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30 März 2011

Die Legende vom Wegweiser


Sechs Uhr fünfundvierzig blinkt mir mein Wecker entgegen. Ein Geräusch hat mich wach gemacht. Viel zu früh. Ich kann heute eigentlich ausschlafen. Das hatte ich mir wenigstens vorgenommen. Statt dessen muss ich jetzt hier liegen und überlegen, woher das Geräusch kam. Es muss ein neues Geräusch gewesen sein, denn die die ich kenne lassen mich kalt und holen mich nicht aus dem Tiefschlaf. Da ist es wieder. Es kommt aus dem Flur. Und klingt wie ein Schlüssel, der mit aller Gewalt ins Schloss gepresst wird. Hä? Wie geht das denn? Es gibt nur zwei Schüssel. Einer ist irgendwo in meiner Handtasche begraben, der andere liegt vierhundertfünfzig Kilometer entfernt in einer Hosentasche einer Hose, die gelangweilt über einen Stuhl hängt, da der Träger noch nicht aufgestanden ist. Oder hat er sich doch schon früher auf den Weg gemacht und will mich überraschen? Na da will ich ihm doch mal helfen in die Wohnung zu kommen. Ich stehe also auf, humpele zu Tür und öffne diese. Man muss wissen ich sehe dabei folgender maßen aus: Ich habe einen rosa/pinkfarbenen Schlafanzug und eine dicke Wollsocke an. Die andere Wollsocke muss ich mir in der Nacht ausgezogen haben, denn diese ist nicht am linken Fuß wo sie hingehört, sondern in meiner rechten Faust zusammengepresst. Wer weiß, was ich geträumt habe. In der linken Hand befindet sich eine Krücke, die ausschaut als wäre sie ein Werbegeschenk der FDP, was einerseits irgendwie peinlich ist. Aber wenn ich es mir recht überlege, vielleicht gerade das richtige Geschenk für die FDP wäre, zurzeit. Ja und dann noch meine Haare. Meine Haare werden von meinen Freunden liebevoll Mähne genannt. Das zurecht, auch wenn ichs nicht gern höre. Wenn ich diese frisch gewaschen habe und schlafen gehe, wenn diese noch halb feucht sind, sehe ich am nächsten Morgen aus als hätte ich ein explodiertes Osternest auf dem Kopf. Und so steh ich jetzt erwartungsvoll in der Tür. Vor mir steht nicht wie gedacht der Träger der gelangweilten Hose, sondern ein mir völlig Fremder. Okay, bleibst du trotz allen Umständen cool, denk ich mir und sage:
„Schönen guten Morgen der Herr, wie kann ich Ihnen denn behilflich sein? Sind sie der Nachmieter oder haben Sie sich in der Tür geirrt?“ So, da mein Mundwerk es nicht gewöhnt ist, so kurz nach dem Aufstehen irgendetwas zu sagen kommt nur raus:
„Schön Morgen. Kann ich behilflich sein, biste der Nachmieter oder falsche Tür?“ In entsprechend freundlicher Tonlage versteht sich von selber. So. Und da ich aber ein Zähneknirscher bin, meine Eckzähne schon in Schneidezahnform geknirscht habe und ich seither aus nachvollziehbaren Gründen in den einsamen Nächten eine Plastikschiene im Mund habe, kommt am Ende tatsächlich nur Folgendes raus:
„Cchöhenn Morgn. Kanni beiflihs ein, bister Nahmieter oder falhet Ür?“
So. Jetzt hab ich einen kleinen Mann mit offenem Mund vor mir stehen, immer noch mit Schlüssel in der Hand, als wolle er ihn mir in den Bauchnabel stecken, der mit der Situation anscheinend nicht umgehen kann. Also steht er erstmal da. Immer noch. Und immer noch. Jetzt schmeißt er sich die Hände über den Kopf, guckt mich an, ruft laut „Scheiß Nachtschicht!“ und rennt weg. Die Treppe hoch. Aha, das war er also, der Nachbar der seit zwei Jahren über meinem Kopf wohnt. Hätte ich nicht gedacht, dass man sich unter solchen Umständen kennenlernt. Und da ich jetzt eh wach bin und nicht möchte dass sich Derartiges mit den anderen vier Parteien des Hauses wiederholt, überlege ich, welches kreative Türschild man sich an den Eingang hängen könnte, um unliebsamen Besuch zu verhindern. Vielleicht werde ich mir von irgendeiner Landsraße das „Achtung Gefahrenstelle!“ Schild mopsen oder das für Schleudergefahr. Oder ein Umweltzonenschild. Ich denke dann wird man in Ruhe gelassen.

Titel is geborgt bei Michale Ende

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