Search

Pages

21 Februar 2011

Der standhafte Zinnsoldat


Es ist verdammt heiß. Verschwitzt liege ich in meinem Bett und wälze mich zwischen den Laken hin und her. Um mich herum liegt ein weißes Blütenmeer. Es riecht leicht nach Minzöl. Und ein bisschen nach Jasmin. Es ist soweit. Ich bin krank. Habe achtunddreißig Fieber, liege inmitten von zwölf Packungen vollgerotzter Papiertaschentücher, bin von oben bis unten eingerieben mit Einreibezeug, das nach ätherischen Ölen riecht und das Schlimmste: Ich langweile mich furchtbar. Ich langweile mich so furchtbar, dass ich anfange die Knubbel an der Raufasertapete zu zählen. So furchtbar, dass ich die Inhaltstoffe des Nasensprays auswendig lerne, (Xylometazolinhydrochlorid!) und so furchtbar, dass ich überlege, was ich in der Zeit alles für sinnvolle Dinge hätte erledigen können. Ich hätte die Wäsche machen, oder zumindestens die fünfzig ungelesenen Bücher lesen können, die im Schrank vor sich hinstauben, ich hätte zum Arzt gehen oder eine Rakete bauen können. Stattdessen lieg ich rum und döse, schlaf ein, wache verärgert auf, renn ins Bad, huste grüne Brocken aus, leg mich ins Bett und döse. Dreißig Minuten, dann wach ich wieder auf und renn wieder ins Bad. So sieht seit fünf Tagen mein Tagesablauf aus. Nachts sehr ähnlich, nur dass die Schlafphasen mit ein bis zwei Stunden länger und die Brocken dann größer sind. Nur in zwei Stunden, so zwischen vier und sechs nachmittags bin ich einigermaßen klar. In denen mach ich natürlich nicht die Wäsche, gehe nicht zum Arzt und lese auch kein Buch mehr, weil man nach dem dritten Buch hintereinander einfach keinen Bock mehr aufs Lesen hat. Ich mache das, was irgendwie immer geht. Ich schnappe mir den Läppi und tauche ein ins Netz, checke alle wichtigen Nachrichten bei Tagesschau, facebook und Co. um schließlich auf Seiten zu versacken, von denen ich nicht wusste, dass es sie gibt und ich nicht wollte, dass sie mich interessieren. Und dennoch passiert es. Ich bleibe hängen. Heute auf der Seite einer Detektei, welche dafür geworben hat, jeden Seitensprung aufzudecken. Ich mache mir eigentlich keine Sorgen um meine Beziehung, weiß also nicht, wie und wieso ich letzen Endes auf der Seite gelandet bin, aber wissen wollte ich es dann doch, wie man es merkt, dass man betrogen wird. Und noch viel wichtiger, welche Gründe einen Seitensprung rechtfertigen und welche nicht. Problem eins: wie man es merkt. Nun gut, da muss unterschieden werden. Da ich eine Frau bin, such ich nach den Anzeichen, anhand derer ich merke, dass mein Mann fremdgeht. Folgende Topfünf hab ich aus der zur Verfügung stehenden Liste von „50 Anzeichen an denen sie merken, dass ihr Partner untreu ist“ mal zusammengestellt.
5. Er verlässt das Haus in den frühen Morgenstunden und riecht wie der irische Frühling und kehrt erst in den späten Abendstunden zurück und riecht völlig steril.
4. Sie finden die Pille in ihrem Medizinschrank, obwohl Sie sterilisiert sind.
3. Er kauft sich selbst neue Unterwäsche.
2. Plötzlich möchte er bei der Wäsche behilflich sein.
Und die Nummer eins:
1. Er erbricht sich, da er schon bei seiner Geliebten gegessen hat und nun gezwungen ist bei seiner Rückkehr nach Hause auch noch das zu essen, was sie gekocht haben.
Okay, bei mir hat sich weder vor noch nach dem Essen jemand übergeben. Und um die Wäsche kümmere ich mich gern allein. Fremde Pillen liegen auch nicht rum, läuft also alles ganz gut. Sorgen mach ich mir noch nicht. Aber hier befindet sich noch ein Link. Ein rot blinkender Link, der für sich allein schon sehr für die Seriosität des Unternehmens spricht, mich aber dennoch reizt. Ich muss einfach draufdrücken! Und der rot blinkende Link führt zu den fünfzig am häufigsten vertretenen Ausreden, die geäußert werden, wenn man beim Fremdgehen erwischt wurde. Und auch hier, meine Topfünf:
5. Ich wollte mit dem Fremdgehen einen besonderen Anlass feiern. (Ich hab lange überlegt, aber ich weiß nicht, was genau solch ein besonderer Anlass sein könnte..)
4. Ich wollte durch das Fremdgehen mehr Farbe in meine Beziehung bringen. (Wie das denn, mit einem blauen Auge?)
3. Meine Hormone waren temporär außer Kontrolle. (Temporär permanent und partiell komplett.)
2. Ich wollte Dankeschön sagen. (Dann hättest du auch genau das einfach nur tun können.)
Und dann (Trommelwirbel) die Nummer eins: Es war ein Aufnahmeritus für eine Organisation.
So was gibt’s? Nicht wirklich? Im Ernst, wo? Das kann mir doch keiner erzählen? Das kann doch keiner glauben. Bei schwarzen Messen und dergleichen vielleicht, aber hätte ich so einen zu Hause dann könnte der auch temporär fremdgehen, ohne Dankeschön sagen zu wollen, und dabei und damit seine Aufnahme feiern und er würde ohne blaues Auge davon kommen, weil mir dass dann auch herzlich egal wäre.
Jedenfalls, ich fass es nicht. Sachen gibt’s. An denen wollt ich euch teilhaben lassen. Ich für meinen Teil habe meine zwei klaren Stunden für heute verbraucht und verabschiede mich damit in die Geistesabwesenheit. Bleibt standhaft!

Titel geborgt bei Hans Christian Andersen

2 Kommentare:

Lila hat gesagt…

Ich wünsche gute Besserung! Wobei ich auch sehr dankbar für deinen Ausflug durchs Internet bin zu dem du aus Langeweile gezwungen wurdest ;)

seleneos hat gesagt…

Ich danke! Mittlerweile sind es auch etwas mehr als zwei klare Stunden am Tag! Und wenn ich wieder so unterhaltsame Seiten finde- ich geb bescheid! :)

Kommentar veröffentlichen