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29 März 2010

Die Farbe Blau


Statt dem angemeldeten Regen, strahl die Sonne vom Himmel. Zu Recht. Denn etwas anderes hätte ich heute nicht akzeptiert. Wenn ich schon mal auf einer Hochzeit bin. Zum ersten Mal. Und dann gleich auf einer, wo mir Braut und Bräutigam unbekannt sind. Was such ich hier eigentlich? Zumindestens eine Erklärung. Okay, man braucht ja für so eine Feier was Altes, was Blaues, was Geborgtes und was Neues. Und dann nochmal die Frage, was mach ich hier?
Das Alte, na das kann ich eigentlich noch nicht sein. Die Jüngste bin ich nicht mehr, jugendlich kann ich mich schon ne Weile nicht mehr schimpfen, das weiß ich mittlerweile selbst, aber alt? Das schieb ich noch n bisschen hin. Mindestens solang, bis ich mit Steppdecke und ner Kanne Tee auf den Balkon Leute beobachte und mir denke, dass die Jugend heut keinen Respekt mehr hat (Mist, das mach ich schon heut) oder ich meine Wochenenden im Park beim Enten füttern verbringe (Doppelt Mist, das mach ich auch schon..). Also was ist hier älter? Ich suche mich um. Und da Frauen einen Radar für so was zu haben scheinen, finde ich auch was. Das Hochzeitshaus, das ist heut geschmückt mit Baugerüsten und Bauarbeitern, die es neu verputzen. Oder sagen wir liebevoller: es frisch schminken. Ist ja nichts anderes, als Frauen die sich Make-up in die Falten schmieren. Ergo: Das Haus ist alt. Was noch: die Sprüche des Standesbeamten und die Winterzeit, der Kaffee und das Bier (hach, was ein Wortwitz mal wieder!).
Gut hätten wir das (und das war das Wichtigste) abgehakt. Dann aber das Blaue. Ob ich das bin, eine die hier rumlallt und nicht gewollte Sprüche und Weisheiten klopft? Na wohl eher nicht. Nicht um 12 Uhr Mittags. Eigentlich auch sonst nicht. Denn ich kenne mich. Allein ein Glas Weißwein haut bei mir schon durch, worauf ich ein bisschen stolz bin. Zeigt ja, dass ich nicht in Übung bin. Und hat zur Folge, dass ich keine Entschuldigung mehr erfinden muss, wenn ich am kontrollierten Promillesaufen (ja so was gibt’s tatsächlich, jedenfalls auf unserer Arbeit) nicht teilnehme. Blau sind hier andere. Vor allem die ganzen Marinemenschen die hier Spalier stehen. Mit Schirmmütze und Gummistiefeln.
Was Geborgtes? Ich wüsste nicht, wer mich ausgeborgt hätte und nicht von wem. Ahh…ich sehe, was geborgt ist. Jedenfalls glaub ich nicht, dass die Bonzenkarre ein Geschenk ist. Und ja, eine Nachfrage bei der Brautmutter bestätigt das. Also wird nur heute schwarze Luft in den Himmel gepustet. Na gut. Zur Feier des Tages setze ich nicht zum Thema Umweltschutz an.
Also bliebt: was Neues. Und das muss es im Endeffekt ja auch sein. Wenn ich zum ersten Mal mit meiner Kamera auftauche und mir von fremden Menschen den wichtigsten Tag ihres Leben anvertrauen lasse. Sehr zum Missfallen der Verwandten, denen ich immer die Sicht versperre. Die durch meinen Blitz sekundenweise erblinden müssen. Die lieber selber arrangieren würden, wo das Paar wann und wo zu sitzen, stehen, lächeln hat. Obwohl gelächelt haben sie die ganze Zeit. Wär ja auch kein gutes Ohmen, wenn nicht.

Titel: Die Farbe Blau
Autor: Jörg Kastner
Verlaug: Knaur
Presi: € 8,95

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