht echt doof aus, wenn ich die mit meinem klecksenden Füller aufs Papier zaubere. Ich riskiere es nochmal, verlieren ist ja nicht mehr drin, denk ich: „Na ja, so eine Excel Tabelle geht ganz angenehm schnell von der Hand, wenn man einen Computer hat. So ein Computer ist nämlich eine ganz neue Erfindung, da geht alles viel effektiver. Damit wär das in fünfzehn Minuten drin.“ Ui, schnappt er mit einmal nach Luft. Kein Ton kommt raus. Gut, wir sind heut alle nur begrenz bespaßbar. Die Tür wird geknallt und ich steh wieder auf dem Gang. Um Papierkram reicher und Verständnis ärmer.
Meine Nachfolgerin hat mittlerweile Wind davon, dass ich heut Mülleimer bin und wohl ein schlechtes Gewissen bekommen, sodass ich ihr Netbook verwenden kann, was sie eben noch schnell von zu Hause holt. Das ist wirklich lieb, weil ich so meine Aufträge immerhin erledigen kann (wobei ich mich wirklich frage, warum ich das mit mir machen lasse), auch wenn Augen und Rücken leiden. Um diesen großartigen Arbeitstag zu feiern, denk ich ganz Frau, die ich bin, dass ich mir was gönne. Geld verbrate. Immerhin hab ich von Weihnachten noch einen Gutschein vom Chef. Der Heimweg führt an der Parfümerie vorbei. Ich erinnere mich, dass ich erst kürzlich bei einer Verwandten einen Duft wahrgenommen hatte, den ich meine mir jetzt kaufen zu müssen. Und wie das so ist, hab ich das Gespräch mit ihr nur noch in Fragmenten im Kopf. Das muss irgendwie so abgelaufen sein:
„Hmm…hier riechts aber gut!“
„Oh, danke ich hab ein neues Parfüm!“
„Echt..das riecht klasse.“
„Danke ist jetzt auch mein Lieblingsparfüm.“
„Wie heißt es denn?“
„Oh das gibt’s in so einer kleinen grünen Verpackung und heißt….!“
Da hört meine Erinnerung auf. Aber immerhin, ich habe einen Anhaltspunkt. Kleine grüne Verpackung. Ich renn im Laden hoch und runter. Nur zwei kleine grüne Verpackungen. Jackpot denk ich. Aber zwei kleine Spritzer auf den Papierstreifen zeigen, dass es diese nicht gewesen sein können. Sie riechen nach dem, wie das Parfüm welches daneben steht heißt: nach Lulu. Mittlerweile fall ich auf. Die Verkäuferin tritt an mich heran und fragt, ob sie helfen könne. Und just in dem Moment bin ich mir sicher, dass mir der Name wieder eingefallen ist, weswegen meine Antwort lautet: „Ja ich suche Skunk. Können sie mir sagen, wo das steht?“ Ich ernte einen verständnislosen Blick. Nein das könne sie nicht sagt sie, dreht sich um und geht. Wäre hier eine Tür, würde sie sie mir wohl vor der Nase zuschlagen.
Ich muss dringend mein Englisch verbessern. Aber jetzt erstmal wieder ins Bett!

Titel is geborgt bei Irene Dische

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