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27 Juli 2011

Der geheime Garten

Manchmal da bin ich trotz schwarzer Fingernägel, Totenköpfen auf der Gürtelschnalle und durchlöcherten Turnschuhen unheimlich spießig. Da liebe ich es Sonntag nachmittags in einem Café mit Stuck an den Decken und roten Polstersesseln einen verdammt bitteren Omakaffee zu trinken und dazu ein Stück Kirschtorte zu essen, was natürlich bei Weitem nicht so gut schmeckt, wie früher mal. Dann liebe ich Gesprächsthemen, bei denen sich alles um die Faulheit der heutigen Jugend und um Schrebergärten dreht. So ein bisschen Spießertum ist ja auch nicht unbedingt schlecht. Zumindest und jedenfalls immer dann, wenn man eine Pause benötigt von Wildcampern und Hippiekindern. Wenn die ohnehin schon zerstörten Klamotten nach Geräuchertem riechen und einem die Ohren vom stundenlangen Gruppentrommeln klingeln. Das sind Momente, in denen es einem gerade Recht kommt, wenn man im Garten der lieb gewonnenen Freude ein paar Sträucher findet, die das Gewicht hunderter Beeren kaum noch tragen können. Dann bekommt man Lust, sich ein Holzkörbchen zu schnappen, Gärtnerhandschuhe überzuziehen und in ein paar Stunden mehrere Kilo rote, weiße und grüne Beeren zusammenzutragen, um sich dann fix und fertig vom vielen Bücken auf einem weißen Plastikstuhl die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen und dabei ein bisschen weg zudösen. Manchmal ist das einfach notwendig. So ein bisschen auf dem Teppich bleiben. Wenn dann allerdings ein paar Tage später Kartons voller handgemachter Marmelade eintrudeln und die, selbstverständlich weil selbst gemacht, die Beste ist, die man je zu sich genommen hat, dann weiß man, dass alles gut so ist, wie es ist, da man so ziemlich die besten Freunde hat, die man haben kann. Und dann lässt man sich auch gern zu einer Lobhudelei folgendermaßen hinreißen:

Sehr geehrte Damen und Herren des Biohof ( ... ) ,

als langjähriger Konsument von Konfitüren und Fruchtaufstrichen habe ich heute erstmals Ihr Produkt "Johann-Stachel-Beer" verkostet und konnte nun nicht an mich halten Ihnen zu mitzuteilen, wie vorzüglich es mir mundete. Ein derart exquisites Produkt ist mir seit geraumer Zeit nicht untergekommen. Man spürt förmlich die Hingabe, mit der dieses Genussmittel gefertigt wurde. Nun komme ich leider nicht umhin einen -wenn auch unmaßgeblichen- Tadel auszusprechen. Wer solch ein Talent in der Schaffung von Feinkost sein Eigen nennt, der trägt zugleich eine Verantwortung. Ihr umwerfendes Sortiment verdient eine Ausweitung. So erwarte ich in der nächsten Saison weitere Delikatessen. Rubus idaeus und Vaccinium myrtillus sollten dabei unbedingt Eingang finden. Darüber hinaus sollten Sie in Betracht ziehen, einige wenige Auserwählte in Ihre Kunst einzuweihen. Ich und meine Partnerin würden uns für eine solche Möglichkeit umgehend in Ihren Produktionsstätten einfinden. Auf das Sie auch in Zukunft die Gaumen Ihrer Ihnen ergebenen Kundschaft verzaubern.

Und die Antwort will ich nicht vorenthalten:

Sehr geehrter Herr von ( ... ),

mit großer Freude haben wir Ihre Reaktion als zufriedener Kunde unserer Produkte zur Kenntnis genommen. Seit der Gründung des Biohof ( ... ) hat die Nachhaltigkeit unserer Waren sowie die Zufriedenheit unserer Kunden oberste Prämisse. Zu meinem tiefen Bedauern muss ich Ihnen mitteilen, dass eine Ausweitung des Sortiments Ihren Wünschen entsprechend, in näherer Zukunft nicht durchführbar ist. Mit einer traditionsreichen Marke wie der unseren haben wir uns verpflichtet nur Feinkost anzubieten, welche den höchsten Qualitätsanforderungen unserer anspruchsvollen und urteilssicheren Kundschaft gerecht wird. Da wir im Moment nur über eine begrenzte Anbaufläche verfügen, deren Bodenqualität den erlesenen Geschmack unserer Früchte garantiert, ist es uns leider nicht möglich Ihren Wunsch zeitnah zu berücksichtigen. Darüber hinaus beschäftigen wir nur professionelle Pflücker, die dem Ursprungsgut voller Hingabe und dem gebührenden Respekt begegnen. Die begrenzte Anzahl dieser hervorragend ausgebildeten und idealistischen Mitarbeiter beschränkt die Ausweitung unseres Warenangebotes zusätzlich. Bitte haben sie Verständnis für diesen Umstand. Vielleicht ist es Ihnen einen Trost zu wissen, dass sie mit "Johann-Stachel-Beer" vom Biohof ( ... ) eine der exklusivsten Gourmetspeisen genießen können. Des Weiteren freut es uns, ihnen mitteilen zu dürfen, dass in unserem Stammhaus in ( ... ) einmal pro Saison, ein "Schnupperkurs Konfitüre" für unsere treuesten Kunden stattfindet. Da wir uns erlauben, Sie zu diesem erlesenen Kreis zu zählen, würden wir uns freuen Sie und Ihre Partnerin zum nächstmöglichen Termin in unserer Manufaktur begrüßen zu dürfen.

Hochachtungsvoll

Sales Manager
Distribution Manager
Head of Manufacturing
Head of the legal department

Ich freu mich wirklich wie verrückt. An dem Kurs nehme ich in jedem Falle teil. Marmeladengläschen werden schon fleißig gesammelt!

Der Titel ist geborgt bei Kate Morton

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