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21 Juni 2011

Tödliche Gaben


Wenn man verreist, merkt man stets viel zu spät, dass man eigentlich keinen geeigneten Koffer zur Hand hat und die Zeit, sich ins Gedränge zu geben und sich von nichts ahnenden Verkäufern beraten zu lassen, um dann mit einem völlig unzweckmäßigen Hartschalenkoffer nach Hause zu gehen, nicht vorhanden ist. Und was macht man dann? Klar, man leiht sich von Oma/Tante/bester Freundin einen Koffer/eine Reisetasche aus. Und begeht damit einen großen Fehler. Warum? Weil es immer etwas gibt, für das man sich rächen kann. Sei es eine verschwitzte Weihnachtskarte oder das falsche Alter auf der Geburtstagstorte. Die vergessen so was nicht. Und kommt man dann mit der arglosen Bitte um einen Koffer, da ist das sofort wieder da, im Hinterkopf! Das verspreche ich euch! Und dann wird freundlich genickt, natürlich können sie einen Koffer entbehren, das ist kein Problem, insgeheim aber überlegen sie, wie sie die Situation ausnutzen könne. Und natürlich, sie sind Frauen, denen fällt immer was ein, was einen von hinten durch die Brust ins Auge trifft. Und das merkt mann dann wann? Genau. Bei der Kontrolle am Flughafen. Wenn der Koffer den Scanner durchläuft. Da fällt einem auf, dass sich Personal eins mit großen Augen den Monitor anschaut, Personal zwei ranholt und diesem leise ins Ohr flüstert. Hui, da krabbelt einem ein leichter Zweifel ins Genick. Und man überlegt, ob man zufälligerweise doch den Plastiksprengstoff nicht ausgepackt hat. Eigentlich nicht. Eigentlich ist der Koffer nur gefüllt mit Socken, Zahnpasta und nem Reiseführer. Und eigentlich hat man nicht mal ne Wasserflasche eingepackt, aus Angst am Flughafen auf dem Weg in ein muslimisches Land als möglicher Attentäter festgenommen zu werden. Also folgt man der Aufforderung des Personals zwei, doch mal näher heranzutreten etwas zögerlich. Und die barsche Stimme lässt einen zusammenzucken:
„Sagen se mal, was ist dass denn hier in Ihrer Tasche?“
Ja, gute Frage. Sieht aus wie ein Schraubenzieher. Liegt der wirklich in meiner Tasche? Das kann doch gar nicht sein. So was hab ich doch mit Sicherheit nicht eingepackt. So was besitz ich nicht mal. Wozu sollte ich auch. Ich hab Freunde, die Werkzeug besitzen. Man wagt eine zurückhaltende Antwort.
„Ein äh.. naja..ein Schraubenzieher is das, denk ich!“
„Aha, denken se also!“
Ja das denkt man also. Sieht ja auch so aus, mit seinem roten Plastegriff und der leicht angerosteten Klinge vorn.
„Und da sind se sich sicher? Wieso haben se so was denn in ihrem Gepäck? Was haben se denn damit vor?“
Hm, wenn er so fragt … ja stimmt. Das könnte man auch als gefährlichen Gegenstand ansehen. So was ist nicht erlaubt im Flugzeug, gell? Da kommt sie auf, die Panik. Sie kriecht von den angewurzelten Zehenspitzen über die zitternden Knie in den flauen Magen. Man ist aus Angst vor dunklen Vernehmungsräumen, Körperöffnungssonden und dem bösen Cop wie gelähmt. Was kommt denn jetzt? Die öffentliche Diffamierung mittels Abführung in Handschellen? Ein ellenlanger Eintrag im Bundeszentralregister? Bildung einer terroristischen Vereinigung, Vorbereitung eines Angriffskrieges, Hochverrat, Widerstand gegen die Staatsgewalt. Ein Tischurteil, keine Bewährung, Gruppenzelle. Und daneben der verpasste Flug, die verpasste Konferenz, der Verlust des Arbeitsplatzes? Arbeitsamt und Hartz IV ein Leben lang. Alkoholismus und früher Tod aufgrund einer Leberzirrose. Das Leben ist also vorbei. Schon jetzt. Und nur wegen eines Schraubenziehers.
„Ich .. ich ich weiß nicht. Der muss da irgendwie reingerutscht sein!“ versucht man sich dann stotternd rauszureden.
„Aha reingerutscht. Der Schraubenzieher. So so.“
„Ja also irgendwie … ja irgendwie .. beim Packen … ja beim Packen ... also das kann nur ein dummer Zufall sein.“
„Also erstmal, das ist kein Schraubenzieher sondern ein Schraubendreher!“ weiß der dicke Herr besser „und zweitens, isses mir völlig wurscht, was sie damit machen wollten. Mitnehmen können se den jedenfalls nicht. Egal ob se dann da drüben keinen Ikeaschrank zusammenbauen können. Haben se also noch jemanden hier, den se den mitgeben können?“ grunzt er einen zufrieden an. Hat er sich nen Scherz erlaubt. Machen se gern, gibt ja sonst nüscht zu tun.
„Ähm … nein.. nee hab ich nicht!“ Hochroter Kopf. Erleichterung. Nachlassender Harndrang.
„Ja jut, dann schmeiß ich das Ding jetzt weg, auch wenns schade drum ist!“
„Okay, oder behaltense den ruhig, mir egal.“

Also liebe Leute leiht euch keine Koffer oder Taschen aus. Besonders nicht von mir. Lernt aus der Geschichte eines Freundes. Ihr wisst nie, welche Geschichten sich da noch in meiner Erinnerung befinden. Und glaubt auch nicht jedem der euch am Telefon eine Musikerkarriere verspricht und trinkt nicht aus einer Flasche, die ihr nicht selbst gekauft und geöffnet habt. Frauen sind ein schlimmes Volk.

Der Titel ist geborgt bei Simon Beckett

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