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19 Juni 2010

Das Spiel


Ich habe ein altes neues Lieblingsspiel, das da heißt: Ma guggn, was passiert. Das ist ein super Spiel. Weil es nie langweilig wird, es überall und zwar allein und auch zu hundert gespielt werden kann und vor allem, weil es praktisch keine Regeln hat. Nur eine. Tu etwas Unerwartetes. Entdeckt hab ich das als Kleinkind in der Hofeinfahrt. Als wir noch einen Ofen hatten und keine Waschmaschine. Da dachte ich, ich gugge mal, was passiert, wenn ich bei der neuen Lieferung Kohle jede Einzelne nehme und einmal von oben bis unten meine Zunge drüber ziehe. Tja meine Erwartung (Ich mach die blitzblank!) hat sich nicht bestätigt. Aber, den Eltern, denen hab ich einen schönen Schock versetzt. Wie ich da als rabenschwarzes Kind mit stolz geschwellter Brust auf dem Boden kniete. Das war lustig. Auch wenn ich heut noch an den Spätfolgen leide. Nicht dass mich einer meiner Ärzte je auf meine vermeintliche Raucherlunge angesprochen hat, die ich seit dem haben muss. Ich mein, meine Apathie dem Staubwedel gegenüber. Ob ich da nun noch drüber wische oder nicht, sauber wird’s am Ende eh nie sein.
Die Freude am Spiel hats mir aber nicht genommen. Ganz im Gegenteil es gab auch Momente, in denen hat es mir genutzt. Auf einer Party, bei der ich den ganzen Abend von einem Typen angestarrt wurde. Manche Frauen mögen das. Ich nicht. Ganz besonders nicht, wenn der Typ orange ist. Gut. Also muss was Unerwartetes her. Ich schnapp mir einen Freund und mach mich gemeinsam mit ihm auf den Weg zum Starrer. Beide hüftschwingend. Der Starrer wird sichtlich nervös. Super, genauso hätt ichs gern. So kann ich das Wort ergreifen: „Hey, na? Bist uns beiden schon den ganzen Abend aufgefallen (hinzufügen eines neckischen Zwinkerns), wie siehts aus- hast du Lust die Nacht mit uns zu verbringen?“ Jawoll. Die Orange wird rot. Und muss plötzlich dringend weg. Gut, die Reaktion war jetzt nich sonderlich spannend, aber lustig dennoch.
Meistens spiel ich aber allein. Bin ja auch oft allein. Och, ich Arme. Da muss ich mir den Tag ja irgendwie lustig machen. Ma guggen also was passiert, wenn ich alle Türen (also die eine am Balkon) und alle Fenster (also das eine am Balkon) aufreiße, während auf dem Hof gerade zwanzig Bauarbeiter Styropor zur Dämmung eines ganzen Hauses wie die Wilden zurechtsägen. Damit ich mir nicht selbst die Überraschung verderbe, gehe ich erstmal auf Arbeit. Fünf Stunden. In denen ich schon völlig aufgeregt bin. Was mich wohl erwartet, wenn ich die Haustür aufmache? Gugg mal einer an. In meiner Wohnung hat es geschneit! Aber nich so popeligen Novemberschnee, der taut kaum das er die Erde zu fassen bekommt. Als ob er Angst hat. Bei mir braucht er die nicht zu haben. Bei mir kann er bleiben. (Ich könnt jetzt locker den Bogen zu oben genannter Spätfolge schließen, aber irgendwie ist euch das ja eh bewusst, brauch ich also keinen Ton mehr zu sagen) Von ihm hab ich also lange was. Weil, der is in jeder Ritze. Auf den Auszuge freu ich mich. Weil, wenn ich die Reste hinter dem Bett finde, muss ich wieder an den lustigen Tag denken und kann mich gleich nochmal freuen.
In Gesellschaft spielen ist aber auch nicht zu verachten. Solange es harmlos bleibt und man den Chef nicht fragt ob einem nur deshalb soviel Arbeit gibt, weil er insgeheim faul ist. Also lasst die Freunde ruhig mal mitmachen. Vor allem und immer dann, wenn sie nicht wissen, dass sie mitspielen. Für den Alltag hab ich meinen Knicks, den ich immer mache, wenn mir jemand die Hand entgegen streckt. Da stehen die Leute dann erstmal da. Da muss man gleich reagieren. „Na ein Gentleman hätt jetzt nen Diener gemacht!“ Jetzt guggen se verdutzt. Aber gemacht hat bisher noch keiner einen. Warum eigentlich. Ich geb nicht auf. Egal. Worauf ich hinaus wollte (und das schon die ganze Zeit) - am schönsten isses, wenn jemand (nicht man selber, da geht das eigentlich gar nicht (was mich nich hindert das ab und an auszuprobieren, weils dann doch interessant ist, wie man selbst reagiert)) total im Stress ist. Weil der Zug gleich kommt. Oder die Muddi. Oder die Muddi im Zug. Wenn ich dann den Kellerschlüssel in die Hand gedrückt bekomm mit den Worten „Hol mal schnell…“, dann überleg ich. Warte ma, ob der klitzekleine Schlüssel hier eigentlich auch in das Schloss passt? Tatsächlich. Man bekommt den rein. Und kann ich den jetzt auch drehen? Nein. Das heißt schon. Aber der dreht sich nicht im Schloss. Sondern um sich selbst. Wer hätte das gedacht? Ich nicht. Ich glaubs erst, wenn ich den Kopf in der Hand habe, während der Bart noch drinhängt. Toll. Bin ich stark. Ich kann Schlüssel zerstören! Yeah! Ich Hulk! Ach ja, der Keller. Hm. Ja, da kommt man jetzt erstmal nicht rein. Mal guggn was passiert, wenn ich das jetzt erzähle (und dabei immer noch vor Stolz zu platzen drohe). Er wünscht, ich täte es. Das platzen. Lustig. Und dabei kann ich beim Thema Schloss noch einen draufsetzen. Da ich ja noch auf einer Baustelle wohne, gibt es bei uns eine Kellerkellertür (also die, durch die man muss, um überhaupt erstmal zum Keller zu kommen), da ist statt eines Schlosses, ein großes schwarzes Loch. Also häng ich noch einen dran. Der Gute sitzt eh schon auf der Palme, wie er da mit ner Zange die Überreste rausfriemelt. Der Arme, was glaubt er denn mit den Resten noch anfangen zu können. Egal, Hauptsache er hats am Ende. Dann geh ich voran, immer auf auf, der Kellerkellertür entgegen. Stell mich vor die Tür mit Loch und zieh was das Zeug hält an ihr. Bekomm sie nicht auf und dreh mich um, und jetzt bitte mit vollem Ernst:“Scheiße, da hat doch wieder einer von den Idioten abgeschlossen!!“ Toll, so einen schönen fassungslosen Blick, ob meiner Dummheit, hab ich lang nicht mehr gesehen. Aber der geht noch besser. „Und das, wo die genau wissen, dass ich immer noch keinen Schlüssel bekommen hab. Kannst du mal eben bitte aufschließen?“
Ist das jetzt lustig, wenn ich das so erzähle? Ich weiß nicht. In der Situation war es das auf jeden Fall. Ja ja, das sagt se immer. Ich weiß.

Titel: Das Spiel
Autor: Stephen King
Verlag: Heyne
Preis: € 8,95

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