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13 Oktober 2011

Parallelgeschichten

Ich bin verwirrt. Irritiert. Komplett daneben. Ich würde gerne fließend ein paar Zeilen schreiben. Und anfangen würde ich mit: Ich geh jetzt also wieder zur Uni. Aber dann hörts auf. Da ist zuviel Unordnung im Kopf. Viel Dreck und soviel was schon wieder oder immer noch im Weg rumliegt. Meine Mama würde eine Krise bekommen. Und sofort mit Besen und Kehrschaufel durchgehen. Ach was sag ich. Warum nicht gleich Kärchern. Da hängen noch Spinnweben an Sachen, die müssen weg. Und der alte Boden muss raus. Und die Vorurteile da, die müssen auch neu geordnet werden. Und die ganzen neuen Sachen hier, die sind überhaupt nicht einsortiert. Folglich stolper ich immer wieder drüber und stoße mir die großen und kleinen Zehen dran, hole mir blaue Knie und kleine Beulen am Kopf. Die tun weh. Wo die Pflaster geblieben sind, weiß ich nicht. Ich habe noch drei Tage und einen Halben, um aufzuräumen. Dann muss es glänzen und altes Wissen abrufbar sowie Neues aufnehmbar, das Schlafzentrum auf „nur Schlummern, wenn es notwendig ist“ gestellt und die Mimik trainiert sein, damit mir nicht immer gleich alles aus dem Gesicht fällt. Wenn ich etwas besser weiß. Und wenn ich denke, dass ich etwas besser weiß. Wenn ich mir nichts erzählen lassen will und auch, wenn ich etwas nicht verstehe. Dabei fällt mir ein, im Sprachzentrum muss auch noch was getan werden. Ich dachte ja bisher immer: Ich? Nein ich hab mit Sicherheit keinen Dialekt. Ich sprech doch reines Hochdeutsch. Vielleicht etwas schnell hier und da. Aber wer das nicht versteht, tja, an dem liegt es dann ja wohl auch. Falsch. Ich scheine tatsächlich ab und an einen leichten Dialekt an den Tag zu legen. Das ist mir klar geworden, als ich beim Panneköken essen auf meine anscheinend sächsische Herkunft angesprochen wurde. Dass das nicht stimmt, und man aus dem schönen Thüringen stammt, ist dabei egal, denn da grinst der Opa vom Nachbartisch, stolz auf seine Erkenntnis und haut einem: „Wusst ich es doch- ich kenn mich nämlich mit Dialekten aus!“ ins Gesicht, als wäre Thüringen ein Dorf gleich neben Leipzsch. Ach was solls. Nein, den Dialekt behalt ich doch lieber bei. Da kann ich wenigstens mal richtig fluchen: Ich bin keen Saggse! Sonnern Thüringär. Wir haddn Maddin Ludder, also verpissdschdoach du oller Blödföhn. Ach ja, das tut gut. Sprachzentrum wird also nicht angerührt. Was liegt hier sonst noch rum. Gugge mal hier, die Kiste mit den Vorurteilen. An der muss ich mal rütteln. Das mit dem „Nur Spinner glauben an Wasseradern und energetische Reinigung!“ kann in die Tonne. Das glauben auch nette Menschen. Echt. Denen sieht man das nicht unbedingt an. Das merkt man nicht gleich. Denn die sehen so aus wie wir, mit einem Arm und einem Bein rechts und links. Und die essen und atmen wie wir. Und die sind auch nett und helfen, wo es nur geht. Die teilen ihr Frühstücksbrot und an manchen Tagen auch meine Überzeugungen. Nur in einigen paar Punkten gehen sie halt etwas weiter. Was macht das schon. Andere glauben an Justin Bieber oder Gott, manche an Wünschelruten und Gerechtigkeit und andere wieder an Wohlstand und Wirtschaftswachstum. Da tut mir so eine Wasserader auch nicht mehr weh. Also weiter im Text. Hier ist eine Kiste, in der anscheinend mal ein Kühlschrank geliefert wurde, mit der Aufschrift Wetteifer. Mach ich die jetzt auf und hol da olle Kamellen vom ersten Kuss, dem besseren Abitur und dem anerkannteren Uniabschluss raus, werf ich das ganze Ding ungesehen weg oder stell ich die Kiste doch noch mal nach hinten an die Wand. Immerhin gibt es so viele Dinge, in denen man noch konkurrieren könnte: die erste Paartherapie, die erste große Langeweile die man mit dem Bekommen von Kindern oder einem Hobby wie dem Sammeln von Fingerhüten (oder Schweinen oder Niveadosen) füllt, die erste Scheidung … Da ist noch Potenzial. Also erstmal in die Ecke damit. Zu dem kleinen Schuhkarton, der hier schon ne Weile rumliegen muss. Männer steht drauf. Männer und wie man mit Ihnen umgeht. Ich muss lachen. Ach ja, die hab ich vor Jahren mal angelegt, als es um so Fragen ging wie: Bis zu welchem Punkt ist man interessant und ab wann wird man als verrückt betrachtet? Ist es wirklich wichtig, das man mit nassen Haaren auch noch gut aussieht? Darf ich tanzen, wie ich will, oder soll ich lieber schüchtern rumstehen und mit den Füßen wippen? Dieser Karton hat mir nie viel gebracht. Ich sollte ihn umbenennen. In Rätsel. Da kann ich noch ein paar mit hinzufügen. Zum Beispiel: Ich bekomme erste graue Haare und Krähenfüße- warum wecke ich bei Männern über vierzig immer noch den Vaterkomplex? Warum lässt mir mein Hausarzt Reisetipps zukommen und schickt mir dann mit der Rechnung kleine Briefchen auf denen er sich nach mir, meinen Reisen und dem Wetter allgemein erkundigt? Warum schreibt mir mein Physiotherapeut plötzlich SMS und begibt sich für mich auf Stellensuche? Warum bekomme ich Briefe von Männern, die mich zwar nicht anstellen wollten, die mich aber wissen lassen wollen, dass sie sich freuen mich bald wieder zu sehen. Warum? Das schreib ich mal fix auf. Vielleicht muss ich zur Beantwortung noch ein paar Jahre älter werden. Vielleicht lässt sich das aber auch erst mit großmütterlicher Weisheit beantworten. So, dann sieht es ja schon mal ganz nett aus. Eigentlich ist so viel erstmal nicht mehr zu tun. Noch mal fix durchfegen und das kann sich vorerst wieder sehen lassen hier. Da kann man fast schon wieder Feste drin feiern. Was liegt hier noch rum. Ach ja. Das Gedächtnis. Fast wär ich drauf getreten. Da hätten wir aber einen Brei gehabt. Hui, das hat aber abgenommen in den letzten Monaten. Ganz mager und grau isses geworden. Jappst nach Luft, einer Zeitung und einem Stück Zucker. Ja, ich hab dich wirklich ein bisschen vernachlässigt die letzten Wochen. Kein Wunder, das du mir und vor allem meinen Mund nicht mehr weiterhelfen kannst, wenn ich Telefongespräche mit den Worten „Hmpf.. ähm..möment, ach Moment,.. äh..öh..ich habs gleich, was ich sagen wollte..“ anfange oder mit mittlerweile liebevoller Regelmäßigkeit den Chef ungefragt beim Vornamen nenne, als wäre er ein Kumpel von der Pokerrunde. Wer gibt seinem Kind auch einen Nachnamen als Vornamen. Gut, wenn du das die nächsten Tage noch nicht hinbekommen solltest, liebes Gedächtnis, schreib ich mir das auf die Hand. Direkt unter die Worte rechts und links.

Der Titel ist geborgt bei Michael Ende

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hey du, ich hoffe, du lebst dich gut ein im neuen Job! Ist sicher eine Umstellung doch ich hoffe, dir gefällt es! Hier nichts Neues im Süden. Gut und schade. Meld dich! Bussi, *F*

seleneos hat gesagt…

Ach meine Gute, wie der Erste Tag verlief wirst du bald lesen können. TRotz allem aber sehr angenehm, was zu tun zu haben. :-)
Aber schade zu hören, dass es nichts Neues aus dem Süden gibt. Ich drück doch immer noch feste die Daumen! Du weißt, wenn es einer verdient hat...

Ich drück dich feste!

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