Search

Pages

06 Juni 2010

Mein Herzblatt


Die Beziehung von mir und meiner Kamera ist schon eine ganz Besondere. Zwar eigentlich nur eine Wochenendbeziehung, aber im Gegensatz zu all den anderen, die sich damit rumquälen, klappt das bei uns ganz gut. Die Entfernung ist nicht das Problem, ich mein, immerhin hab ich ganz viele Bilder von ihr bei mir hängen, die ich mir jederzeit anschauen kann, wenn ich Sehnsucht bekomm. Und ansonsten wird montags schon wieder geplant, was wir am nächsten Wochenende gemeinsam unternehmen. Das zwar stets von mir. Ich geb den Ton an, ich weiß was ich sehen will. Aufnehmen und festhalten will. Und ihr müsstet uns sehen- mich und meine Kleine. Ein tolles Team. Ich bin nach nun fast sechs Jahren immer noch so vernarrt in sie, wie am ersten Tag. Hab ich sie in den Händen, geht um mich alles verloren. Da kommt es schon mal vor, dass ich an einem Teich stehe und hässliche Entenbabys (echt, es gibt hässliche Entenbabys, schaut euch mal die von den Blesshühnern an, wie ein klitzekleiner roter Tod, sehen die aus. Dennoch..interessant.) von vor einer Woche fotografiere und denke der Mann neben mir, will sich nett mit mir über die Tierchen unterhalten, dabei starrt der nur unentwegt in meinen Ausschnitt. Merk ich dass nach ner Viertelstunde, hau ich leicht geschmeichelt und hoch entsetzt ab und renn an die andere Seite vom Teich, um dort springende Fische zu fotografieren. Und das, weil man mir nicht glaubt, dass die das können, die leckeren Dinger. Und dann halt ich drauf. Dreihundert Bilder lang, bis ich den fliegenden Fisch hab. Und bis mir von hinten jemand Steine auf den Rücken wirft. Was ich irre unverschämt finde, weswegen ich mich schon umdrehen und das dicke Kind, das es nur gewesen sein kann, anschreien möchte, was es denn unsere Zweisamkeit stört. Wie gesagt, möchte. Ich machs nicht. Ist nämlich kein dickes Kind. Sondern tatsächlich eine Windhose. Die kann ich nicht anschreien, dass sie gerade versucht meine Linse zu zerstören. Ich mein, die würde sicher doof gucken, aber sich groß von mir kleinem schimpfenden Wurm beeindrucken? Ich glaub nicht. Also kann ich mich im Grunde nur schützend und wundernd, dass diese No-Name Hose es hierher geschafft hat, über meine Kamera werfen, um den schlimmsten Schaden zu verhindern. Einen Steinschlag. Das wärs ja noch. Carglass gibt’s hier in der Nähe nicht. Da wär ich völlig aufgeschmissen. Mist. Abwarten. Klappt dann auch. Die Hose macht sich nass und verschwindet auf dem Teich. Tja ja, so läuft das bei uns beiden also immer, wenn wir unterwegs sind. Da lauert die Gefahr überall und es kommt durchaus auch vor, dass man mal von einem Pferd und einem Kamel innerhalb von zehn Minuten eine Kopfnuss bekommt. Das nehm ich in Kauf. Aber heut. Ja heute, da wurde ich sogar von einer Straße angegriffen. Von einer Straße! Das muss mal sich mal vorstellen. Und die hat auch noch gewonnen. Dabei kann die sich nicht mal bewegen! Und ich. Ich hab jetzt nen verbrannten rechten Arm. Eklig. Aber wie gesagt- ich nehm die Gefahr in Kauf. Für ein gutes Bild mach ich das. Gern. Wenn das im Kasten ist, freu ich mich wie bolle. Und mein Freund, den ich danach wieder wahrnehme, fragt mich mittlerweile dann schon, ob ich jetzt Lust auf eine Zigarette hätte. Und ganz ehrlich, manchmal möchte ich schon gern ja sagen.

Titel: Mein Herzblatt aus "...und noch ein Küsschen!"
Autor: Roald Dahl
Verlag: rororo
Preis: € 5,00

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen