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27 April 2011

Das Wochenende


Mitte April und ein Wetterchen wie im Hochsommer. Wolkenloser Himmel, fünfundzwanzig Grad im Schatten, ein laues Lüftchen. Und: Endlich Samstag! Der perfekte Tag für einen lang versprochenen Ausflug. Das die Mutti diese Tage ihr Auto nicht braucht ist perfekt und wird gleich ausgenutzt, damit aus zwei und dreiviertel Stunden Zugfahrt nur ein einhalb Stunden auf der Autobahn werden. Zugegeben mit Navigationsgerät. Ohne würde es wesentlich länger dauern. Klar, ich kann Karten unheimlich gut lesen: „Auf der Friedrichstraße bleiben, dann nach dort in die Lange Straße. Warte jetzt noch nicht. Gleich. Warte. Jetzt! Ach das is ne Einbahnstraße. Na dann wenden! Hier gehts doch. Warum biste denn jetzt vorbeigefahren?“ Die Fahrer sind von meiner Kursbestimmung allerdings nie sonderlich begeistert. Die Frau aus dem kleinen schwarzen Kasten macht das besser, äußern sie. Die weiß wenigstens, wo es lang geht, und bleibt zudem noch ruhig, wenn man trotzdem falsch fährt oder meint es besser zu wissen. Nun gut. So kommt man letztlich wenig gestresst in der Stadt hinter, nein auf den sieben Bergen an. Und wirklich, es ist schön hier. Geschmückt sind die Brunnen mit riesigen Ostereiergestecken. Auf dem Markt werden Spargel und Brezeln verkauft. Das Rathaus auf seiner kleinen Insel lacht einem entgegen und man beneidet all jene, die in den schiefen kleinen Häuschen in Klein-Venedig ein Zimmerchen ergattert haben und daher zwischen Schilf und Bootssteg mit Blick auf den Dom frühstücken können. Man schlendert zwischen all den Antiquitätenläden und ergattert am Ende eine wundervoll extravagante Zirkustasse, die dem Anlass entsprechend Georgy getauft wird. Total kitschig romantisch also. Aber bevor ich zu sehr in Schwärmen komme, muss ich darauf hinweisen, dass es auch arg komische Sachen hier gibt. Eine Kirche zum Beispiel, an deren Wänden sich zum großen Teil nur Totenköpfe und Skelette finden, was schon eher was Ungewöhnliches ist. Wenn das dann Skelette sind, die Seifenblasen an die Wände pusten ist das schon was, was man eigentlich noch nirgends gesehen hat. Folgt man mit den Augen den Seifenblasen zur Decke des Schiffes und findet dort liebevoll gemalte Bilder von Ananas und Granatäpfeln, versteht man die romanische Welt nicht mehr. Selbst das aber ist noch nix im Vergleich zu Folgendem:
„Geht auf den Keller, das muss man hier wirklich gesehen haben!“ hat man uns gesagt. Da man sich hier nicht auskennt, geht man auf den Keller. Der Keller aber ist nichts anderes, als ein großer Biergarten. Auf einer Brauerei. Einer von acht die es hier noch gibt. Toll! Und hier gibt es Bier und Brause und gefühlte vierhundert Gäste. Eng aneinander und die Holzbänke gequetscht. Von den gefühlten vierhundert Gästen sind auch gefühlte dreihundertfünfzig voll bis obenhin, heute an der Saisoneröffnung. Ist man einmal hier, heißt es, fängt man damit an, mit dem Bier trinken. Vor hab ich das zwar nicht, aber ich stell mich erstmal an, an der Selbstbedienungstheke für alkoholische Getränke. Immerhin das klassische Rauchbier, das schmeckt als hätte man einen Aschenbecher damit ausgespült, gibt es hier nicht. Normalerweise versucht ja jeder einen dazu zu überreden, das mal zu kosten. Das hab ich schon hinter mich gebracht. Vor Jahren. Nicht ein Drittel hab ich runter bekommen. Sei es drum, es gibt ein kleines Bier, welches mit Blick auf den Sonnenuntergang getrunken wird. Dann ist der Tag auch schon vorbei, die Füße sind müde und man sucht noch einmal die Toilette auf, bevor es wieder nach Hause geht. Und jetzt das, worauf es mir ankommt, dass es jeder weiß: Hier hängen ganz ganz ganz komische Sachen auf dem Klo! Keine Kondomautomaten wie man es erwarten könnte. Nein! Hier hängt ein Porzellanbecken mit einem Durchmesser von achtzig Zentimetern in Brusthöhe an der Wand. Das Abflussrohr, das in der Wand verschwindet, ist so dick, dass eine Faust ohne Weiteres reinpasst. Ach was sag ich, ein ganzer Oberschenkel passt da durch! Wer sich jetzt noch fragt, was dass sein könnte, den hab ich gleich viel doller lieb! Im ersten Moment konnte ich damit auch noch nichts anfangen. Dem Ganzen die Krone aufgesetzt haben dann aber die fest installierten Haltegriffe aus Edelstahl links und rechts des Beckens. Und die Benutzung wurde auch gleich, als hätte man um eine Erklärung gebeten, vom hereinwankenden maßvollen Herren vorgeführt, der beherzt die Halterungen ergreift, den Kopp in das Becken hängt und Geräusche von sich gibt die klingen, … naja, wie es eben klingt, wenn man eine halb verdaute Schinkenplatte und zwei Liter Bier der Peristaltik entgegen nach außen befördert. Als ob es das Normalste auf der Welt wäre. Ich fasse es nicht! Und ich war völlig weltfremd drauf und dran an dem Ding den Wasserhahn zu suchen, um mir die Hände zu waschen. Dabei ist es nix anderes als ein Kotzbecken! Ich werd bekloppt! Und nicht irgendein selbst getöpfertes Ding- nein, das ist von Villeroy & Boch! Das glaube ich nicht. Saufen, bis man umfällt, wird hier nicht nur als sozial adäquat toleriert, das wird gefördert! Jetzt mal im Ernst, wo gibt’s denn so was?

Der Titel ist geborgt bei Bernhard Schlink

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Liebe Franzi, du hast diesen Tag ganz wunderbar zusammengefasst! Freut mich, dass es euch gefallen hat in unserer schönen Stadt! Wir können es kaum erwarten, dass ihr wieder kommt!!!
Dicke Umarmung, F&H

seleneos hat gesagt…

Gern,das nächste mal nehmen wir euch ein bisschen mehr in Beschlag und bleiben was länger! :)

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